GKV mit 6,2 Milliarden Euro Defizit |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält weitere Reformen für notwendig. / © IMAGO/Sven Simon
Ende Februar meldete die AOK, dass die Gesetzliche Krankenversicherung im vergangenen Jahr ein Defizit von mehr als sechs Milliarden Euro verzeichnet habe. Jetzt legt das Bundesministerium für Gesundheit offiziell die vorläufigen Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2024 vor. Den Krankenkassen fehlten demnach 6,2 Milliarden Euro.
Nach Angaben des BMG betrugen die Finanzreserven der Krankenkassen zum Jahresende 2024 nur noch 2,1 Milliarden Euro beziehungsweise rund 0,08 Monatsausgaben und entsprachen damit nicht einmal mehr der Hälfte der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben. Der Gesundheitsfonds verzeichnete im Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro. Die Liquiditätsreserve betrug zum 15. Januar 2025 rund 5,7 Milliarden Euro.
Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 320,6 Milliarden Euro standen 2024 Ausgaben in Höhe von 326,9 Milliarden Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 7,7 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag nach unterjährigen Anhebungen der Zusatzbeitragssätze zum Jahresende 2024 mit 1,82 Prozent oberhalb des Ende Oktober 2023 für das Jahr 2024 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 1,7 Prozent.
»Das hohe Defizit der Krankenkassen in 2024 und der starke Anstieg der Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn sind nicht nur Ergebnis eines inflationsbedingt hohen Anstiegs der Ausgaben für Personal und medizinische Leistungen. Sie sind auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Legislaturperioden versäumt wurde, das Gesundheitssystem zu modernisieren und die Strukturen für die Zukunft fit zu machen«, erklärt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einer Pressemitteilung.
Allein im Krankenhausbereich lag der Ausgabenanstieg nach Angaben des BMG im Jahr 2024 bei fast 9 Prozent beziehungsweise mehr als 8 Milliarden Euro. »Der Schlüssel zu stabilen GKV-Finanzen sind tiefgreifende Strukturreformen des Gesundheitswesens. Deswegen war es richtig, dass wir mit dem Digitalgesetz und der Krankenhausreform fundamentale Veränderungen angestoßen und wichtige Modernisierungsimpulse gesetzt haben«, so Lauterbach.
Doch der Minister hält noch weitere Maßnahmen für erforderlich. »Ergänzend dazu müssen wir gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie etwa die medizinische Versorgung von Bürgergeldbeziehenden kostendeckend aus Steuer – und nicht aus Beitragsmitteln finanzieren. Auch der Bundeszuschuss zur pauschalen Abgeltung versicherungsfremder Leistungen, der seit 2017 nicht mehr angehoben wurde, sollte regelhaft dynamisiert werden, um einer weiteren Entwertung entgegenzuwirken«, sagt Lauterbach. Mit Strukturreformen und Steuermitteln müsse verhindert werden, dass die Beitragssätze weiter steigen.
Alle Kassenarten wiesen im Jahr 2024 Defizite aus. Dieses betrug bei den Ersatzkassen 2,5 Milliarden Euro, bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen 1,6 Milliarden Euro, bei den Betriebskrankenkassen 1,4 Milliarden Euro, bei den Innungskrankenkassen 662 Millionen Euro, bei der Knappschaft 99 Millionen Euro und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse 22 Millionen Euro.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete im Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro. Das Defizit resultiert nach Einschätzung des BMG maßgeblich aus einer Maßnahme des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes: Durch die Absenkung der Obergrenze der Liquiditätsreserve wurden demnach 2024 insgesamt rund 3,1 Milliarden Euro an die Krankenkassen ausgeschüttet, um die Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen zu stabilisieren. Die Liquiditätsreserve betrug zum 15. Januar 2025 rund 5,7 Milliarden Euro.
Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Jahr 2024 im Vergleich zum Jahr 2023 um 5,6 Prozent. Verantwortlich für die hohen Zuwächse bei den Beitragseinnahmen sind laut BMG insbesondere inflationsbedingt kräftige Lohnsteigerungen.
Doch der Effekt der Mehreinnahmen verpuffte, da die Ausgaben in praktisch allen Bereichen stark anwuchsen. Besonders dynamisch war der Kostenanstieg laut BMG im Bereich der Arzneimittel, welcher unter anderem aufgrund der in 2024 ausgelaufenen Anhebung des Herstellerrabattes in 2023 um 9,9 Prozent (+5,0 Milliarden Euro) gewachsen ist. Die Brutto-Aufwendungen für Arzneimittel ohne Rabatte wuchsen gegenüber dem Vorjahr um rund 7 Prozent (+4,2 Milliarden Euro). Dies stellt den stärksten Anstieg seit über 10 Jahren dar.
Hervorzuheben ist die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Versorgungsform, stiegen die Leistungsausgaben für Arzneimittel im Rahmen der ASV um rund 30 Prozent beziehungsweise 723 Millionen Euro. Auch die Arznei- und Verbandmittel aus Versandhandel entwickelten sich sehr dynamisch (+59,7 Prozent oder 3+246 Millionen Euro).
Auch die Aufwendungen für ambulant ärztliche Behandlungen verzeichneten einen Anstieg von +6,3 Prozent beziehungsweise +3,0 Milliarden Euro. Stark überdurchschnittlich wuchsen dabei die Aufwendungen für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung durch Vertragsärzte und im Krankenhaus (+24,7 Prozent beziehungsweise +119 Millionen Euro) sowie in der hausarztzentrierten Versorgung (+11,2 Prozent beziehungsweise +214 Millionen Euro).
Das BMG weist darauf hin, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, zu einem gewissen Grad noch von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig nur teilweise vorliegen.