Herzkatheter muss bei Älteren nicht sein |
Annette Rößler |
10.07.2025 12:30 Uhr |
Erleiden ältere Menschen einen Herzinfarkt, ist es meistens ein Infarkt ohne ST-Hebung. Solche Patienten profitieren laut einer Studie nicht von einer invasiven Herzkatheter-Therapie zusätzlich zur bestmöglichen medikamentösen Versorgung. / © Getty Images/LumiNola
Eine wichtige Unterscheidung beim Herzinfarkt ist die zwischen STEMI und NSTEMI. Sie bezieht sich auf eine bestimmte Auffälligkeit im Elektrokardiogramm (EKG): Bei einem STEMI (ST-Elevation Myocardial Infarction) liegt die ST-Strecke im EKG höher als üblich, bei einem NSTEMI (Non-STEMI) nicht. Die Abgrenzung ist wichtig, weil sie eine Aussage über das Ausmaß des Infarktes macht. Eine Hebung der ST-Strecke zeigt an, dass alle Wandschichten des Herzens von dem Infarkt betroffen sind; das ist bei nicht gehobener ST-Strecke nicht der Fall.
Für die Akutversorgung von Herzinfarktpatienten ist die Unterscheidung zwischen STEMI und NSTEMI äußerst relevant, weil sie den Ausschlag dafür gibt, wie schnell der Patient ins Herzkatheterlabor muss. Eine Eröffnung des verschlossenen Blutgefäßes mittels Ballonkatheter und die Stabilisierung der Engstelle mit einem Stent sollte bei einem STEMI innerhalb von 90 Minuten erfolgen, bei einem NSTEMI innerhalb von 2 bis 72 Stunden. Die sich anschließende medikamentöse Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS), einem P2Y12-Antagonisten und Heparin sieht dann wieder für beide Gruppen gleich aus.
Bei Menschen ab 75 Jahren ist NSTEMI der häufigste Herzinfarkt-Subtyp. Eine Studie aus Großbritannien zeigt nun, dass bei diesen Patienten unter Umständen sogar ganz auf die Katheterintervention und den Stent verzichtet werden kann. Im »New England Journal of Medicine« berichtet ein Autorenteam um Professor Dr. Vijay Kunadian von der Universität Newcastle über die Ergebnisse der prospektiven Multicenterstudie SENIOR-RITA, an der zwischen 2016 und 2023 insgesamt 1518 Patienten an 48 Krankenhäusern im Vereinigten Königreich teilgenommen hatten.
Die Teilnehmenden waren im Durchschnitt 82 Jahre alt, der Frauenanteil betrug 45 Prozent und 32 Prozent waren gebrechlich. Sie wurden für die Therapie eines akuten NSTEMI im Verhältnis 1:1 auf eine von zwei Behandlungsstrategien randomisiert: eine invasive Therapie mit Koronarangiografie und Revaskularisation plus beste verfügbare medikamentöse Behandlung oder beste verfügbare medikamentöse Behandlung allein. Diese bestand aus ASS, einem P2Y12-Antagonisten, einem Statin, einem Betablocker und einem ACE-Hemmer oder einem AT1-Rezeptor-Antagonisten.
Innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von median 4,1 Jahren starben in der Gruppe mit ausschließlich konservativer Therapie 14,2 Prozent der Teilnehmenden an einer kardiovaskulären Ursache und in der Gruppe mit zusätzlicher invasiver Therapie 15,8 Prozent. Ein nicht tödlicher (erneuter) Herzinfarkt ereignete sich in der erstgenannten Gruppe bei 15,0 Prozent der Teilnehmenden und in der zweitgenannten Gruppe bei 11,7 Prozent. Zu Komplikationen im Zusammenhang mit der Intervention kam es bei weniger als 1 Prozent der Patienten.
»Wir konnten zeigen, dass eine konservative Therapie bei älteren Menschen mit NSTEMI ähnlich sicher ist wie eine invasive Behandlung – mit vergleichbaren Langzeitergebnissen, aber weniger Risiken und Belastungen«, fasst Kunadian die Ergebnisse in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) zusammen. Gerade im höheren Lebensalter müssten Therapieentscheidungen unter Berücksichtigung von Gebrechlichkeit, Multimorbidität und Lebensqualität sorgfältig abgewogen werden, heißt es weiter. »Es ist höchste Zeit, dass wir in der Kardiologie nicht länger automatisch davon ausgehen, dass invasiv gleich besser bedeutet, vor allem bei unseren älteren Patientinnen und Patienten«, betont Kunadian.