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Egoismus in der Wissenschaft

»Gollum-Effekt« behindert Forschung

In der wissenschaftlichen Forschung sollte es eigentlich selbstverständlich sein, Erkenntnisse und Daten zu teilen. Doch nicht jeder hält sich daran, wie eine aktuelle Befragung zeigt. Dieser sogenannte »Gollum-Effekt« schadet vor allem jungen Forschenden.
Barbara Döring
23.06.2025  07:00 Uhr

»Besitzdenken, Abgrenzung und das Horten von Daten, Ressourcen und Ideen sind ein weit verbreitetes Problem«, sagt Dr. Jose Valdez, Biodiversitätsforscher an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig.

Das Phänomen ist unter Forschenden selbst als »Gollum-Effekt« bekannt, benannt nach einer tragischen Gestalt aus dem Epos »Der Herr der Ringe«, die von einem magischen Ring so besessen ist, dass sie durch ihre Obsession in den Abgrund gerissen wird. »In der Wissenschaft gefährdet besitzergreifendes Verhalten den wissenschaftlichen Fortschritt und benachteiligt insbesondere junge und weniger etablierte Forschende«, betont Valdez.

Gemeinsam mit Dr. Sandeep Sharma (MLU und iDiv) und Dr. John Gould von der University of Newcastle (Australien) führte er eine Befragung von 563 Forschenden aus 64 Ländern durch, um mehr über die Dimension des Gollum-Effekts im Wissenschaftsbetrieb herauszufinden. Das Ergebnis klingt ernüchternd: Fast die Hälfte der Befragten gab an, das Phänomen selbst erlebt zu haben. Zwei Drittel der Betroffenen waren mehrfach im Laufe des Berufslebens damit konfrontiert.

Die Erfahrungen reichten von verweigertem Zugriff auf Quellen und Daten über den Diebstahl von Forschungsideen bis hin zur Sabotage der Forschungsarbeit. Einige Befragte berichteten sogar über erhebliche psychische Probleme als Folge ihrer Erlebnisse, die medizinische Hilfe erforderten, berichtet Valdez.

Systemisches Problem

Als Gollum entpuppten sich sowohl etablierte Forscher, wissenschaftliche Betreuer, Kollegen der eigenen Forschungsgruppe sowie Mitarbeiter konkurrierender Labore. Besonders betroffen waren laut der Befragung Forschende am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere und Personen aus benachteiligten Gruppen. Laut Valdez handele es sich um ein systemisches Problem, das durch den übertriebenen Wettbewerb um Positionen und begrenzte Mittel noch verstärkt würde.

Die Folgen können sowohl für einzelne Forscher als auch für die Wissenschaft insgesamt gravierend sein. So berichteten mehr als zwei Drittel der Betroffenen von erheblichen Karriereeinbrüchen. Viele konnten ihr Forschungsthema nicht weiterverfolgen oder mussten Forschungsgruppen oder -institute verlassen. Manche verabschiedeten sich gänzlich vom Wissenschaftsbetrieb.

Lediglich ein Drittel der Geschädigten gab an, sich zur Wehr gesetzt zu haben. Ein Fünftel der Befragten war so ehrlich zuzugeben, selbst – wenn auch oft unbeabsichtigt – ein Gollum-ähnliches Verhalten entwickelt zu haben. Wenn Wissenschaft zum feindseligen Umfeld würde, ginge es nicht nur um berufliche Rückschläge, sondern auch um nicht verwirklichte Ideen, zerstörtes Selbstvertrauen und verlorenes Potenzial, betont Co-Autor Sharma.

Bei der Befragung hatten die Teilnehmenden auch die Gelegenheit, Lösungsvorschläge für das Problem aufzuzeigen. Am häufigsten plädierten sie für die Sensibilisierung des Problems, die Belohnung ethischen Verhaltens und die Förderung einer Kultur der Offenheit und Zusammenarbeit. Zudem wurden institutionelle Reformen wie eine stabilere Finanzierung, besonders von Nachwuchsforschenden, Anreize für Teamarbeit und Mentoring sowie klare Richtlinien für Datenaustausch und Autorenschaft vorgeschlagen.

»Den Gollum-Effekt zu erkennen und zu benennen war der erste Schritt für uns Forscher, die das Phänomen in unserer akademischen Laufbahn selbst erlebt haben«, erläutert Valdez. »Wir möchten eine offene Diskussion anregen, die zu einer gerechteren und kollaborativeren Wissenschaft führt.«

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