Hessen will höheres Apothekenhonorar und mehr PTA-Ausbildung |
Cornelia Dölger |
14.12.2023 15:20 Uhr |
In Hessen wurde am 8. Oktober gewählt. Klarer Wahlsieger wurde die CDU, die sich entschloss, mit den Sozialdemokraten zusammenzugehen. Nun liegt ein Koalitionsvertrag vor. / Foto: Adobe Stock/Argus
Zehn Jahre regierten CDU und Grüne in Hessen relativ geräuschlos, so dass die Entscheidung der Christdemokraten um Ministerpräsident Boris Rhein, nach der Landtagswahl im vergangenen Oktober fortan mit der SPD zusammenzugehen, zunächst erstaunte und die Grünen vergrätzte. Nach Sondierungsgesprächen hatte sich die Union entschieden, nicht mehr mit ihnen zusammenzuarbeiten, sondern ein schwarz-rotes Regierungsbündnis anzustreben. Ausschlaggebend war demnach eine stärkere inhaltliche Nähe zur SPD, insbesondere in der Migrationspolitik.
Gut zwei Monate nach der Landtagswahl haben sich CDU und SPD nun auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigt. Ein Blick in den Vertrag zeigt, dass die Koalitionäre die Apotheken auf dem Schirm haben. Etwa beim Thema ambulante Versorgung setzt Hessen darauf. »Die Kompetenz von Apothekerinnen und Apothekern sowie von angestellten Kräften ist unersetzbar«, heißt es. »Daher setzen wir auf inhabergeführte Apotheken vor Ort.«
Außerdem befürworteten die Koalitionäre die Ausweitung von Ausbildungsstätten für PTA, vor allem in Nordhessen. Betont wird, dass die Landesregierung sich auf Bundesebene dafür einsetzen werde, die Gebührenordnung für Ärzte, für Zahnärzte sowie für Apotheker zu erhöhen.
Der Einsatz von Stationsapothekerinnen und -apothekern werde befürwortet, heißt es weiter. Der Versorgungsgipfel werde in eine Neuauflage des »Hessischen Pakts für Gesundheit« überführt, in dem die wichtigsten Akteure der Gesundheitswirtschaft wie beispielsweise die Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG), die GKV, die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die zuständigen Verbände, die Kammern, die Apotheken, die Kommunen und das Land vertreten seien.
Die Landarztquote solle ausgeweitet, weitere Medizinstudienplätze an hessischen Universitäten sollten geschaffen werden. Die Quote solle auf 10 Prozent der Studienplätze erhöht werden und neben Allgemeinmedizin, hausärztlichen Internisten und Pädiatrie auch den Facharzt für Psychiatrie aufnehmen. Via Hochschulpakt solle dafür gesorgt werden, dass die Anzahl der Studienplätze an allen Standorten erhöht wird.
Unter dem Stichwort Gesundheits- und Pharmawirtschaft heißt es, dass die Versorgungssicherheit nur mit einer starken Pharmaindustrie einhergehen könne. »Wir wollen Lieferengpässe vermeiden und daher die Medikamentenproduktion in Hessen halten, die heimische Produktion unterstützen, nach Möglichkeit zurückholen und Regulierungsmaßnahmen überprüfen.«
Das Land wolle für gute Ansiedlungs- und Standortbedingungen sorgen, der Pharmastandort Hessen solle ausgebaut werden. Dazu leiste die »Initiative Gesundheitsindustrie Hessen (IGH)« seit einem Jahrzehnt einen wichtigen Beitrag und werde somit fortgesetzt. Betont wird, dass die Versorgung mit Apotheken nachhaltig gewährleistet sein müsse. »Drohende Engpässe müssen schnell erkannt und diesen entgegengewirkt werden.«
Die hessische Apothekerkammer freute sich über die Pläne. Kammerpräsidentin Ursula Funke kommentierte: »Das ist ein starkes und richtiges Signal und zeigt einmal mehr, dass Landespolitiker viel näher am Alltag der Menschen sind.« Sie betonte, dass sich Ministerpräsident Boris Rhein bereits in der Vergangenheit intensiv mit den Herausforderungen der Arzneimittelversorgung, den Lieferengpässen und den Leistungen der Apotheken vor Ort für die Patientinnen und Patienten auseinandergesetzt habe. »Wir freuen uns, dass die künftige hessische Landesregierung diese Probleme im Fokus hat und sie auf Bundesebene angehen will.«
Die besorgniserregend hohe Zahl an Apothekenschließungen verdeutliche die Dringlichkeit der Situation. »Die beiden Koalitionspartner in Hessen haben erkannt, dass die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch die inhabergeführte Apotheke vor Ort die sicherste, niedrigschwelligste und nachhaltigste Versorgung der Menschen gewährleistet«, so Funke.
Auch der Hessische Apothekerverband (HAV) begrüßte das Vorhaben der neuen Landesregierung. HAV-Chef Holger Seyfarth dankte den Koalitionären in einer Mitteilung für ihre nun festgeschriebenen Positionen. »Die aufgrund anhaltender Lieferengpässe und landauf, landab schließender Apotheken akut gefährdete Arzneimittelversorgung der Menschen in den Städten und Gemeinden kann nur mit einem Maßnahmenpaket gesichert werden, das die Kompetenz der öffentlichen Apotheken vor Ort stärkt und ihr Fortbestehen sichert.« Dies hätten die beiden großen hessischen Parteien erkannt und wollten entschlossen handeln, so Seyfarth.
Der Entwurf des Vertrags soll nun den Parteigremien zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Am kommenden Montag, 18. Dezember, könnte der Koalitionsvertrag unterschrieben werden. Am 18. Januar konstituiert sich der neue 21. hessische Landtag in Wiesbaden.
Mit 34,6 Prozent der Stimmen war die CDU als Wahlsiegerin aus der hessischen Wahl hervorgegangen, gefolgt von AfD (18,4 Prozent), SPD (15,1 Prozent), Grünen (14,8 Prozent) und FDP (5,0 Prozent), die Linke schaffte es mit 3,1 Prozent nicht mehr in den Landtag.
In einem Brandbrief ans Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatten sich unlängst mehr als 10.000 Bürgerinnen und Bürger aus dem hessischen Schwalm-Eder-Kreis für den Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung in ihrer Region stark gemacht. Initiiert hatten die Aktion die Apotheken aus der Region.
Dass Ministerpräsident Rhein sich für Apotheken in Hessen stark machen will, hatte er kurz vor der Landtagswahl am 8. Oktober gegenüber der PZ noch einmal verdeutlicht. Ohne Apotheken gehe es nicht. »Die von der Apotheke vor Ort geleistete Arbeit muss – auch vor dem Hintergrund der hohen Inflation und der seit Jahren stagnierenden Vergütung – wertgeschätzt und fair honoriert werden«, so Rhein.