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Reaktionen zur Apothekenreform
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»Gute Nachricht« oder »kaputtsparen«?

Das von der Regierung am Mittwoch abgesegnete Apothekenversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) sorgt für vielfältige Reaktionen in der Apothekerschaft. Während die meisten Kammern und Verbände die Entwicklungen kritisieren und einen Fremdbesitz fürchten, sehen andere auch positive Aspekte.  
AutorKontaktPZ
Datum 19.12.2025  14:28 Uhr

Das ApoVWG sieht unter anderem vor, dass eine PTA-Vertretung auf maximal 20 Tage im Jahr beschränkt sein soll, davon maximal zehn am Stück. Die Behörde darf eine Genehmigung nur erteilen, wenn sich im Umkreis von mindestens sechs Kilometern keine weitere Apotheke befindet. Im Entwurf ist außerdem die erleichterte Gründung von Zweigapotheken »in abgelegenen Orten mit deutlich eingeschränkter Arzneimittelversorgung« vorgesehen, so das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Wie erwartet, wurde die Honorarerhöhung auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Apothekerkammern und -verbände haben die Entwicklungen größtenteils kritisiert. Doch Teile der Reform werden auch begrüßt. 

LAK-BW: »Eine gute Nachricht für die Apothekerschaft«

In einer Pressemitteilung begrüßt die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK BW) Teile des beschlossenen Gesetzentwurfes. Durch einige zentrale Regelungen werde insbesondere die heilberufliche Komponente des Apothekerberufs in den Fokus gerückt und der Zugang zu Prävention optimiert. »Es ist gut, dass die Politik erkannt hat, welchen Mehrwert Apotheken vor Ort für die Gesellschaft und für die Gesundheitsversorgung bieten«, so Martin Braun, Präsident der LAK BW. Baden-Württemberg ist übrigens auch das Bundesland, in dem die Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) ihren Wahlkreis hat.

Braun zufolge sei der wertschätzende Umgang mit den Berufsvertretern während der Formulierung des Gesetzentwurfs und im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses besonders positiv zu bewerten. Der im Oktober veröffentlichte Referentenentwurf enthielt einige Punkte, wie etwa die PTA-Vertretung und die Zweigapotheke ohne Notdienst, die das bewährte System der von Inhaberinnen und Inhabern persönlich geleiteten Apotheken nachhaltig schädigen könnten. Damit ist das Fremdbesitzverbot gemeint, das besagt, dass eine Apotheke nur von einem selbstständigen, approbierten Apotheker und nicht von Kapitalgesellschaften oder Nicht-Apothekern betrieben werden darf.

»Als Berufsvertreter haben wir viele intensive und konstruktive Gespräche mit dem BMG geführt. Dass nun ganz wesentliche, für die Berufsausübung kritische Punkte im Kabinettsentwurf nicht mehr enthalten sind, ist eine gute Nachricht für die Apothekerschaft insgesamt.«

Die Kammer räumt jedoch auch ein, dass die bestehenden Existenzängste der Apothekerschaft durch den Gesetzentwurf nicht gelindert werden können. »Eine Erhöhung des Apothekenhonorars, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, würde ganz entscheidend zur Sicherung der Existenz vieler Apotheken beitragen und somit auch helfen, die Gesundheitsversorgung in der Fläche abzusichern«, sagt Braun und fügt hinzu: »Dafür müssen aber die finanziellen Mittel bereitgestellt und Mehrausgaben in Kauf genommen werden. Letztlich würde ein Zusammenbruch des noch bestehenden Apothekennetzes die Patientinnen und Patienten in der Zukunft deutlich teurer zu stehen kommen.«

Rheinland-Pfalz: »Bundesregierung spart Apotheken weiter kaputt«

In einer Pressemitteilung kritisiert der Apothekerverband Rheinland-Pfalz den Regierungsentwurf der Apothekenreform. »Trotz guter Argumente und vieler Gespräche verweigert die Bundesregierung den Apotheken die versprochene und dringend benötigte wirtschaftliche Stärkung«, schreibt der Verband darin.

»Unser Vertrauen in eine verbindliche Umsetzung des Koalitionsvertrages wird von der Bundesregierung verspielt«, erklärt der Vorsitzende des Apothekerverbandes Jan-Niklas Francke. Hinzu kämen neue Fallstricke bei den gesetzlichen Vorgaben für Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen. Der Verband kritisiert die Erhöhung der pauschalen Vergütung der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus Sicht der Politik als »vage«.  Zudem bezweifelt er, dass sich die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2026 sehr verbessern wird, sodass neuer Spielraum für dringende Investitionen in die wohnortnahe Arzneimittelversorgung entstehen könnte. 

»Der Staat trägt die Verantwortung für eine stabile, krisenfeste und einfach erreichbare Arzneimittelversorgung. Statt Überregulierungen abzuschaffen, Verwaltungskosten der Krankenkassen zu begrenzen oder den mehr als 160.000 Leistungsträgern in öffentlichen Apotheken eine wirtschaftliche Perspektive für die Zukunft zu bieten, enttäuscht Bundesministerin Warken und ihr Ministerium unsere Hoffnungen auf einen Kurswechsel«, so Francke.

Die »kalte Deckelung« der Honorare seit 2013 stehe im Widerspruch zu dem Wunsch, dass Apotheken neue heilberufliche Aufgaben übernehmen sollen. »Eine Mehrleistung ist offenkundig nur gewünscht, wenn sie gratis erbracht wird. Weder Mitarbeitende in Krankenkassen, Arztpraxen oder Kliniken wollen oder könnten das für sich selbst akzeptieren. Ein engagierter Einsatz der Apotheken für ein besseres Gesundheitssystem funktioniert nicht, wenn Strukturen kaputtgespart werden!«

Der Verband fordert die Abgeordneten auf Landes- und Bundesebene auf, »dieser gesundheitspolitischen Irrfahrt ein Ende zu setzen und sofort das politische Versprechen einzulösen, die öffentlichen Apotheken wirtschaftlich zu stärken.« 

Apothekerkammer Hamburg fordert faire Honorierung 

In einer Pressemitteilung teilt auch die Apothekerkammer Hamburg ihre Kritik am Kabinettsentwurf der Apothekenreform mit. »Der Entwurf verkennt die angespannte Lage der Apotheken. Das Ausbleiben der Honorarerhöhung seit dem Jahr 2013 ist für viele Apotheken auch in Hamburg angesichts der seither immens gestiegenen Kosten nicht länger tragbar«, so Holger Gnekow, Präsident der Kammer.

Laut der Kammer enthalten der Kabinettsentwurf und der Verordnungsentwurf Regelungen, die bereits von der Apothekerschaft kritisch eingeordnet wurden. Die PTA-Vertretungsregelung, eine geringere Ausstattung von Apotheken sowie die Ausweitung von Zweigapotheken würden die bewährten Strukturen der Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort infrage stellen. Dadurch würde der Marktzutritt für branchenfremde Anbieter und Ketten erleichtert und die Qualität der Arzneimittelversorgung würde sich verschlechtern.

»Apotheken sind in Notfällen sowie in der Notdienstversorgung erste Anlaufstelle für die Patienten und übernehmen schon heute viele Aufgaben einer Primärversorgung. Voraussetzung dafür ist aber, dass all dies fair honoriert wird, um Apotheken ein wirtschaftlich stabiles Fundament zur Erfüllung dieser Aufgaben zu geben«, so Gnekow

Apothekerkammer Niedersachsen will verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Auch die Apothekerkammer Niedersachsen teilt in einer Pressemitteilung mit, dass sie Regelungen wie die stundenweise Vertretung durch PTA, die Ausweitung von Zweigapotheken, liberalisierte Öffnungszeiten und eine verminderte Ausstattung von Apotheken nicht als Flexibilisierung, sondern als Qualitätsabbau und Einladung für branchenfremde Anbieter sieht.

»Die Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, etwa im Bereich der pharmazeutischen Dienstleistungen, der Prävention und der patientennahen Beratung. Voraussetzung dafür ist, dass neue Aufgaben auf einem wirtschaftlich stabilen Fundament stehen und fair vergütet werden«, so Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen.

Die Apothekerschaft werde sich beim Gesetzgebungsverfahren konstruktiv einbringen, um die bewährten Strukturen des flächendeckenden Apothekennetzes zu erhalten. »Ziel sind verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die es den Apotheken ermöglichen, ihre gesetzlich übertragene Aufgabe dauerhaft, qualitätsgesichert und mit hoher pharmazeutischer Kompetenz zu erfüllen – im Alltag ebenso wie als verlässliche Struktur in Krisensituationen.«

Auch der Thüringer Apothekerverband hat die Entwicklungen in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung kritisiert. Außerdem haben mehrere Kammern und Verbände bereits kritische Stellungnahmen zur Reform abgegeben. 

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