HAV fordert Soforthilfe für Apotheken |
Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins (HAV) und HAV-Geschäftsführer Georg Zwenke, informierten bei der gestrigen Mitgliederversammlung über die Lage der Hamburger Apotheken. / © PZ/Daniela Hüttemann
In seinem Bericht bei der Mitgliederversammlung des HAV am Dienstagabend zeichnete Graue ein düsteres Bild der Situation der Apotheken. »Die Stimmung im Apothekenmarkt ist schlecht«, sagte der HAV-Vorsitzende. Die wirtschaftliche Lage bleibe angespannt, auch in Hamburg sei das Betriebsergebnis vieler Apotheken stark rückläufig. In der Folge müssten immer mehr Apotheken schließen. Er gehe davon aus, dass die Zahl der Apotheken bis Ende 2024 bundesweit noch unter 17.000 fallen werde.
Am Mittwoch vergangener Woche habe sich das »politische Gewitter mit Blitz und Donner entladen«, beschrieb Graue den Bruch der Ampelkoalition am 6. November. »Italienische Verhältnisse bahnen sich an«, kommentierte er. In der Folge könnten Gesetze wie das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) nicht mehr beschlossen werden. Als positiv bewertete Graue, dass damit auch »die geplante Systemänderung vom Tisch« sei. Als negativ, dass die Honorarerhöhung für die Apotheken ebenfalls erstmal nicht komme. Eine Honorarreform sei jedoch dringend nötig, betonte er.
Was ein «Adlerflug« werden sollte, habe sich zum »Schneckengang« entwickelt, sagte Graue im Hinblick auf das ApoRG. Der Vorsitzende des HAV forderte, dass nun ein schlüssiges Gegenkonzept entwickelt werden müsse. Der HAV habe einen Vorschlag gemacht, in dem es insbesondere um die Hochpreiserproblematik gehe. »Der Gesundheitsfonds kann dabei eine tragende Rolle spielen«, sagte er.
Graue verwies auch auf einen gerichtlichen Erfolg des HAV. So sei der Gang vor das Hamburger Sozialgericht erfolgreich gewesen. Damit konnte der HAV das verkürzte Zurückweisungsverfahren bei Hilfsmittelrezepten der IKK classic beenden. Das Urteil habe überregionale Bedeutung, sagte Graue, der auch Vorsitzender des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) ist.
Auch der HAV-Geschäftsführer Georg Zwenke beschrieb die Situation der Apotheken als sehr schwierig. Das Thema Honorierung sei bereits seit 2015 das zentrale Thema. »Die Apotheken können die Belastungen nicht mehr tragen. Wir brauchen eine Stabilisierung, damit nicht weiterhin Offizinen schließen müssen«, sagte er. Einen so starken Rückgang der Zahl der Apotheken habe es noch nicht gegeben. Von diesem Sinkflug sei auch Hamburg betroffen.
In seiner Rede beleuchtete Zwenke auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Hamburger Apotheken. Ein großes Problem seien die Hochpreiser. »Die Umsätze steigen, aber der Rohgewinn sinkt«, beschrieb er die Lage. Die Apotheken müssten gestiegene Personalkosten stemmen. »Viele würden ihren Mitarbeitern gerne mehr zahlen, aber die Betriebsergebnisse geben das nicht her«, sagte Zwenke. Im ersten Halbjahr 2024 habe ein Drittel der Offizinen lediglich ein Betriebsergebnis von 12.000 Euro erzielt, zwei Drittel ein Ergebnis von knapp 70.000 Euro.
Vor allem Filialen seien im Minus, beschrieb er die Problematik. So habe ein Drittel der Filialen im ersten Halbjahr 2024 lediglich ein Betriebsergebnis von knapp 13.000 erzielt, zwei Drittel ein Ergebnis von 47.000 Euro.
Angesichts der derzeitigen politischen Übergangsphase und der bevorstehenden Neuwahlen im Februar analysierte Zwenke die Pläne des früheren Finanzministers Christian Lindner (FDP) zur Wirtschaftspolitik, die dieser kurz vor dem Ampel-Aus präsentiert hatte. Darin fordert Lindner unter anderem, Bürokratie abzubauen und Effizienzreserven zu heben. Auch der HAV habe Forderungen zum Bürokratieabbau vorgelegt, informierte Zwenke. So solle aus Sicht des HAV geprüft werden, was die Patienten von den Dokumentations- und Prüfpflichten der Apotheken haben und ob der bürokratische Aufwand wirklich nötig sei.
Völlig unklar sei ihm hingegen, wo die von Lindner angesprochenen Effizienzreserven sein sollen. Die Apotheken seien bereits jetzt »am Limit«. Dass im kommenden Jahr der erhöhte Kassenabschlag wieder von 2 auf 1,77 Euro sinke, bringe da wenig. »Wir brauchen jetzt eine wirtschaftliche Stärkung, sonst können die Apotheken die Versorgung in der bisherigen Form bald nicht mehr leisten«, betonte Zwenke.