GKV-Schätzerkreis rechnet mit weniger Defizit |
Ev Tebroke |
14.10.2022 12:30 Uhr |
Der Zusatzbeitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung soll im kommenden Jahr steigen. Möglicherweise aber nicht so stark, wie ursprünglich vom Bundesgesundheitsministerium prognostiziert. / Foto: Imago images/Kirchner-Media
Der sogenannte Schätzerkreis hat sich auf eine Prognose für die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2023 geeinigt. Die Runde setzt sich zusammen aus Vertretern des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS), dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem GKV-Spitzenverband. Die Schätzungen für das Jahr 2023 waren mit Spannung erwartet worden, angesichts eines bislang vorausgesetzten Finanzdefizits von rund 17 Milliarden Euro und daraus resultierenden umfassenden Sparplänen der Bundesregierung im Gesundheitsbereich. Die nun veröffentlichte Prognose zeichnet ein nicht ganz so drastisches Bild, wie befürchtet.
Hintergrund sind demnach die leicht höheren Reserven im Gesundheitsfonds. Damit könnten durch die gesetzlich vorgesehene Absenkung der Obergrenze der »Liquiditätsreserve« und Entnahme des überschießenden Betrags im nächsten Jahr zusätzliche gut 2 Milliarden Euro für die Finanzierung der laufenden Ausgaben verwendet werden, teilte der GKV-Spitzenverband mit.
Somit stellt sich aber die Frage, wer von der etwas robusteren Einnahmensituation profitiert. Denn das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das kommende Woche im Bundestag beschlossen werden soll, sieht an zahlreichen Stellschrauben im Gesundheitssystem Einsparungen vor, um das Finanzdefizit der GKV abzufedern. Neben einer geplanten Anhebung der Kassenbeiträge sieht das Gesetz auch einen zusätzlichen Bundeszuschuss von 2 Milliarden Euro an die GKV vor sowie einen Abbau von Finanzreserven bei den Kassen, einen Beitrag der Pharmaindustrie und der Wegfall einer Extra-Honorierung für Neupatienten in Praxen. Im Apothekenbereich ist eine auf zwei Jahre befristete Erhöhung des Kassenabschlags geplant von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro. 120 Millionen Euro will das BMG so auf Apothekenseite einsparen. Die Apotheker wehren sich massiv gegen diese Pläne. Sie sehen sich zu Unrecht und über Gebühr belastet. Auch aus anderen Bereichen hagelt es massive Kritik gegen die geplanten Sparmaßnahmen.
Wo könnten die frei gewordenen 2 Milliarden Euro nun hinfließen? Der GKV-Spitzenverband sieht Spielraum für die Beitragszahler. Demnach ergebe sich vor dem Hintergrund der Schätzung vorläufig ein rechnerischer durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz von 1,5 Prozent. »Damit könnte der Anstieg der Zusatzbeitragssätze mit durchschnittlich plus 0,2 Beitragssatzpunkten etwas geringer ausfallen, als bisher erwartet«, heißt es seitens des GKV-Spitzenverbands. Ursprünglich war das BMG mit seinen Berechnungen für das Spargesetz von 0,3 Prozentpunkten ausgegangen. »Jeder Euro zum Schließen der Finanzierungslücke, der nicht durch steigende Zusatzbeiträge finanziert werden muss, zählt für die Menschen«, so die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.
Der AOK-Bundesverband mahnt angesichts der etwas günstigeren Finanzprognose vor allzu großer Euphorie. Die Schätzung dürfe jetzt nicht zu falschen Schlüssen verleiten, sagte die Vorstandvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. Es sei zwar erfreulich, dass die Einnahmenentwicklung robuster ausfalle als zunächst befürchtet. Die Ampel-Koalition sollte jetzt aber nicht der Versuchung erliegen, Einsparpotenziale auf der Ausgabenseite nicht anzugehen.
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach wertet die Prognose als »gute Nachrichten für die gesetzlich Krankenversicherten«, hat aber offenbar andere Pläne mit dem nun offenbarten finanziellen Spielraum. Er will die Bundesfinanzen entlasten und das im Haushalt 2023 vorgesehene Darlehen an den GKV-Gesundheitsfonds einkassieren. »Wenn der Bundestag das Finanzstabilisierungsgesetz verabschiedet wie geplant, könnte auf das ursprünglich geplante Darlehen der GKV von 1 Milliarde Euro verzichtet werden«, teilte Lauterbach angesichts der Schätzerkreis-Berechnungen mit. Ein Darlehen, auf das man verzichte, müsse auch im nächsten Jahr nicht zurückgezahlt werden. Unnötige Schulden seien zu vermeiden. Lauterbach betonte zudem: »In diesem harten Winter müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Deshalb ist es unsere Pflicht, erst das System effizienter zu machen, bevor die Beiträge steigen.«
Das BMG wird nun auf Grundlage der Schätzerkreis-Prognose die Höhe der Zusatzbeiträge für das Jahr 2023 festlegen. Dies wird zum 1. November erwartet – also nach Verabschiedung des GKV-Spargesetzes.