Halbe Weltbevölkerung ohne sicheres Trinkwasser |
Carolin Lang |
19.08.2024 12:30 Uhr |
Die Zahl der Menschen, deren Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser nicht erfüllt ist, könnte möglicherweise unterschätzt sein. Darauf deuten neue Studiendaten hin. / Foto: Getty Images/Jadwiga Figula
Sauberes Trinkwasser gilt als Menschenrecht. Dennoch ist es bei weitem nicht überall auf der Welt verfügbar. Nach Schätzungen von Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk Unicef hatten im Jahr 2020 etwa zwei Milliarden Menschen keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die neue Studie, publiziert im Journal »Science«, deutet darauf hin, dass das Ausmaß tatsächlich etwa doppelt so hoch sein könnte.
Die Arbeitsgruppe um Erstautorin Esther E. Greenwood, Doktorandin am Eawag – dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, kommt für dasselbe Jahr zu der Einschätzung, dass nur einer von drei Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen eine sichere Trinkwasserversorgung nutzte. Entsprechend hätten 4,4 Milliarden Menschen diese nicht. Als wichtigsten limitierenden Faktor identifizierten sie fäkale Verunreinigungen, angezeigt durch den Nachweis von Escherichia coli in der primären Trinkwasserquelle.
Für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung fehlten Daten zur sicheren Trinkwasserversorgung, stellt die Arbeitsgruppe heraus. »Mit unserer Arbeit wollen wir dazu beitragen, diese Informationslücke zu schließen«, so Greenwood in einer Mitteilung des Eawag.
Auf Grundlage der vorhandenen Daten aus Haushaltserhebungen aus 27 Ländern sowie globalen Erdbeobachtungsdaten entwickelten sie mithilfe von maschinellem Lernen Modelle, um die Nutzung einer sicheren Trinkwasserversorgung in insgesamt 135 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen abzuschätzen.
Die Diskrepanz zur Einschätzung von WHO und Unicef rühre neben der lückenhaften Datenlage und einer unterschiedlichen Methodik der Studien auch daher, dass das Team um Greewnwood die Kriterien für eine sichere Trinkwasserversorgung – Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Qualität und Art der Zapfstelle – strenger bewertet habe, erklärt sie in einem Interview mit dem »SWR«.
Es sei »schwierig«, zu sagen, welche der Schätzungen genauer sei – die von WHO und Unicef oder die der aktuellen Studie – äußert sich Dr. Robert Bain, Statistiker im Unicef-Regionalbüro für den Nahen Osten und Nordafrika, der an der Berechnung beider Zahlen mitgewirkt habe, gegenüber dem Fachjournal »Nature«. »Unabhängig davon, welche Zahl man zugrunde legt – zwei oder vier Milliarden – die Welt hat noch einen weiten Weg vor sich«, bis die Grundrechte der Menschen sichergestellt seien, so Bain.
»Ich denke, dass unsere Studie dazu beitragen kann, das Bewusstsein für den Zustand der Trinkwasserversorgung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu schärfen, und aufzuzeigen, wo es Datenerhebungen und finanzielle Investitionen braucht, um die Situation zu verbessern«, kommentiert Greenwood abschließend.