Hepatitis B kontrollieren mit RNA-Interferenz |
Daniela Hüttemann |
10.12.2024 16:20 Uhr |
Bei einer Hepatitis-B-Infektion nisten sich die Viren meist lebenslang im Körper ein und greifen zunehmend die Leber an. Mit siRNA sollen Gene der Hepatitis-B-Viren stillgelegt werden. / © Getty Images/Science Photo Library/Kateryna Kon
In Deutschland werden schon Säuglinge gegen Hepatitis B geimpft. Weltweit leben jedoch fast 300 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion, was ihr Risiko für Leberzirrhose, Leberkrebs und einen frühzeitigen Tod stark erhöht. Die Standardtherapie besteht derzeit aus einer 48-wöchigen Behandlung mit pegyliertem Interferon (Peginterferon) und einer lebenslangen Therapie mit Nukleosid- oder Nukleotid-Analoga. Eine funktionelle Heilung, definiert durch Verlust des Hepatitis-B-Oberflächen-Antigens (HBsAg) und nicht mehr nachweisbarer Virus-DNA, wird bislang nur selten erreicht. Daher besteht ein ungedeckter Therapiebedarf an besseren Medikamenten.
In einer Phase-II-Studie mit 160 Patienten ist dies nun zum Teil gelungen. Untersucht wurde die Wirkung von Xalnesiran, einer small-interfering RNA (siRNA), mit oder ohne Immunmodulator. Xalnesiran interferiert mit der S-konservierten Region des HBV-Genoms und soll mehrere Transkriptionsstellen stilllegen, sodass sich das Virus nicht mehr vermehren kann. Ruzotolimod ist ein noch nicht zugelassener Toll-like-Rezeptor (TLR)-7-Agonist und damit ein Immunmodulator, der selektiv in der Leber aktiviert und derzeit auch in anderen klinischen Studien bei Hepatitis B untersucht wird. Beide Wirkstoffkandidaten stammen aus der Pipeline von Roche.
Die Patienten erhielten bereits vor Studienbeginn eine Monotherapie mit einem Nukleosid-Analogon und behielten sie bei. Sie wurden in fünf Gruppen aufgeteilt: Die erste erhielt zusätzlich 100 mg Xalnesiran subkutan alle vier Wochen für 48 Wochen, die zweite Gruppe analog die doppelte Dosis. Gruppe 3 und 4 erhielten 200 mg Xalnesiran wie beschrieben plus zusätzlich entweder Ruzotolimod oder Peginterferon Alfa-2a. Dabei wurde Ruzotolimod 150 mg alle zwei Tage von Woche 13 bis 24 sowie 37 und 48 oral gegeben oder das Interferon 180 µg einmal wöchentlich gespritzt. Die fünfte Gruppe blieb bei der Nukleosid-Monotherapie. Nach 48 Wochen wurden alle Medikamente gestoppt, auch die Nukleosid-Analoga.
Primärer Endpunkt der Studie war ein Verlust des HBsAg 24 Wochen nach Ende der 48-wöchigen Therapiephase. In der Kontrollgruppe wurde das bei keinem der 36 Patienten erreicht. Unter 100 mg Xalnesiran allein waren es 7 Prozent; unter 200 mg nur 3 Prozent. Besser sahen die Ergebnisse aus, wenn das siRNA-Therapeutikum mit einem Immunmodulator kombiniert wurde: In der Gruppe mit 200 mg Xalnesiran plus Ruzotolimod waren es 12 Prozent und unter 200 mg Xalnesiran plus Peginterferon Alfa-2a sogar 23 Prozent. Bis zu 60 Prozent der Teilnehmenden hatten anhaltend niedrige HBsAg-Spiegel.
Allerdings wurde dieser Erfolg zum Teil mit mittelschweren bis schweren Nebenwirkungen (Grad 3 oder 4) erkauft. Die Rate dieser unerwünschten Ereignisse lag bei 17 und 10 Prozent unter Xalnesiran allein, bei 18 und 50 Prozent mit den Immunmodulatoren und bei 6 Prozent in der Kontrollgruppe. Am häufigsten kam es zu erhöhten Alanin-Aminotransferase-Werten; allerdings ohne Symptome. Unter Ruzotolimod traten grippeähnliche Symptome und Fieber auf. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem im Fachjournal »New England Journal of Medicine« veröffentlicht.
Limitationen der Studie sind die kleine Teilnehmerzahl mit niedrigem Frauenanteil und hohem Anteil asiatisch-stämmiger Patienten sowie der Ausschluss von Patienten, die zuvor nicht mit Nukleosid-Analoga behandelt wurden oder bereits eine klinisch relevante Leberfibrose hatten. Die Studie war zudem nicht verblindet.
Während Ruzotolimod und Interferon das unspezifische Immunsystem aktivieren, könnte ein anderer möglicher Ansatz sein, stärker auf die adaptive Immunität zu zielen und HBV-spezifische erschöpfte T-Zellen wiederherzustellen, schreibt das Team der Piranga-Studien-Gruppe abschließend. Auch Kombinationen aus siRNA und Checkpoint-Inhibitoren würden derzeit untersucht.