Helicobacter-Protein hemmt Amyloid-Bildung |
Theo Dingermann |
12.06.2025 11:00 Uhr |
Manche Stämme von Helicobacter pylori produzieren das CagA, das die Amyloidbildung verhindert. / © Getty Images/Science Photo Library/Heather Davies
Amyloide sind Fibrillen aus Proteinen, die zum Teil funktionalen (etwa im Fall bakterieller Biofilme) oder pathogenen (etwa bei Morbus Alzheimer, Parkinson oder Typ-2-Diabetes) Charakter haben. Jetzt machten Forschende um Zhen Jin vom Department of Medicine am Karolinska-Institut in Huddinge, Schweden, eine bemerkenswerte Beobachtung. Sie konnten zeigen, dass ein Protein von Helicobacter pylori (H. pylori) extrazellulär eine stark antiamyloide Wirkung entfaltet, also die Zusammenlagerung der jeweiligen Proteine verhindert, und dies sowohl bei bakteriellen als auch bei humanen pathogenen Amyloiden. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forschenden im Wissenschaftsjournal »Science Advances«.
Bei dem untersuchten Protein handelt es sich um CagA (cytotoxin-associated gene A). Nicht alle H. Pylori-Stämme exprimieren CagA. Von CagA-positiven Stämme ist bekannt, dass sie die Vielfalt und Zusammensetzung der Darmmikrobiota verändern. Allerdings war der zugrunde liegende Mechanismus bisher nicht verstanden.
Die Forschenden aus Schweden konnten nun zeigen, dass CagA die Bildung von Amyloiden und Biofilmen hemmt. Dazu isolierten und charakterisierten die Autoren das N-terminale Fragment von CagA (CagAⁿ, Aminosäuren 1 bis 884), das aus drei Domänen besteht, die vor allem etliche α-Helices enthalten.
Funktionelle Untersuchungen zufolge inhibiert CagAⁿ die Bildung von Pseudomonas-Biofilmen effektiv. Zudem hemmt CagAⁿ die pathogene Amyloidbildung durch Aβ, Tau, α-Synuclein und durch Amylin, das auch als Insel-Amyloid-Polypeptid (IAPP) bezeichnet und zusammen mit Insulin aus den β-Zellen der Bauchspeicheldrüse sezerniert wird. Bereits 20 nM CagAⁿ verlängerten die Halbwertszeit der Aβ42-Fibrillierung von 1,5 h auf 14 h – verlangsamte also die Fibrillenbildung deutlich. Auch bei anderen Substraten (wie 30 µM α-Synuclein) wurden mit 500 nM CagAⁿ starke Hemmeffekte erzielt.
Bekanntlich verläuft die Amyloidbildung in drei Phasen: der primären Nukleation (kₙ), bei der sich Proteinmonomere zu einem Keim zusammenlagern, der Fibrillenverlängerung (k₊) und der sekundären Nukleation (k₂, Bildung neuer Keime auf den Fibrillen).
Das Forscherteam konnte zeigen, dass CagAⁿ bei Aβ42 und Aβ40 vor allem die primäre Nukleation (kₙ) hemmt. Bei Tau und IAPP wurden sowohl die sekundäre Nukleation als auch Elongation (k₂, k₊) gehemmt. Bei α-Synuclein schließlich war die Elongation das primäre Ziel der Interaktion. Letztlich konnte gezeigt werden, dass CagAⁿ bevorzugt an Oligomere oder Fibrillenenden bindet und darüber die Fibrillenbildung reduziert.
Die Forschenden spekulieren, dass CagA-positive H. pylori-Stämme durch Amyloid-Inhibition die mikrobielle Diversität im Darm verändern könnten, indem sie Biofilme von Kommensalen destabilisieren.
Obwohl die Rolle von H. pylori bei der Alzheimer- oder Parkinson-Erkrankung umstritten bleibt, könnte CagA sich als schützend erweisen. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass CagA bereits bei nM-Konzentrationen anti-amyloidogen wirkt und damit weit effektiver ist als viele bekannte Inhibitoren der Amyloidbildung. Zudem unterscheidet sich die CagA mechanistisch von klassischen Chaperonen.
Die Arbeit liefert überzeugende experimentelle Beweise dafür, dass H. pylori über das CagA-Protein eine bisher unbekannte Strategie entwickelt hat, um sowohl bakterielle als auch humane Amyloidsysteme gezielt zu beeinflussen. Somit könnten diese Erkenntnisse als Ausgangspunkt für neuartige therapeutische Interventionen bei Amyloid-bedingten Erkrankungen dienen.