Grapefruitsaft ohne Interaktionspotenzial? |
Theo Dingermann |
28.01.2025 10:30 Uhr |
»Der Verzehr von Grapefruits oder deren Saft sollte vermieden werden«, lautet ein häufiger Warnhinweis bei Arzneimitteln wegen Wechselwirkungen. Das könnte sich womöglich aufgrund aktueller Forschungsergebnisse ändern. / © Getty Images/Adene Sanchez
Die gleichzeitige Anwendung von Medikamenten mit Grapefruitsaft ist das bekannteste Beispiel für Arzneimittelwechselwirkungen zwischen Nahrungs- und Arzneimitteln. Verantwortlich sind Cumarin-Derivate, die in hoher Konzentration vor allem in Grapefruit und Pampelmuse vorkommen: Besagte Furanocumarine inhibieren irreversibel das Cytochrom-P450-Isoenzym CYP3A4, sodass sich Wirkstoffe wie manche Statine, Immunsuppressiva und Phosphodiesterase-5-Hemmer im Körper auf gefährlich hohe Werte anreichern können.
Bisher war unklar, wie diese Naturstoffe in den Zitrusfrüchten synthetisiert werden und warum zum Beispiel Mandarinen und Orangen von dieser Wechselwirkung ausgenommen sind. Diese Frage haben nun israelische Forschende um Livnat Goldenberg vom Department of Fruit Tree Sciences, The Volcani Center ARO in Rishon LeZion, beantwortet und ihre Ergebnisse im Wissenschaftsjournal »New Phytologist« publiziert.
Die Forschenden kombinierten genetische Analysen mit Omics-Techniken und In-vivo-Enzymaktivitätstests. Durch Kreuzungsexperimente von Mandarine und Grapefruit beziehungsweise von Mandarine und Pampelmuse gelang es ihnen, die Gene zu identifizieren, die in einigen Zitrusfrüchten die effiziente Biosynthese der Furanocumarine steuern. Das Ergebnis: In der Hälfte der Pflanzen der F1-Generationen waren hohe Furanocurmin-Werte nachweisbar, in der anderen Hälfte keine. Das bedeutet, dass nur ein Gen die Biosynthese der Furanocumarine in Zitrusfrüchten steuert.
Durch Transkriptom-Analysen wurde ein Multi-Gen-Cluster identifiziert, der für die Regulation der Cumaringruppe verantwortlich ist und sich auf der Ebene der 2-Oxoglutarat-abhängigen Dioxygenasen (2OGD) befindet. Tatsächlich ist das Gen für die 2OGD in Mandarinen und Orangen aufgrund einer 655-Basen-Insertion inaktiv. Diese Insertion, die als Solo-LTR Element identifiziert wurde, führt zu einem vorzeitigen Stopp-Codon und dem Ausfall der mRNA-Produktion.
Aus akademischer Sicht ist die Studie interessant, da sie wertvolle Einblicke in die Genetik und Biochemie der Furanocumarin-Biosynthese in Zitrusfrüchten liefert. Aber auch mit Blick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit sind die Ergebnisse von großem Interesse. Mit den neu gewonnenen Erkenntnissen zur Biosynthese ist zumindest theoretisch der Weg geebnet, mittels moderner Gen-Editierungstechniken Grapefruit- und Pampelmusen-Sorten zu generieren, die keine Furanocumarine mehr synthetisieren. Für diese Sorten würde dann auch der Warnhinweis entfallen, den viele Patienten bislang dringend beachten müssen.