»Gute Absichten, aber zu wenig Wumms« |
Cornelia Dölger |
26.05.2025 12:50 Uhr |
Ohne den Einsatz der Apotheken, »ihre Flexibilität und ihren Pragmatismus wären Engpässe oft noch spürbarer«, so Pro-Generika-Chef Bork Bretthauer. / © Pro Generika
Ende Juli 2023 trat das Lieferengpassgesetz, genauer: Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (ALBVVG), in Kraft. Es sollte die mitunter dramatischen Zustände leerer Apothekenregale und Warenlager beenden, die den Herbst und Winter geprägt und die Politik in Zugzwang versetzt hatten. Karl Lauterbach (SPD), damaliger Bundesgesundheitsminister, sah mit dem ALBVVG eine neue Ära heraufziehen: Das Gesetz werde die Lage entschärfen, zeigte er sich zuversichtlich. Gleichzeitig schränkte er ein, dass es Zeit brauche, bis die volle Wirkung einsetze.
Gut zwei Jahre später dürfte es Zeit für eine Bilanz sein. Diese fällt laut Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer allerdings ernüchternd aus. Denn das Gesetz, das unter anderem mehr Anreize für die Arzneimittelproduktion in Europa setzen sollte, lasse die versprochenen Effekte vermissen, so Bretthauer zur PZ.
»Das ALBVVG hatte gute Absichten, aber zu wenig Wumms – und infolgedessen so gut wie keine Wirkung«, resümiert Bretthauer. Einzig die Lage bei den Kinderarzneimitteln habe dieses Gesetz stabilisieren können, da es in dem Segment die Preissenkungsmechanismen weitgehend ausgesetzt habe. Bei den beiden anderen vom ALBVVG adressierten Medikamentengruppen – Antibiotika und Krebsmittel – sei diese Wirkung aber verfehlt worden. Die Politik habe das Problem also offensichtlich erkannt, sei aber zu inkonsequent beim »Drücken der richtigen Knöpfe«.
Zentrale Ziele – mehr Anreize für Produzenten sowie deren Entlastung – habe das Gesetz nicht erreicht. »Von den versprochenen Antibiotika-Werken, die laut Ex-Gesundheitsminister Lauterbach hier innerhalb ›von Monaten‹ entstehen sollten, gar nicht zu reden: »Nicht ein Werk ist entstanden, nicht ein Euro konnte in die Ausweitung der Produktion gesteckt werden«, kritisiert Bretthauer. »Dafür, dass Unternehmen hier Produktion hochziehen, sind die Preise zu niedrig. Es fehlt dafür jeglicher Anreiz.«
Zudem kämen als Entlastung gedachte Maßnahmen – etwa die kürzlich beschlossenen Preiserhöhungen bei Krebsmitteln – bei den Herstellern nicht an; das »Dickicht der Kostendämpfungsmaßnahmen« lasse dies nicht zu. Und mehr noch: »An einigen Stellen – bei den Antibiotika sehen wir eine steigende Marktkonzentration - hat das ALBBVVG die Lage sogar noch verschlimmert.«
Bretthauer vermisst stabilisierende Faktoren in dem Gesetz. Nach wie vor sei die Versorgungslage fragil und die Zahl der Engpässe habe sich seither nicht wesentlich verändert. Von Engpässen betroffen sind ihm zufolge meist Medikamente, »deren Preise von den diversen Preissenkungsmechanismen seit Jahren in den Keller gedrückt werden«.
Als Folge stiegen die Hersteller aus – und wenn noch Lieferkettenprobleme on top kämen, sei der Engpass da, so der Pro-Generika-Geschäftsführer. »Hier muss die Politik endlich ansetzen – und gegensteuern. Von alleine wird das nicht weggehen. Es wird eher schlimmer werden.«
Hinzu komme die sich verändernde weltpolitische Lage. Dass Deutschland und Europa abhängig von der Arzneimittelproduktion etwa in Fernost seien, sei eine Gefahr – die die Politik bereits in der Corona-Pandemie erkannt habe. Die aktuellen geopolitischen Spannungen täten ihr Übriges. »In einem Handelskrieg zwischen China und den USA könnten wir zwischen die Fronten geraten«, warnte Bretthauer.
Er gibt zu bedenken, dass China, »ein Staat mit einem völlig anderen Wertesystem und geopolitischen Ambitionen«, die Abhängigkeit bei der Arzneimittelversorgung bewusst herbeigeführt habe. Bretthauer befürchtet: »Jetzt besteht die Gefahr, dass es sie politisch ausnutzt.«
Einige Hoffnung setzt Bretthauer in die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Seine Zuversicht fußt auf Warkens wiederholten Versicherungen, die Versorgungssicherheit stabilisieren zu wollen. »Das macht mir Hoffnung.« Anders als ihr Amtsvorgänger sollte Warken indes »nicht länger nur Symptome behandeln, sondern die Ursachen angehen«, rät Bretthauer. Sprich: »Die Finanzierung generischer Arzneimittel muss neu aufgesetzt, die Grundversorgung ressortübergreifend und auch sicherheitspolitisch gedacht werden.«
Und die Apotheken? Die die Lieferengpässe letztlich mit am deutlichsten zu spüren bekommen? »Leisten Enormes – gerade in Krisenzeiten«, wie Bretthauer betont. Denn am Ende seien es die Teams in den Apotheken, die den Patienten erklären müssten, warum ihr Medikament nicht da ist. »Ohne ihren Einsatz, ihre Flexibilität und ihren Pragmatismus wären Engpässe oft noch spürbarer.« Apotheken federten viele Lücken im System ab – was den Patientinnen und Patienten sehr helfe.