Hip-Hop stellt traditionelle Frauenbilder infrage |
Angela Kalisch |
08.03.2024 07:00 Uhr |
Zwischen selbstbewusstem Auftreten und voyeuristischem Sexismus: Die männlich dominierte Hip-Hop-Kultur bietet Frauen sehr viel Raum für eigene Ausdrucksmöglichkeiten. / © PZ/Angela Kalisch
Goldschmucküberladene Männer in dicken Autos, umgeben von spärlich bekleideten Frauen, dazu gewaltverherrlichender Sprechgesang: das Image des Gangster-Rap, wie vor allem aus Musikvideos bekannt, stellt Geschmack und Empfinden auf eine harte Probe. Fast schon gesellschaftsfähig kommt dagegen die fröhlich bunte Welt tanzender Jugendlicher daher, die sich mit akrobatischem Körpereinsatz oder in kunstvollen Graffitis ausdrücken. All diese Facetten gehören zum Hip-Hop, einem Begriff, der sich vor 50 Jahren als Beschreibung eines kulturellen Phänomens etabliert hat.
Seinen Ursprung hat er im New Yorker Stadtteil Bronx, entstanden Anfang der 1970er-Jahre als Subkultur unter afro- und lateinamerikanischen Jugendlichen. Bei sogenannten Blockpartys feierten marginalisierte Gruppen sich selbst und ihre Wurzeln und schufen so eine Gegenbewegung zur weißen Mehrheitsgesellschaft. Sprache, Musik und Tanz waren die wichtigsten Säulen der Bewegung. Das Rebellieren gegen Standards ging mit dem Remixen und Überlagern von Musikstücken einher. Im US-amerikanischen Rap spielte zudem der »Battle« eine wichtige Rolle, also der Wettkampf, in dem konkurrierende Gangs ihr Können unter Beweis stellten und sich den Respekt der Straße verschafften.
© PZ/Angela Kalisch
The Culture. Hip-Hop und zeitgenössische Kunst im 21. Jahrhundert.
Die Ausstellung ist bis zum 26. Mai 2024 zu sehen in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main.
Nähere Informationen und Rahmenprogramm unter www.schirn.de
Zu den musikalischen und künstlerischen Ausdrucksformen gesellten sich Mode, Schmuck und Style, um Ablehnung und Selbstdarstellung auch deutlich nach außen zu tragen. Je bunter, schriller und protziger, desto besser. Gleichzeitig war die Selbstdarstellung ein Mittel zum Überleben. Dabei machte die Hip-Hop-Kultur bewusst von Luxusgütern Gebrauch, von deren Besitz sie aufgrund ihrer Herkunft und gesellschaftlichen Zugehörigkeit eigentlich ausgeschlossen werden sollte. Hip-Hop bot und bietet gleichermaßen eine Plattform für Protest und brutale Auseinandersetzung gegen Rassismus und Ausgrenzung als auch für einen unerschöpflichen kreativen Ausdruck des eigenen Selbstbewusstseins. So verwundert es kaum, dass das »Bling Bling« Einzug in den Fashion-Mainstream hielt und sogar die mit Kriminalität verknüpfte »Street Credibility« romantisiert und vermarktet wird.
Einen Schwerpunkt bei der Auseinandersetzung mit der Hip-Hop-Kultur spielt auch das Verständnis von Geschlechterrollen und einem häufig offen zur Schau gestellten Sexismus. Demgegenüber bietet die männlich dominierte Szene Frauen aber auch Raum für die Definition von Schönheitsidealen und der selbstbewussten Einforderung von Unversehrtheit des eigenen Körpers. Hip-Hop ermöglicht es, mit tradierten Vorstellungen zu brechen und selbst zu bestimmen, wie man beziehungsweise frau gesehen werden will. So haben sich nicht nur weibliche DJ ihren festen Platz in der Musikwelt erobert, Mädchen und junge Frauen werden auch ermutigt, weniger fremdbestimmt für die eigene Persönlichkeit einzutreten.
In den vergangenen Jahren hat noch ein weiterer Aspekt Einzug in die Szene gefunden: Gesundheit. Wie Studien zu Songtexten zeigen, sprechen die harten Kerle zunehmend auch über ihre Schwächen. Emo-Rab nennt sich das Sub-Genre, in dem mentale Probleme im Fokus stehen. Die Message: Darüber sprechen ist gut. Jugendkampagnen in den USA setzten beim Thema Ernährung und Bewegung ebenfalls auf die Macht des Hip-Hop. Dabei galt es, weniger coole Botschaften wie »Iss mehr Gemüse« oder »Beweg dich häufiger« massenwirksam zu verpacken. Als Transportmedium hat sich die Bewegung auch für Gesundheitskompetenz bewährt. Laut einer Studie lernten Kinder über die Musik Wichtiges über Schlaganfälle und gaben das Wissen sogar teilweise an ihre Eltern weiter.