Heute bleiben die Apotheken zu |
Türen zu: Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, schließen viele Apotheken heute. Nur die Notdienst-Apotheken kümmern sich um die Versorgung. / Foto: Imago/Michael Gstettenbauer
Ob es wohl viele Menschen gibt, die heute vor verschlossenen Eingangstüren der Apotheken stehen und sich verwundert fragen, warum die zuverlässige Arzneimittelberatung und -abgabe ausfällt und nur Notdienst-Apotheken sich um die Versorgung kümmern?
Eigentlich sollten es nicht allzu viele sein. Immerhin haben sich nicht nur Kammern und Verbände seit Wochen mächtig ins Zeug gelegt, um den Protesttag zu bewerben und die Forderungen der Apothekerinnen und Apotheker darzulegen. Auch Fachpresse und Publikumsmedien berichten beinahe täglich über die Pläne, erklären die Hintergründe, analysieren die Argumente der Apothekerschaft, befragen Experten und Politik dazu. So präsent wie derzeit waren die Apotheken und ihre Anliegen gefühlt noch nie. Die Menschen dürften also gerüstet sein. Dass sie die Aktionen zu einem Großteil auch befürworten, hat übrigens eine Umfrage erst kürzlich ergeben.
Rückendeckung für die konzertierte Aktion bekommen die Apotheken aber auch von anderen Stellen. So sicherte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestern Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen zu, dass sein Ministerium sich für eine Honorarerhöhung einsetzen werde. Per Brief ans Bundesgesundheitsministerium solle dies auch an den Kabinettskollegen kommuniziert werden.
Auch aus der Opposition kommt Unterstützung. CDU-Apothekenexperte Georg Kippels sagte der PZ auf Anfrage: »Ich unterstütze den Protesttag der Apotheken. Minister Lauterbach verschlechtert mit seinen Gesetzen die Versorgungslage in Deutschland. Er schafft mit den geplanten Gesundheitszentren nicht zu finanzierende Parallelstrukturen, anstatt die Apotheken zu stärken, die essenzieller Faktor für die erfolgreiche Bewältigung der Pandemie in Deutschland waren.«
In der Vergangenheit sowie auch aktuell hätten die Apothekerinnen und Apotheker »ihre Aufgabe als Schnittstelle zwischen Arzneimittelherstellung und Abgabe an die Patientinnen und Patienten verantwortungsvoll und mit einem Höchstmaß an Pragmatismus – soweit es mit den einschlägigen Vorschriften in Einklang zu bringen war – erfüllt«, betonte der Bundestagsabgeordnete. Sie spielten eine »besondere und absolut systemrelevante Rolle«. Dieser Rolle müsse auch im Rahmen der Gesetzgebung »sowohl systematisch als auch finanziell eine angemessene Anerkennung entgegengebracht« werden. Mit dem geplanten Lieferengpassgesetz sei dies in dieser Form nicht möglich, so Kippels. »Das ALBVVG ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht und wird die Lieferengpässe nicht in den Griff bekommen.«
Auch aus der Landespolitik kommt Verständnis. So forderte etwa Hessens Regierungschef Boris Rhein eine Strategie für die sichere Versorgung mit Medikamenten. »Dass Eltern für ihre Kinder in den zurückliegenden Monaten teils nicht einmal mehr den passenden Hustensaft bekommen konnten, hätte ich mir vor ein paar Jahren nicht vorstellen können«, teilte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur mit. »Es geht um das Wohl und um die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.«
Trotzdem führe die Bundesregierung keinen Dialog mit den wichtigsten Akteuren. Seit Monaten fordere er Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu einem Medikamentengipfel auf, ergänzte Rhein. »Bund, Länder, Apotheken und Pharmaindustrie gehören an einen Tisch.« Vor allem die Apotheken überbrücken laut Rhein mit Einsatz, Flexibilität und persönlicher Nähe zu den Patienten die schlimmsten Versorgungsengpässe.
Ihr erheblicher Mehraufwand bei hoher Inflation und teurer Energie müsse angemessen vergütet werden. Dazu habe die Landesregierung die Bundesregierung am 12. Mai gemeinsam mit anderen Ländern im Bundesrat aufgefordert. Doch Lauterbach lehne dies ab. »Ich habe deshalb großes Verständnis für die Stimmung in der Apothekerschaft«, erklärte Rhein.
Im Streit um höhere Honorare und bessere Arbeitsbedingungen stärkt auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha den Apotheken den Rücken und fordert ein besseres Angebot des Bundes. »Ich habe Verständnis für die Forderungen der Apothekerinnen und Apotheker und habe diese ebenfalls bereits an den Bund herangetragen«, sagte der Grünen-Politiker am gestrigen Dienstag in Stuttgart. Die Berliner Bestrebungen bei den Vergütungen griffen zu kurz. Das gelte vor allem mit Blick auf den bürokratischen Aufwand für Abrechnungen und Dokumentationen.
Auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) setzt sich für eine bessere Vergütung von Apotheken ein. Zum heutigen Protesttag teilte sie mit, noch sei die flächendeckende Versorgung in Brandenburg mit den vorhandenen Apotheken gewährleistet. »Wir brauchen aber heute mehr denn je jede Apotheke im ländlichen Raum.« Damit das so bleibe, setze sich Brandenburg für eine Neugestaltung der Vergütung für Apotheken ein und habe einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, hieß es in der Mitteilung des Gesundheitsministeriums am gestrigen Dienstag. Die Zahl der Apotheken in Brandenburg sei von 580 im Jahr 2013 auf derzeit 546 (Stand Juni 2023) gesunken.
Ungeachtet der zahlreichen Solidaritätsbekundungen wiederholte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gestern noch einmal, dass er derzeit keinen Spielraum für höhere Apothekenhonorare sehe. Vor dem Gebäude des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin dürften die Pfiffe und Buhrufe heute also besonders laut erschallen; das Ministerium liegt auf dem Weg des geplanten Demonstrationszugs in der Hauptstadt. Die PZ wird aus Berlin, aber auch aus zahlreichen anderen Städten berichten.