Häufig verordnet, nicht immer geeignet |
Brigitte M. Gensthaler |
26.02.2024 18:00 Uhr |
Erhöhte Sturzgefahr und anticholinerge Nebenwirkungen gehören zu den Hauptgründen, wenn Arzneistoffe als potenziell ungeeignet für Senioren eingestuft werden. / Foto: Getty Images/vlada_maestro
In der Priscus 2.0-Liste, die im Januar 2023 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde, sind 187 Arzneistoffe gelistet, die im Alter möglichst vermieden werden oder nur in niedriger Dosis oder für begrenzte Zeit eingesetzt werden sollten. Dazu zählen vor allem Substanzen, die anticholinerg wirken und die Kognition beeinflussen (Beispiele: trizyklische Antidepressiva, Mittel gegen Inkontinenz) oder die das Sturzrisiko erhöhen (Beispiele: Doxazosin, schnell wirksames Nifedipin oder lang wirksame Benzodiazepine) sowie einige andere wie nicht steroidale Antirheumatika (NSAR).
»Viele Nebenwirkungen werden bei älteren Menschen aber gar nicht erkannt, sondern als altersbedingte Einschränkungen gewertet«, berichtete Professor Dr. Petra Thürmann, Helios Universitätsklinikum Wuppertal, Uni Witten-Herdecke, bei der Hermann-Hager-Tagung 2.0 der Landesapothekerkammer Brandenburg.
Zu den häufigen potenziell inadäquaten Medikationen (PIM) zählen Protonenpumpeninhibitoren (PPI) länger als acht Wochen, viele NSAR, Antidepressiva, Sulfonylharnstoffe, Spironolacton über 25 mg/Tag, einige Anti-Parkinsonmittel und Fluorchinolone. Auch sehr viele Antipsychotika sind PIM, denn sie wirken sedierend, erhöhen das Sturzrisiko, verschlechtern die Kognition und verlängern das QT-Intervall des Herzens. Bei Patienten mit Demenz können Antipsychotika die Mortalität erhöhen.
»Anticholinergika und Diuretika bereiten uns zudem angesichts des Klimawandels zunehmend Sorgen«, informierte Thürmann. Denn das Risiko für Hitzestau und Exsikkose steige massiv während einer Hitzeperiode.
Wie sieht die Praxis aus? Thürmann stellte eine aktuelle Analyse zur Entlassmedikation von 257.559 geriatrischen stationären Patienten vor. Mehr als drei Viertel hatten mindestens ein PIM auf dem Medikationsplan stehen. Am häufigsten waren Z-Substanzen, Trospium, Moxonidin, Lorazepam, Amitriptylin und Tapentadol. Spitzenreiter bei zu lange verabreichten oder zu hoch dosierten Stoffen waren PPI über mehr als acht Wochen, eine Spironolacton-Dosis über 50 mg/Tag und Antipsychotika länger als sechs Wochen.