Guineawurminfektion vor der Ausrottung |
Theo Dingermann |
16.02.2022 07:00 Uhr |
Mit dem Guineawurm waren im Jahr 2021 nur noch 14 Menschen weltweit infiziert. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
In den 1980er-Jahren waren von der »Drakunkulose«, einer Erkrankung, die von dem Medina- oder Guineawurm (Dracunculus medinensis) verursacht wird, in 21 afrikanischen und asiatischen Ländern noch mehr als 3,5 Millionen Menschen betroffen. Bis zum Jahr 2021 ging die Zahl auf weltweit 14 Patienten zurück, heißt es in einer einer »News«-Meldung des Fachjournals »Nature«. Damit könnte die Guineawurminfektion nach den Pocken im Jahre 1980 die zweite Infektionskrankheit in der Geschichte der Menschheit werden, die vollständig ausgerottet wird. Zudem könnte mit Polio die nächste Krankheit folgen, die weltweit eradiziert werden könnte. Während für die Pest und für Polio Impfstoffe zur Verfügung stehen, ist die Drakunkulose die erste Infektionskrankheit, die ohne eine Impfung unter Kontrolle gebracht wird.
Im Jahre 2020 zählte man noch 27 Drakunkulose-Fälle. Somit bedeuten die aktuell 14 gemeldeten Fälle immerhin eine 50-prozentige Reduzierung in nur zwei Jahren. Dies ist das Ergebnis von Bemühungen internationaler Organisationen und nationaler Regierungen über nahezu 40 Jahre.
»Das ist fast unglaublich«, sagt Adam Weiss, Direktor des Programms zur Ausrottung des Guineawurms, des Carter Center mit seinem Hauptsitz in Atlanta, Georgia, gegenüber »Nature«. Das Zentrum gab die Zahlen Ende Januar bekannt. »Vierzehn Menschen auf einem Planeten von fast acht Milliarden. Es ist überwältigend, darüber nachzudenken«, so Weiss.
Menschen infizieren sich in der Regel über Trinkwasser, das mit einem Wasserfloh der Gattung Cyclops kontaminiert ist. Ist dieser mit den Larven des Guineawurms befallen, beginnt ein neuer Entwicklungszyklus im Menschen, an dessen Ende der Wurm steht. Der Wasserfloh wird im menschlichen Magen verdaut und gibt dort die Larven frei, die im Floh bereits zwei Verpuppungsstadien durchlaufen haben. Aus den Larven entwickeln sich geschlechtsreife Würmer, die in das Gewebe um den Magen herum einwandern, wo sie sich paaren.
Der männliche Wurm stirbt kurz danach, während sich der befruchtete weibliche Wurm zu verschiedenen Geweben des infizierten Menschen wandert, in denen er innerhalb eines Jahres seine ausgewachsene Größe erreicht.
Danach versucht der Wurm, seinen Wirt zu verlassen. Am häufigsten, aber nicht ausschließlich, geschieht dies an den Beinen. Sobald der Wurm dicht unter der Haut liegt, bildet sich eine Eiterbeule. Platzt diese, gelangt der Wurm an die Außenwelt. Als Reflex auf den Schmerz tauchen die Patienten das Bein ins Wasser, um so den Schmerz zu lindern. Dann legt der Wurm seine Larven ab, die wiederum vom Wasserfloh gefressen werden und so ein neuer Zyklus beginnt.
Zwar ist die Krankheit nicht tödlich. Sie ist aber sehr schmerzhaft, und die Betroffenen erkranken vor allem aufgrund der Sekundärinfektionen, die sich an der Austrittsstelle des Wurms bilden. Traditionell entfernt man den Wurm, indem man ihn langsam auf ein Stückchen Holz aufrollt und ihn so Zentimeter für Zentimeter herauszieht. Diese Extraktion kann Monate dauern.
Das »Guineaworm Disease Eradication Program« zielt zum einen darauf, dass jeder neue Fall in einer Dorfgemeinschaft schnell entdeckt wird. Dies ist hauptsächlich ein Verdienst von Freiwilligen, die mit Mitteln des Programms entsprechend geschult wurden.
Sobald eine Neuinfektion bemerkt wird, kümmern sich die Freiwilligen um den Erkrankten und erklären ihm, dass er Wasserstellen nicht mehr betreten darf, um zu verhindern, dass die Wasserstelle mit neuen Larven kontaminiert wird.
Zum anderen wurde in den letzten Jahren die Dörfer mit Wasserfiltern ausgestattet, die Larven effektiv abtrennen können. Derartige Filter tragen auch die Dorfbewohner an einer Schnur um den Hals immer bei sich, wenn sie auf den Feldern arbeitet. Das Wasser für die Dorfgemeinschaft wird mit größeren Stofffiltern aufbereitet.
In begrenztem Ausmaß wird im Rahmen der Eradikationskampagne auch das Larvizid Abate® der Firma BASF eingesetzt. BASF unterstützt seit 1988 das Programm durch kostenlose Wirkstoffspenden.
Ein weiterer Vorteil dieses Eradikationsprogramms, das ja im Wesentlichen auf nicht pharmakologischen Interventionen beruht, besteht darin, dass sich so gleichzeitig eine Infrastruktur aufbauen ließ, die auch in anderen Gesundheitsfragen hilfreich ist. Dies könnte sich positiv auch auf die Kontrolle andere Krankheiten auswirken.
Ursprünglich hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ziel ausgegeben, die Drakunkulose bis 1995 auszurotten. Allerdings musste das Zieljahr für die Ausrottung mehrfach korrigiert werden, von 2009, über 2015 und 2020 bis aktuell 2030.
Die Mehrzahl der noch 14 infizierten Menschen lebt im Tschad (sieben Fälle), im Südsudan, Mali und Äthiopien, so dass man sich nun konzentriert diesen Ländern widmen kann. Probleme können sich allerdings noch dadurch ergeben, dass sich auch einige Tiere, einschließlich Katzen, Hunde und Paviane, infizieren können, kein triviales Problem, wie 790 Fälle von Guineawurminfektionen bei Hunden im vergangenen Jahr im Tschad zeigen. Aber auch die bekannten Infektionen bei Tieren gingen 2021 um 45 Prozent zurück.