Hochpotente Corticoide als erste Wahl |
Brigitte M. Gensthaler |
09.09.2025 15:30 Uhr |
Massiver Juckreiz sowie Schmerzen im Intimbereich können einen Lichen sclerosus anzeigen. Die nicht infektiöse Dermatose ist nicht heilbar, aber deutlich zu lindern. Darauf weist die neue S3-Leitlinie hin. / © Getty Images/Panuwat Dangsungnoen
Die ersten Anzeichen eines Lichen sclerosus (LS) sind in der Regel eine Aufhellung der Genitalhaut, manchmal Rötung und Ödeme; im Verlauf können Fissuren, Vernarbungen, Atrophie und eine Verengung des Scheideneingangs oder der Vorhaut auftreten. Das Risiko für lokale Karzinome, meist Plattenepithelkarzinome, ist erhöht. Juckreiz und Brennen gehören bei Frauen zum Leitsymptom; Männer klagen eher über Schmerzen und eine Vorhautverengung mit sexueller Dysfunktion.
Frauen in der Postmenopause sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen, Jungen oder Männer. Manchmal kommt es auch zu Symptomen außerhalb des Genitalbereichs. Beschwerden an der Vulva, also den äußeren Geschlechtsorganen, sind für viele Frauen nach wie vor ein großes Tabuthema.
Die genaue Prävalenz des LS ist unbekannt. Sie werde wahrscheinlich unterschätzt, da die Erkrankung unterdiagnostiziert ist, heißt es in der S3-Leitlinie zu Lichen sclerosus, die unter Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) entstanden ist. Die vermutete Prävalenz variiert zwischen 0,1 Prozent bei Kindern und 3 Prozent bei postmenopausalen Frauen.
Die schubartig auftretenden Symptome von Jucken und/oder Brennen im Intimbereich würden bei Kleinkindern oft mit Windeldermatitis, bei Erwachsenen mit Pilzinfekten, Blasenentzündungen und Herpes verwechselt, schreiben auch Selbsthilfevereine. Eine verschleppte Diagnose könne psychologische, partnerschaftliche und teilweise traumatische Folgen haben.
Das betonen auch die Leitlinienautoren: Psychische Störungen seien eine unterschätzte Komplikation chronischer genitaler Erkrankungen. LS habe nachweislich einen tiefgreifenden Einfluss auf die psychische Gesundheit. »Ängste und psychische Erkrankungen, depressive Phasen, der Verlust des Selbstwertgefühls – diese Begleiterscheinungen dürfen nicht übersehen werden«, erklärt Dr. Gudula Kirtschig vom Medbase Gesundheitszentrum Frauenfeld (Schweiz) in einer Pressemeldung der DDG. Die Dermatologin war federführend an der deutschen und der europäischen Leitlinie beteiligt.
Die Leitlinie empfiehlt für alle Patienten eine frühzeitige Therapie der äußeren Genitalhaut mit hochpotenten topischen Glucocorticoiden (Klasse III oder IV), um die Krankheitskontrolle zu verbessern. Clobetasolpropionat 0,05 Prozent oder Mometasonfuroat 0,1 Prozent werden sowohl bei akuten Schüben als auch in der Erhaltungstherapie eingesetzt. Dabei empfehlen die Experten Salben anstelle von Cremes oder Lotionen.
Eine Alternative ist bei manchen Patienten die intraläsionale Injektion von Triamcinolonacetonid oder Dexamethason.
Zusätzlich zur Standardtherapie soll eine Basistherapie mit Emollienzien erfolgen. Die feuchtigkeitsspendenden und hautpflegenden Salben können nach einer initialen Glucocorticoid-Behandlung eine zusätzliche Linderung bewirken. »Wir empfehlen mindestens zweimal täglich Emollienzien aufzutragen, um die Hautbarriere zu stärken«, sagt Kirtschig. Topika mit pflanzlichen Komponenten, Antihistaminika, Anästhetika und Parfümstoffen sollten LS-Patienten meiden, da ein erhöhtes Risiko einer Kontaktsensibilisierung besteht.
Als zweite Wahl oder zusätzlich nennen die Experten eine topische Therapie mit Calcineurin-Inhibitoren wie Pimecrolimus (1-Prozent-Creme) und Tacrolimus (0,1- und 0,03-Prozent-Salbe). Ebenfalls off-label ist die topische Anwendung von Retinoiden. Ist eine systemische Therapie erforderlich, sollten Acitretin oder Methotrexat (Teratogenität berücksichtigen) eingesetzt werden (alle off-label). Wenn der therapeutische Effekt bei Jungen und Männern nicht überzeugt, sollte – so die Empfehlung in der Leitlinie – die Vorhaut möglichst vollständig entfernt werden.
Ein eigenes Kapitel widmet die Leitlinie der Patientenschulung, die mit einer ausführlichen Informationsvermittlung – bei erkrankten Kindern auch der Eltern – einhergehen soll. »Eine umfassende Aufklärung zur Anatomie und zum klinischen Erscheinungsbild des LS ist wichtig«, betont Dermatologin Kirtschig. Die Patienten sollten lernen, mit ihrer Erkrankung konstruktiv umzugehen. »Das kann die Therapietreue immens verbessern.« Auch der Austausch mit anderen, zum Beispiel in Patientenorganisationen, sei hilfreich.