Hemmung von p38α in Mikroglia |
Theo Dingermann |
24.07.2023 16:00 Uhr |
Amyloid-β im Gehirn scheint über die Kinase p38 eine Neuroinflammation zu verstärken. Das Enzym könnte eventuell ein neues Therapie in der Alzheimertherapie sein. / Foto: Adobe Stock/Dr_Microbe
Die Anhäufung von β-Amyloid (Aβ) im Gehirn ist ein Kennzeichen der Alzheimer-Erkrankung. Nach bisherigen Erkenntnissen trägt Aβ zur p38-vermittelten Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen bei, die einen neuroinflammatorischen Phänotyp bei der Alzheimer-Krankheit verschlimmern. Dies lässt es plausibel erscheinen, die p38-Signalübertragung im ZNS pharmakologisch zu inhibieren, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder gar aufzuhalten. Pharmakologische Inhibitoren von p38, zum Beispiel Neflamapimod, ein Wirkstoff, der selektiv die Alpha-Isoform von p38 hemmt, werden zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit aktiv klinisch untersucht.
Jetzt legen Forschende in einer Publikation in dem Fachjournal »PLOS ONE« Daten zur p38-Hemmung in einem etablierten Alzheimer-Mausmodell vor. Professorin Dr. Linda Van Eldik und ihr Team vom Sanders-Brown Center on Aging der University of Kentucky in Lexington, Kentucky, schalteten gentechnischdie Produktion von p38 im wichtigsten Immunzelltyp im Gehirn, der Mikroglia, aus.
Sie testeten die Auswirkungen dieser Intervention in einem Mausmodell der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium, um festzustellen, ob es den Verlauf der Amyloid-Plaque-Bildung verändern würde.
Das Team etablierte zunächst Mausmodelle, die es erlauben p38α mithilfe eines induzierbaren, Mikroglia-spezifischen sogenannten Cre/loxP-Systems sowohl in Wildtyp-Mäusen als auch APP/PS1-AD-Modellmäusen auszuschalten, um Interventionseffekte in beiden Mausstämmen zu vergleichen. Wird den Mäusen Tamoxifen dem Futter beigemischt, wird das System aktiv und entfernt das p38α-Gen aus dem Genom.
APP/PS1-AD-Modellmäuse sind ein gängiges Tiermodell in der Alzheimer-Forschung. Diese Mäuse wurden gentechnisch so verändert, dass sie mutierte Formen des Amyloid-Vorläuferproteins (APP) und des Presenilin 1 (PS1) exprimieren, die mit der Entwicklung von Amyloid-Plaques im Gehirn, einem der Leit-Biomarker für die Alzheimer-Krankheit, in Verbindung gebracht werden. Dieses APP/PS1-Mausmodell wird häufig verwendet, um die Pathogenese der Alzheimer-Krankheit zu untersuchen und potenzielle therapeutische Maßnahmen zu testen.
Die Tiere wurden in verschiedenen Tests, zum Beispiel dem Open-Field( OF-) und dem Radialarm-Wasserlabyrinth-Test (RAWM), auf ihre Verhaltensleistung hin untersucht.
Obwohl AD-Mäuse während des OF-Tests den erwarteten hyperlokomotorischen Phänotyp aufwiesen, unterschied sich die räumliche Gedächtnisleistung zwischen den Wildtyp-Tieren und den Tieren des frühen Alzheimermodells nicht signifikant. Das deutet darauf hin, dass die Forschenden die Tests während einer präklinischen Phase der Krankheit durchführten.
Die Forschenden inaktivierten dann bei den erwachsenen Tieren zu einem Zeitpunkt, als sich erste Plaque-Ablagerung im Gehirn gebildet hatten, das p38α-Gen in den Mikroglia. Dann wurden die Tiere wieder hinsichtlich ihrer Verhaltensleistung hin untersucht. Dabei zeigte sich, dass die gesamte kognitive Funktion trotz des Vorliegens einer Amyloid-Pathologie und eines erheblichen Verlusts des p38α-Signalwegs zumindest für diese Art des räumlichen Gedächtnisses erhalten blieb.
Zudem wurde die mikrogliale RNA sequenziert, und es wurden die Amyloid-Belastung und der proinflammatorischen Zytokinspiegel sowie die Mikroglia-Plaque-Assoziationen im Hippocampus analysiert.
Die Forschenden konnten zeigen, dass sich durch eine frühe und chronische Inaktivierung von mikroglialem p38α zwar die transkriptionelle Signatur änderte. Allerdings zeigten sich keine Veränderungen in Genen, von denen bekannt ist, dass sie phagozytische Prozesse oder Amyloid-Clearance-Mechanismen in diesem Zelltyp vermitteln. Zudem wurden weder die Verhaltensleistung der Tiere noch die Zytokinspiegel oder die Gesamtzahl der Plaques nachteilig beeinflusst.
Interessanterweise führte die p38α-Ablation zu einem signifikanten Anstieg von löslichem Aβ42 und der durchschnittlichen Plaquegröße sowie zu einer Verringerung des Aβ-Volumens in den Plaque-assoziierten Mikroglia. Dies könnte bedeuten, dass durch die Unterdrückung der p38-MAPK in den Mikrogliazellen bestimmte Aspekte der Alzheimer-Pathologie beeinflussen werden. Interessanterweise zeigte sich jedoch ein leichter, aber signifikanter Anstieg der Amyloidbelastung im Hippocampus.
Die vorgestellten Daten lassen vermuten, dass die Hemmung der mikroglialen p38α-Kinase in der frühen Amyloid-Pathologie der Alzheimer-Krankheit nicht per se die Entzündung reduziert, sondern eine subtile Veränderung der Interaktionen zwischen Mikroglia und Plaque bewirkt.
Damit stehen die Ergebnisse im Einklang mit der bekannten Rolle von p38α bei der Vermittlung von Mikroglia-Plaque-Interaktionen. Die Daten zeigen auch, dass selbst ein erheblicher Verlust der mikroglialen p38α-Signalübertragung die schützenden Mikroglia-Funktionen in diesem Modell der frühen Alzheimer-Krankheit nicht signifikant beeinträchtigt.
Die Autoren schränken jedoch ein, dass ihre Daten keine Aussagen zur Rolle von p38α bei Mikroglia-Plaque-Interaktionen mit zunehmendem Alter oder Fortschreiten der Krankheit erlauben und auch nicht zu Auswirkungen des Verlusts der mikroglialen p38α-Signalübertragung auf die Tau-Pathologie.