Hessens Apothekenteams auf Sprechblasenjagd |
Alexander Müller |
10.11.2023 17:40 Uhr |
Wie hier in Hannover am 8. November demonstrieren am 15. November die Apothekenteams der Region West in Dortmund. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Trotz anhaltender Schließungswelle bei den Apotheken plane Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) keine Entlastung für die »desaströse wirtschaftliche Situation«, schreibt Kammerpräsidentin Funke an die Mitglieder. Stattdessen versuche der Minister, seine »Ideen« einer Liberalisierung des Apothekenwesens als Erleichterungen und Verbesserungen zu verkaufen. Doch »Scheinapotheken« ohne approbierte Apotheker, ohne Rezeptur und ohne Notdienst würden zu einer Zweiklassenversorgung führen und die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch die inhabergeführte Apotheke vor Ort zerstören.
Auch die von Lauterbach in seinem Eckpunktepapier vorgelegten »Einsparberechnungen« seien »hanebüchen«, so Funke. »Wir müssen diese Seifenblasen des Ministers zum Platzen bringen, wir müssen Öffentlichkeit, Medien und Politik aufklären und überzeugen, dass diese Pläne trotz wohlklingender ministerieller Worte und fadenscheinigen Erleichterungen nichts anderes als Sprechblasen sind, dass diese Pläne für die Menschen eine Verschlechterung bedeuten und unser Apothekenwesen zerstören.«
Sprüche wie »wir haben kein Geld im System« sind aus Sicht der Kammerpräsidentin fadenscheinig: Immerhin betrage der Anteil der Apothekenkosten an den GKV-Ausgaben gerade einmal 2 Prozent. Die Verwaltungsausgaben der GKV seien mehr als doppelt so hoch. »Kommen Sie nach Dortmund – nur gemeinsam und in großer Zahl sind wir stark«, so Funkes Appell an die Apothekenteams.
Der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands (HAV), Holger Seyfarth, sagte zu den aktuellen Plänen des Ministers: »Das ist kein Zukunftsplan, sondern der finale Einstieg in das Ende der wohnortnahen Patientenversorgung mit Arzneimitteln und das Aus für die öffentlichen Apotheken vor Ort.«
Lauterbach will die Anforderungen für Filialapotheken senken und erhofft sich so eine Sicherung der ländlichen Versorgung. Doch laut Seyfarth würden solche Experimente »der öffentlichen Apotheke den Todesstoß versetzen«. Die Apothekerschaft werde sich daher mit weiteren Protesten und Maßnahmen entschieden dagegen wehren. Die Arzneimittelversorgung soll am 15. November nur über die Notdienstapotheken sichergestellt werden.
Hessens Apotheken hatten bereits am 14. Juni und am 2. Oktober gegen die aktuelle Gesundheitspolitik demonstriert. Mit ihren flächendeckenden Schließungen am 15. November fordert die hessische Apothekerschaft im Rahmen des bundesweiten Apothekenprotests im November die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf, um die öffentlichen Apotheken vor Ort nachhaltig zu stärken, damit sie weiterhin dem gesetzlichen Auftrag zur wohnortnahen Arzneimittelversorgung für die Menschen nachkommen können.
Denn die Versorgung ist aus Sicht des HAV in Gefahr. Auch in Hessen sinkt die Zahl der Apotheken jedes Jahr: Ende 2016 gab es noch 1502 Apotheken in Hessen, Ende September 2023 nur noch 1344. »Und dieser Trend setzt sich ungebremst fort«, berichtete der HAV-Vorsitzende. Bundesweit wird in diesem Jahr mit rund 600 weiteren Schließungen gerechnet.
Zu den Hauptgründen für die Schließungen zählen laut Seyfarth die schlechten Rahmenbedingungen. Für junge Apothekerinnen und Apotheker sei es derzeit wirtschaftlich nicht möglich, eine Apotheke zu eröffnen oder zu übernehmen. Trotz Inflation, steigender Tariflöhne, höherer Mietpreise und gestiegener Energiekosten sei die Vergütung der Apotheken seit 20 Jahren quasi unverändert. Hinzu kämen Zwangsrabatte an die Krankenkassen, überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel und enormer Mehraufwand aufgrund der katastrophalen Lieferengpässe.