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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Hecken: Arzneimittel dürfen nicht alleiniger »Defizitdecker« sein

Wie kann das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung in den kommenden Jahren ausgeglichen werden? Über den Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes und die Rolle der Pharma-Industrie diskutierten gestern Professor Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie Vertreter aus Politik und Industrie in der Berliner Runde beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH).
Melanie Höhn
18.05.2022  11:00 Uhr

Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Professor Josef Hecken, schätzte es bei der Berliner Runde des BAH als problematisch ein, dass noch kein neuer Referentenentwurf seitens des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vorliegt. Ein erster Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes unter Leitung von Professor Karl Lauterbach (SPD) sah vor, mehrere Milliarden Euro im Arzneimittel- und Apothekenbereich einzusparen. »Mir macht das nur langsam ein bisschen Sorge, weil im Oktober die Kassen ihre Haushalte aufstellen müssen«, erklärte er. Neben zahlreichen neuen und erhöhten Pharma-Rabatten ist laut Entwurf ein auf zwei Jahre festgeschriebener Kassenabschlag in Höhe von 2 Euro (Erhöhung um 23 Cent pro Rx-Packung) sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel vorgesehen. Der Entwurf wurde aber wieder einkassiert.

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisierte ebenfalls die »absolut chaotische Arbeitsweise im BMG« und schätzte es als grenzwertig dem Respekt des Parlaments gegenüber ein. Erst kürzlich warf er in einem Brandbrief an Lauterbach dem SPD-Politiker vor, sich parlamentarischen Debatten zu entziehen und gesundheitspolitische Probleme nicht anzupacken. Martina Stamm-Fibich, Arzneimittelexpertin der SPD-Bundestagsfraktion, konnte bestätigen, dass der Entwurf bereits zur Abstimmung im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) liege und zeitnah ins Bundesfinanzministerium (BMF) gehe.

Hecken schätzt Maßnahmen als vertretbar ein

Die Maßnahmen des kürzlich wieder einkassierten Referentenentwurfs zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) sieht Hecken als vertretbar an, darunter die Absenkung des Privilegs für Orphan Drugs von 50 auf 20 Millionen im Jahr. Das würde Einsparungen von 100 bis 150 Millionen Euro bringen. Eher symbolischen Charakter habe die Fristverkürzung in der AMNOG-Nutzenbewertung von 12 auf 7 Monate, dies ergebe eine Ersparnis von etwa 100 Millionen Euro. »Aus meiner Sicht ein erträglicher Beitrag«, sagte Hecken. Abschläge für unwirtschaftliche Packungsgrößen findet er ebenfalls »absolut richtig«, genauso wie die Abschläge für Arzneimittelkombinationen. »Wobei die Frage, ob dieser pauschale Abschlag so verfassungsrechtlich funktioniert, sicherlich noch einer vertieften Prüfung bedarf«, erklärte er. Auch eine Verlängerung des Preismoratoriums schätzte er als vertretbar ein.

Hecken sieht den Pharmastandort Deutschland auch in Zukunft als gesichert an, insbesondere was Marktzugang und Erstattung angehe. Er findet es aber »unangemessen«, Arzneimittel zum alleinigen »Defizitdecker« zu machen. Deutschland sei im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei allen Drogen über alle Wirkstoffklassen hinweg in einer »glücklichen Situation«: Beispielsweise kamen von 45 Zulassungen der EMA im Jahr 2020 41 sofort in den Markt. »Das sind 91 Prozent«, sagte er. Das nächstbeste Land in Europa sei Österreich mit 71 Prozent. Mit 133 Tagen sei Deutschland auch das schnellste europäische Land zwischen Zulassung und Markteintritt. Was Biologika angeht, forderte er, dass sich der Austauschbarkeit angenähert werden müsse. Zum 16. August werde der G-BA fristgerecht eine Entscheidung fällen, was die Möglichkeit zum Austausch von ärztlich verordneten Biologika in Apotheken angeht. Martina Stamm-Fibich und Dorothee Brakmann, Mitglied der Geschäftsleitung Janssen Deutschland und Mitglied im BAH-Vorstand, sprechen sich dafür aus, dass der Austausch von Biologikas vom Arzt mitgetragen werden sollte und sind gegen einen automatischen Austausch in der Apotheke. »In der Akzeptanz spielt es eine ganz andere Rolle, wenn der Arzt das mit macht«, erklärte Stamm-Fibich.

Probleme der Pharmaindustrie

Weiterhin ging Stamm-Fibich auf die finanzielle Lücke in der GKV ein. »Das jetzt aber alleine auf die Arzneimittelindustrie zu stützen, wäre falsch«, sagte sie. Es müsse mindestens einen »Vierklang« geben, mit dem die GKV stabilisiert werden könne. »Eine Verlängerung des Preismoratoriums würde niemanden erschrecken«, erklärte sie. BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Crantz widersprach ihr in diesem Punkt: »Das Preismoratorium erschreckt uns schon«, sagte er. Er betonte, mit welchen Problemen die Pharmaindustrie derzeit zu kämpfen habe. Für viele Hersteller sei das neue Inflationsniveau dramatisch, außerdem bereiten die Kostensteigerungen bei Vorprodukten Probleme. Auch CDU-Politiker Tino Sorge kritisierte, dass über Arzneimittelpreise immer wieder nicht ehrlich diskutiert werde. Was das GKV-FinStG angehe, finde er es nicht hilfreich, dass man angesichts der erwartbaren Lücke Vorschläge mache, die den Standort Deutschland in Misskredit bringen. Seiner Meinung nach sei das nichts, was »Hand und Fuß« habe.

Antje Haas, Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, wünschte sich, dass bei der Diskussion um Einsparungen über drei Elemente geredet werden: Wie gehen wir mit vorhandenen Engpässen um? Wie vermeiden wir Lieferengpässe? Werden Pflichten etabliert, die Produktion zu diversifizieren? Sie sieht den Arzneimittelstandort Deutschland nicht in Gefahr und weist die Forderung zurück, die Produktion wieder nach Europa zu verlagern. Mehrfachvergaben bei Rabattverträgen lehnt sie ab. Auch die nötige Balance im Blick zu behalten, darauf wies Dorothee Brakmann, hin. »Jeder muss seinen Anteil tragen«, sagte sie. Ihrer Meinung nach sollten drei Kriterien in Bezug auf ein leistungsfähiges Gesundheitssystem in den Fokus rücken: Es müssen genug Innovationsanreize geschaffen, auf die Bezahlbarkeit geschaut und der Schnellzugang der Patienten zur GKV-Leistung beibehalten werden.

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