Groß-Gerau will Verkauf von Genusscannabis in Apotheken testen |
Der Kreis Groß-Gerau plant, in einem wissenschaftlichen Modellprojekt die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken zu erproben. / © Getty Images/stockstudioX
Mit dem Cannabisgesetz dürfen Erwachsene seit 1. April bestimmte Mengen Cannabis zu Genusszwecken besitzen. Seit 1. Juli dürfen sich nichtgewerbliche Vereinigungen um eine Anbaulizenz bewerben. In einer zweiten Säule sollte ursprünglich der Verkauf von Genusscannabis in lizenzierten Geschäften in Modellregionen erprobt werden. Dieses Vorhaben ist offenbar vom Tisch.
Doch am 10. Dezember erließ das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Verordnung. Damit ist künftig die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) dafür zuständig, Anträge zu Cannabis-Modellregionen zu prüfen und die wissenschaftlich betreuten Forschungsprojekte zu überwachen.
Mehrere Großstädte haben bereits die Absicht erklärt, Cannabis-Modellregion zu werden. Frankfurt am Main und Hannover wollen Cannabis zu Genusszwecken in Geschäften verkaufen, genauso wie zwei Berliner Bezirke. Die Stadt Wiesbaden will den Cannabisverkauf in Apotheken testen.
Ein Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Untersuchung der Abgabe von Konsumcannabis in Apotheken ist auch im Kreis Groß-Gerau geplant. Dazu haben die Beteiligten heute eine Absichtserklärung unterzeichnet. Das Modellprojekt will der Kreis gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Cansativa Group umsetzen.
In einem Pressegespräch informierten die Beteiligten heute über Details des Projekts. Mit dabei waren unter anderem Adil Oyan, Erster Kreisbeigeordneter und Katharina Helbig vom Gesundheitsamt des Kreises Groß-Gerau sowie Justus Haucap, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Auskunft gaben zudem Jakob und Benedikt Sons, Gründer und Geschäftsführer bei Cansativa. Das 2017 gegründete Unternehmen mit Sitz in Mörfelden-Walldorf beliefert nach eigenen Angaben über 2000 Apotheken bundesweit mit medizinischem Cannabis.
Bereits am 8. Juli hatte der Kreis Groß-Gerau beschlossen, ein Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Untersuchung der Abgabe von Konsumcannabis in Apotheken zu beantragen. Mitte Januar will der Kreis nun den Antrag bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) stellen und damit das Projekt auf den Weg bringen, informierte der Erste Kreisbeigeordnete Oyan. Er sei optimistisch, dass der Antrag genehmigt werde. Mit dem über fünf Jahre angelegten Projekt will der Kreis Erkenntnisse zu Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft gewinnen.
An dem Projekt sollen ausschließlich Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren teilnehmen dürfen, die im Kreis Groß-Gerau wohnen. Alle gesetzlichen Vorschriften müssten eingehalten werden, versicherte Katharina Helbig vom Gesundheitsamt des Kreises. Über eine App sollen sich die Teilnehmer anmelden können.
Haucap, der die wissenschaftliche Leitung übernehmen soll, informierte über den Ablauf des Projekts. So sollen die Konsumenten zum Start einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen und auch während des Projekts regelmäßig befragt werden. Die Daten und auch die Cannabisabgabe werden demnach anonymisiert erfasst.
Mit dem Forschungsprojekt wollen Haucap und der Kreis Erkenntnisse zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit der Cannabisabgabe in Apotheken gewinnen. So gehe es beispielsweise um die Frage, wie schnell es gelingen könne, den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Aber auch Verhaltensmuster und die Zahlungsbereitschaft sollen untersucht werden. Wie viel sind die Konsumenten beispielsweise bereit, für »sauberes« Cannabis ohne Beimischungen zu zahlen? Welche Arbeitsplätze hängen an der Abgabe? Kann die Abgabe eine eigene wirtschaftliche Dynamik entwickeln? »Dazu erhoffen wir uns Erkenntnisse«, informierte Haucap.
In den beteiligten Apotheken soll das Konsumcannabis getrennt vom medizinischen Cannabis abgegeben werden. Im Modellprojekt ist vorgesehen, pharmazeutisches Cannabis zu verwenden, informierte Cansativa-Geschäftsführer Sons. Dieses solle den gleichen strengen Vorgaben unterliegen wie das medizinische Cannabis.
Und warum will der Kreis die Abgabe des Konsumcannabis in Apotheken erproben und nicht in lizenzierten Fachgeschäften? Aus Sicht von Helbig sind Apotheken »ein hervorragender Ort« für die Abgabe von Genusscannabis. »Das Personal ist geschult, es gibt die notwendige Infrastruktur und viele Apotheken haben bereits Erfahrung mit medizinischem Cannabis«, führte sie verschiedene Gründe an.
Bei der Apothekerschaft im Kreis gebe es durchaus Interesse, am Projekt teilzunehmen. Bereits im Vorfeld habe der Kreis bei Apotheken angefragt und sehr positive Rückmeldungen erhalten, informierte Helbig. Ziel des Projekts sei unter anderem auch herauszufinden, ob sich Apotheken oder Fachgeschäfte besser für die Abgabe von Konsumcannabis eigneten, ergänzte Haucap. Das werde die Evaluation zeigen.