Gewalt in vielen Praxen mindestens ein Mal im Monat |
Cornelia Dölger |
09.07.2025 14:02 Uhr |
Nach einer Umfrage unter seinen Mitgliedern fordert der Ärzte-und Psychotherapeutenverband Medi Baden-Württemberg mehr Schutz der Praxisteams vor Gewalt. / © Adobe/Doodeez
Aggressive und sogar gewaltbereite Patientinnen und Patienten sind für Heilberufler ein wachsendes Problem, der Trend ist kein neuer. Hilferufe von Ärzteverbänden, die auf die zunehmende Gewalt in Praxen hinweisen und mehr Schutz für die Mitarbeitenden fordern, reißen nicht ab. Das Thema Gewalt im Gesundheitswesen beschäftigte auch die Politik; schon die Ampelkoalition hatte eine Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf dem Tisch, Vertragsärzte neben Feuerwehr- und Rettungsdienstpersonal als weitere Berufsgruppe in §115 Strafgesetzbuch (StGB) aufnehmen zu lassen und tätliche Angriffe unter Strafe zu stellen.
Nach einer Umfrage unter seinen Mitgliedern hat der Ärzte-und Psychotherapeutenverband Medi Baden-Württemberg das Thema erneut aufgebracht. Auch er fordert mehr strafrechtlichen Schutz für die Mitarbeitenden. 67 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie Erfahrungen mit verbaler Gewalt gemacht haben, 16 Prozent haben sowohl verbale als auch körperliche Gewalt bereits in ihrer Praxis erlebt. Gewalterfahrungen kämen laut der Untersuchung bei mehr als der Hälfte der Befragten regelmäßig mindestens einmal im Monat vor, bei fast jeder fünften Praxis sogar zweimal bis viermal im Monat, heißt es in einer Mitteilung des Verbands.
Die Ursachen für die steigende Gewaltbereitschaft sehen laut der Umfrage ein Drittel der Befragten in der zunehmenden Respektlosigkeit der Patientinnen und Patienten. Hinzu kämen steigender Versorgungsdruck und die Anspruchshaltung der Patientinnen und Patienten. Mediziner Johannes D. Glaser, der als Berater die Umfrage für den Verband durchführte, sieht zudem Politik und Kassen in der Verantwortung.
Die Politik vermittle den Bürgern, dass die Gesundheitskarte »eine Flatrate« sei. Eine »Einladung zur Respektlosigkeit« sei zudem das von Politik und Kassen betriebene »Ärzte-Bashing«, so Glaser. Dieses hätten 13 Prozent der Befragten als Grund für die Entwicklung angegeben. Ärztemangel und die immer knappere Behandlungszeit führen überdies zu Frustrationen. Allein in Baden-Württemberg fehlten aktuell rund 1.000 Hausärztinnen und Hausärzte, heißt es vom Medi-Verband. Der Verband hat rund 5000 Mitglieder, an der Umfrage nahmen 140 Praxen aus ganz Baden-Württemberg teil.
Dass auch Apothekenteams nicht vor Wut und Aggressionen der Patientinnen und Patienten geschützt sind, ergab unlängst auch eine bundesweite Umfrage des Informationsdienstleisters Marpinion im Auftrag der PZ. Befragt wurden 2.480 Teilnehmer aus 744 Apotheken. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Befragten (56,3 Prozent) war in der Apotheke schon einmal verbalen und/oder körperlichen Übergriffen von Kunden ausgesetzt. Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen hätten deutlich zugenommen.
Dies bleibt nicht ohne Folgen. Die Teams leiden unter der Aggression, haben teils Coachings zur Bewältigung kritischer Situationen oder technische Schutzvorrichtungen etabliert. Auch der Medi-Verband berichtet von der psychischen Belastung der Mitarbeitenden: 39 Prozent der Befragten gaben demnach eine anhaltende psychische Belastungen nach Gewalterfahrungen an, elf Prozent sogar die Notwendigkeit einer eigenen ambulant ärztlichen Behandlung.