Gibt es ein »Recht auf Unerreichbarkeit«? |
Nach Feierabend oder am Wochenende: Mal eben den Arbeitnehmer wegen einer Dienstplan-Änderung kontaktieren? / © IMAGO/YAY Images
Ein Fall, wie er in der Praxis nicht selten vorkommt: Der Apothekeninhaber fertigt einen Dienstplan zur Einteilung der Belegschaft an und kurzfristig ergibt sich an der ein oder anderen Stelle der Bedarf zur spontanen Änderung. Der Apothekeninhaber kontaktiert die Arbeitnehmer, die von der Änderung betroffen sind, via SMS auf deren Privathandy. Dabei ist es für ihn unerheblich, ob die Kenntnisnahme in der Freizeit oder während Urlaubszeiten der Arbeitnehmer erfolgt.
Wann sind solche Weisungen zumutbar? Darf der Arbeitgeber die Kenntnisnahme von Weisungen außerhalb der Arbeitszeit verlangen? Und hat der Arbeitnehmer die Pflicht zum Befolgen dahingehender Weisungen?
Einen ähnlich gelagerten Fall hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden. Konkret beschäftigte es sich mit der Frage: Gibt es ein Recht des Arbeitnehmers auf Unerreichbarkeit (BAG, Urteil vom 23. August 2023, 5 AZR 349/22).
Gemäß § 106 S. 1 Gewerbeordnung (GewO), die das Weisungsrecht des Arbeitgebers betrifft, obliegt es grundsätzlich dem Arbeitgeber neben dem Inhalt und dem Ort auch die Zeit der Arbeitsleistung zu bestimmen, sofern konkrete Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag näher bestimmt sind. Sofern der Arbeitgeber also in einem Arbeitsvertrag die Festlegung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers konkretisiert hat (etwa: »(…) dass die Arbeitszeit von Montag bis Freitag, jeweils von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr verteilt ist(…)«), so kann er einseitig keine andere Verteilung anweisen.
Beinhaltet der Arbeitsvertrag jedoch lediglich eine Angabe des Umfangs von Wochenarbeitszeiten, so obliegt es dem Arbeitgeber, die konkrete Verteilung durch eine individuelle Dienstplangestaltung zu organisieren.
Im Fall vor dem BAG wurde der Arbeitnehmer vonseiten seines Arbeitgebers während seiner Freizeit per SMS kontaktiert. Ihm wurde mitgeteilt, dass er kurzfristig zu einem neuen Dienst eingeteilt worden sei. Der Arbeitnehmer erschien jedoch nicht rechtzeitig zu Dienstantritt und wurde daraufhin durch den Arbeitgeber abgemahnt. Grundlage zur Weisung des Arbeitgebers war hier, dass eine Betriebsvereinbarung festgelegt hatte, dass »einzelne Arbeitnehmer kurzfristig (…) bis 20 Uhr des Vortags in Bezug auf die zeitliche Lage des Dienstes weiter kontaktiert werden konnten«.