Großes Comeback der CETP-Hemmung |
Sven Siebenand |
01.08.2024 16:00 Uhr |
Erste Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit dem CETP-Hemmer Obicetrapib zeigen, dass dieser den Wert des LDL-Cholesterols deutlich senken kann. In einer kardiovaskulären Outcome-Studie wird der Wirkstoff ebenfalls getestet. / © Adobe Stock/GoodIdeas
CETP steht für Cholesterolester-Transferprotein. Das Protein ist am Lipidstoffwechsel beteiligt. Es fördert den Austausch von Cholesterolestern zwischen Lipoproteinen im Blut. Genauer gesagt vermittelt CETP unter anderem den Transfer von Cholesterolestern von High-Density-Lipoproteinen (HDL) zu Low-Density-Lipoproteinen (LDL) und Very-Low-Density-Lipoproteinen (VLDL).
Cholesterol kann dadurch vermehrt in die peripheren Gewebe transportiert werden und sich dort zum Beispiel in atherosklerotischen Plaques der Gefäßwand ablagern. CETP hat in dieser Hinsicht also eine proatherogene Wirkung. Dementsprechend könnte eine Hemmung der CETP-Aktivität antiatherogen wirken. Denn CETP-Inhibiroren blockieren diese Abläufe, was zu einer Erhöhung des HDL-Spiegels und einer Senkung des LDL-Spiegels führt.
Vor einigen Jahren waren CETP-Hemmer sehr en vogue und mehrere Vertreter dieser Klasse waren in der Entwicklung, um den Cholesterolstoffwechsel zu beeinflussen und insbesondere das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Beim Kandidaten Torcetrapib wurde die Entwicklung allerdings wegen Sicherheitsrisiken abgebrochen. Dalcetrapib war zwar sicher, erzielte aber in einer Studie nicht den gewünschten Nutzen, sodass auch hier das Aus kam. Und auch Obicetrapib wurde zumindest von der Firma Amgen zu Grabe getragen. Allerdings ist dieser Wirkstoff wieder auferstanden.
Nach positiven Ergebnissen in Phase II hat das Unternehmen New-Amsterdam Pharma ein breites Phase-III-Studienprogramm aufgesetzt. Es untersucht in gleich vier Phase-III-Studien das einmal täglich oral einzunehmende Obicetrapib als LDL-Cholesterol-senkende Therapie. Sie soll ergänzend zur Statintherapie bei Patienten mit einem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und erhöhten LDL-Werten eingesetzt werden, bei denen die vorhandenen Therapien nicht ausreichend wirksam oder gut verträglich sind. Sowohl die Monotherapie als auch eine Fixkombination mit dem Wirkstoff Ezetimib wird dabei getestet.
In einer Pressmitteilung informiert aktuell die Menarini-Gruppe, die den Wirkstoff im Fall einer EU-Zulassung in Europa vermarkten würde, über erste positive Ergebnisse der Phase-III-Zulassungsstudie Brooklyn. Die Studie untersuchte Obicetrapib bei erwachsenen Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterolämie (HeFH), bei denen das LDL-Cholesterol trotz einer maximalen noch verträglichen lipidsenkenden Therapie nicht ausreichend gesenkt werden kann. Weltweit ist schätzungsweise eine von 250 Personen von HeFH betroffen.
Insgesamt 354 Patienten wurden in die randomisierte Studie aufgenommen. Sie erhielten entweder als Add-on zu maximalen verträglichen lipidsenkenden Therapien täglich 10 mg Obicetrapib oder Placebo. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Nach zwölf Wochen war der LDL-Wert im Vergleich zum Ausgangswert unter Obicetrapib um durchschnittlich 36,1 Prozent gesunken, während er in der Placebogruppe um 0,3 Prozent gestiegen war. Nach 52 Therapiewochen war der LDL-Wert in der Verumgruppe um 31,1 Prozent gesunken und unter Placebo um 10,3 Prozent gestiegen.
Obicetrapib wurde gut vertragen und führte nicht zum Anstieg des Blutdrucks. Letzteres ist wichtig, weil genau dies bei dem gescheiterten CETP-Hemmer Torcetrapib beobachtet worden war.
Auf einem medizinischen Kongress soll bald über weitere Daten aus der Brooklyn-Studie berichtet werden. Zudem will New-Amsterdam Pharma die Ergebnisse auch in einem Fachjournal publizieren. Auch erwartet man aus anderen zulassungsrelevanten Phase-III-Studien, etwa der Broadway-Studie, demnächst Daten.
Diese Studie evaluiert Obicetrapib bei erwachsenen Patienten mit nachgewiesener artherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung (ASCVD) und/oder HeFH, deren LDL-Wert trotz maximaler verträglicher lipidsenkender Therapie nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Die Prevail-Studie ist eine kardiovaskuläre Outcome-Studie, in der Obicetrapib bei Patienten mit einer Vorgeschichte von ASCVD untersucht wird. Und last, but not least prüft die Tandem-Studie die Fixkombination von Obicetrapib und Ezetimib bei Patienten mit nachgewiesener ASCVD oder mehreren Risikofaktoren für ASCVD und/oder HeFH.
Abhängig von den weiteren Ergebnissen könnte es also doch noch ein erster CETP-Hemmer und damit ein neues Wirkprinzip bei Lipidstoffwechselerkrankungen zur Zulassung schaffen. Die bisherigen Ergebnisse von Obicetrapib geben durchaus Anlass zum Optimismus. Möglicherweise würden dann sogar noch weitere Wirkstoffe folgen. Auch wenn es noch nicht so viele Daten gibt, scheinen auch die Moleküle mit den Kürzeln MK-8262 sowie CKD-508 als CETP-Inhibitoren zu wirken und untersucht zu werden.