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Analyse Skonto-Gutachten

Großhändler befürchten Preisspirale

Die Großhändler wollen verhindern, dass ihre eigene Marge mit dem Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) wieder zur Verhandlungsmasse gegenüber den Apotheken wird. Ein im Auftrag des Branchenverbands Phagro erstelltes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die geplante Regelung in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verfassungswidrig wäre. Hier die Details.
AutorKontaktAlexander Müller
Datum 09.07.2024  14:00 Uhr

Der Referentenentwurf zum Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) beinhaltet für die Apotheken nicht viel Gutes. Allein die Wiederfreigabe der Skonti im Einkauf entspricht einer Forderung der ABDA. Allerdings hätte sich die Standesvertretung eine schnellere Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gewünscht. Seit der Entscheidung aus Karlsruhe haben die Großhändler die Einkaufskonditionen der Apotheken teils massiv gekürzt.

Mit dem ApoRG will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) darauf reagieren: In § 2 AMPreisV zum gedeckelten Großhandelshonorar – 73 Cent plus 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis, maximal aber 37,80 Euro – soll ein Halbsatz ergänzt werden, dass »die Gewährung von handelsüblichen Rabatten oder Vergünstigungen zulässig« ist.

In der Begründung heißt es, dass »Rabatte oder sonstige finanzielle Vergünstigungen, wie insbesondere Skonti bei Vereinbarung von Zahlungszielen« von den Großhändlern gewährt werden dürfen, auch wenn sie den relativen Zuschlag von 3,15 Prozent überschreiten. Eine Rabattierung des Festzuschlags in Höhe von 73 Cent soll aber nicht möglich sein.

Der Großhandelsverband Phagro hat hierzu ein Gutachten bei dem Staatsrechtler Professor Dr. Stephan Rixen in Auftrag gegeben. Rixen ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Staatsrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht, Direktor des Instituts für Staatsrecht und Leiter der Forschungsstelle für das Recht des Gesundheitswesens an der Universität Köln.

Sein Urteil über das Vorhaben des BMG fällt vernichtend aus: Die geplante Regelung ist demnach verfassungswidrig. Sie sei viel zu unbestimmt und verletze die Großhändler in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit, wird auf 41 Seiten umfassend ausgeführt. Zudem sei der neue § 2 AMPreisV nicht mit dem höherrangigen § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) vereinbar – ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Unbestimmte Begriffe im Gesetzentwurf

Als »initiales Defizit« macht Rixen aus, dass das BMG einen »gesetzgeberischen Klarstellungsbedarf« postuliert, den es gar nicht gibt. Denn mit der geplanten Neuregelung werde die BGH-Rechtsprechung ja geradezu umgekehrt. Rixen findet es »auffällig«, dass der Referentenentwurf auf die BGH-Entscheidung an keiner Stelle eingeht, obwohl die Auslegung des bisherigen § 2 AMPreisV doch »die entscheidende Verständnisfolie für die derzeitige Debatte bildet«.

Rixen nennt das Vorhaben eine »konzeptionell inkonsistente Neuregelung, die den Mindestpreis aufhebt«. Der geplante § 2 AMPreisV bewirke, »dass der Mindestpreis aufgegeben wird« und zu Lasten der Großhändler eine »praktisch weithin freigegebene Preisfindungsspirale ›nach unten‹ in Bewegung kommt«. Damit werde der öffentliche Versorgungsauftrag des Großhandels konterkariert, so Rixen.

Der Rechtswissenschaftler stört sich aber auch an der »begrifflichen Verwirrung« des BMG. Die angebliche Klarstellung beziehe sich auf »Rabatte oder sonstige finanzielle Vergünstigungen, wie insbesondere Skonti bei Vereinbarung von Zahlungszielen«. Diese Begriffe würden aber in der Begründung nicht weiter erläutert.

Gerade im Hinblick auf die Verwendung des Wortes »Skonto« hätte sich laut Rixen »einen jeden Zweifel ausschließende Genauigkeit aufdrängen müssen«, zumal schon der BGH unterschieden habe zwischen »echten« Skonti als Abgeltung einer vertraglich nicht geschuldeten Zahlung vor Fälligkeit und »unechten« Skonti als quasi versteckten Rabatten.

Im Wortlaut des § 2 AMPreisV sei dann wieder die Rede von »handelsüblichen Rabatten oder Vergünstigungen«, wobei die Unterscheidung semantisch gar nicht plausibel sei. Ganz abgesehen davon, dass der Begriff »handelsüblich« weder in der AMPreisV noch im AMG verwendet werde.

Rixens Zwischenfazit: Die geplante Neuregelung sei »konzeptionell inkonsistent und höchst unbestimmt« und der Regelungszweck nicht erkennbar.

Verfassungsrechtliche Würdigung

Im zweiten Teil seines Gutachtens nimmt Rixen die verfassungsrechtliche Würdigung vor. Und auch hier ist sein Votum klar: »Der geplante § 2 AMPreisV ist verfassungswidrig.« Das Grundrecht auf Berufsfreiheit besteht demnach nicht nur für natürliche Personen, sondern schütze als Unternehmensfreiheit auch unternehmerische Tätigkeiten.

Obwohl die Regelung wie gezeigt höchst unbestimmt sei, dürfte ihr doch die Absicht zu entnehmen sein, den Wettbewerb unter den Großhändlern untereinander und mit den Apotheken und ihren Einkaufsgemeinschaften anzufachen. § 2 AMPreisV schaffe »bewusst einen latenten ökonomischen Zwang«, ohne dass klare Begrenzungen einer solchen Preisdynamik normiert würden.

Rixen hat aus verfassungsrechtlicher Sicht drei konkrete Kritikpunkte. Zunächst die oben gezeigten fehlenden Bestimmtheitsanforderungen. Zweitens sieht er einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil die neue Honorarregelung nicht mit dem Sicherstellungauftrag des Großhandels gemäß § 78 Absatz 1 Nr. 1 und § 78 Absatz 2 Satz 1 AMG vereinbar sei.

Und schließlich sei der neue § 2 AMPreisV unverhältnismäßig. Rixen erkennt den Willen des Gesetzgebers, den Mindestpreis aufzuheben und ein Preisdruck zu entfachen. »Weshalb er das will, bleibt aber unklar.« Eine Abwägung des BMG sei nicht erkennbar, unzumutbare wirtschaftliche Folgen für die Großhändler würden nicht geprüft.

Erhöhung des Apothekenhonorars wäre konsequenter

Der Gutachter greift die Argumentation des BGH auf. Wenn es tatsächlich um die finanzielle Sicherung der Apotheken gehe, müssten die Apothekenzuschläge gemäß § 3 AMPreisV auskömmlich sein und erhöht werden, so Rixen. Doch das BMG hat alle Forderungen der Apothekerschaft nach einer angemessenen Honorarerhöhung ausgeschlagen.

Die ABDA will das Gutachten in Ruhe prüfen. Man sehe allerdings keinen Grund, warum die vorgeschlagene Regelung verfassungswidrig sein könnte, so ein Sprecher. »Wichtig ist, dass der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis gewährleistet wird. Dieser wird in keiner Weise von der möglichen, neuen Skonti-Regelung beeinflusst. Warum ein wirtschaftliches Instrument, das der pharmazeutische Großhandel jahrzehntelang genutzt und offensiv angeboten hat, durch eine Rechtsvorschrift nun auf einmal verfassungswidrig werden soll, erschließt sich uns nicht. Denn die neue Rechtsvorschrift soll die seit Jahrzehnten praktizierte Praxis ausdrücklich erlauben.«

Ob die Großhändler mit ihren verfassungsrechtlichen Bedenken in anderen Ministerien für Unruhe sorgen können, wird die nächste Woche zeigen: Am 17. Juli soll das ApoRG im Kabinett beschlossen werden, aktuell läuft die Ressortabstimmung. Entscheidend sind dabei das Finanz- und das Wirtschaftsministerium und nicht zuletzt das Justizressort.

Den Großhändlern wäre es, so ist zu hören, allemal lieber, sich mit der ABDA und dem BMG an einen Tisch zu setzen und eine saubere Skonto-Regelung gemeinsam zu erarbeiten. Denn ansonsten trifft man sich womöglich in ein paar Jahren wieder vor dem BGH und streitet über die Auslegung von »Vergünstigungen«.

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