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Verschreibungspflicht

Hersteller wollen Revolution bei OTC-Switches

Bevor ein Wirkstoff aus der Verschreibungspflicht entlassen wird, müssen die Hersteller einen langwierigen und aus ihrer Sicht intransparenten Weg beschreiten. Der Herstellerverband Pharma Deutschland fordert daher eine Revolution bei OTC-Switches.
Alexander Müller
12.08.2025  12:30 Uhr

Ob weiter Rx oder bald OTC – am Ende entscheidet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) über den Status eines Wirkstoffs oder einer Kombination. De facto ausschlaggebend ist aber die Empfehlung des Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht. Und in dem hat die Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wiederum großes Gewicht.

Als »bemerkenswert ungewöhnliches Verfahren« bezeichnet Dorothee Brakmann, Geschäftsführerin von Pharma Deutschland, den Prozess. Denn wenn der Antrag abgelehnt wird, kann das Unternehmen die Gründe dafür nur erahnen. »Es gibt keine ausführliche Begründung für die Entscheidung, veröffentlicht wird nur die Stellungnahme des BfArM und später das Protokoll der Sitzung«, kritisiert Brakmann.

Und: Der Hersteller hat keine Chance, die Entscheidung anzufechten, der Gerichtsweg ist versperrt. Wenn das Unternehmen einen zweiten Anlauf nehmen will, muss es den Prozess komplett neu durchlaufen. Anpassungen im Antrag sind dabei gar nicht so leicht umzusetzen – weil ja die Ablehnung nicht näher begründet wird.

Pharma Deutschland schlägt daher grundlegende Änderungen vor: Der OTC-Switch soll vom Hersteller wie eine Zulassung beim BfArM beantragt werden können. Gegen einen negativen Bescheid könnte das Unternehmen dann vor das Verwaltungsgericht ziehen. Für den klagenden Hersteller hätte dieser Weg einen weiteren Vorteil: Der OTC-Switch wäre dann nicht wirkstoff-, sondern produktbezogen, das Unternehmen hätte zumindest für eine kurze Zeit ein Alleinstellungsmerkmal im Markt.

Nicht mehr »ein Switch für alle«

Denn aktuell profitieren alle Hersteller von einem OTC-Switch, wenn jemand den Antrag erfolgreich durchsetzt. Dabei ist der Aufwand für den Antragsteller erheblich. Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Anwendung müssen die detaillierte Begründung stützen, gefordert ist zudem ein Vorschlag für die Dosierung im OTC-Bereich und gegebenenfalls ein Vergleich mit anderen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Im Ausschuss präsentiert zunächst das BfArM seine Stellungnahme – und setzt damit den Ton. Anschließend hat der Antragsteller die Möglichkeit, seine Argumente zu präsentieren. Diskutiert und abgestimmt wird dann hinter verschlossenen Türen. Die Mitglieder sind allesamt renommierte Pharmakologen und Mediziner sowie Vertreter der Arzneimittelkommissionen der Ärzte- und Apothekerschaft und in ihrem Votum unabhängig. Die aktuelle Besetzung ist hier einzusehen.

Brakmann kritisiert, dass es für die konkreten Ausführungen des BfArM kein Korrektiv gibt. Das Procedere sei hier nicht im Sinne der Patienten, sondern erscheine ihr zuweilen »fraglich«, so die Geschäftsführerin von Pharma Deutschland. Nicht jede ablehnende Haltung des Gremiums kann sie nachvollziehen: »Ich wundere mich, dass das in diesem Verfahren den Apotheken so wenig zugetraut wird.«

Der lange Weg bei Azelastin/Fluticason

Beispiel Azelastin/Fluticason: Seit Ende Februar ist die Kombination zur nasalen Anwendung rezeptfrei. Doch der Weg dahin war lang: Der Originalhersteller hatte erstmals im September 2022 einen Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für das antiallergische Nasenspray gestellt – zunächst ohne Erfolg.

Im Juni 2023 wurde ein zweiter Versuch gestartet, wieder wurde der Antrag abgelehnt, ohne dass inhaltliche Gründe genannt wurden. Erst im dritten Anlauf konnte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht überzeugt werden, der sich im Juni 2024 für den Switch aussprach.

Das BMG muss dann die Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung vorbereiten, anschließend muss noch der Bundesrat zustimmen. Im Fall Azelastin/Fluticason verging so noch einmal mehr als ein halbes Jahr.

Bevor das Mittel tatsächlich als OTC in den Apotheken verfügbar ist, müssen die Hersteller ihrerseits eine neue Zulassung beantragen. Gut möglich, dass sich in anderen Fällen die Marktbedingungen in der Zwischenzeit so verändert haben, dass ein Switch wirtschaftlich gar nicht mehr attraktiv ist – etwa weil der Wirkstoff inzwischen generisch verfügbar ist.

Neuer Anlauf bei Sildenafil?

Unter neuen Gegebenheiten wäre auch ein weiterer Anlauf bei Sildenafil denkbar. Ein Switch des PDE5-Hemmers wurde schon mehrfach abgelehnt, zuletzt Anfang des Jahres. Die pharmakologischen Argumente sind ausgetauscht, die Sicherheitsabwägungen beziehen heute eher das tatsächliche Marktgeschehen ein. So gibt es nach Beobachtungen der Hersteller mindestens 80 unabhängige Onlineshops mit zahlreichen Ablegern, bei denen Kunden die Potenzmittel illegal ohne Rezept erwerben können. Das Risiko, hier ein schädliches Produkt zu erhalten, sei immens.

In Großbritannien sei der Umsatz in Apotheken mit Sildenafil nach dem OTC-Switch deutlich gestiegen. Das kann man als Indiz werten, dass mehr Männer den sichereren Weg über die Apotheke gewählt haben. Das wäre gerade beim Thema erektile Dysfunktion ein Vorteil, um Frühwarnzeichen für Herzerkrankungen oder Diabetes mellitus abklären zu lassen.

Ziel ist eine gute »Pharmacy-first-Lösung«

Dabei könnten Apotheken aus Sicht von Pharma Deutschland eine wichtige Rolle als Ansprechpartner übernehmen: »Es geht um den Grundgedanken einer guten Pharmacy-first-Lösung«, so Brakmann. Das betreffe alle OTC-Switches, für die sich der Verband grundsätzlich stark macht.

Pharma Deutschland will die Idee für das neue Verfahren in den kommenden Wochen in enger Abstimmung mit den Mitgliedsunternehmen in einen konkreten Verfahrensvorschlag gießen und damit auf den Gesundheitsausschuss des Bundestags und das BMG zugehen.

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