Gesundheitsversorgung muss für alle zugänglich sein |
In vielen Großstädten sind solche mobilen Arztpraxen zu wohnungslosen Menschen unterwegs wie hier in Hannover. Sie sind häufig der einzige Zugang zu einer Gesundheitsversorgung. / Foto: imago stock&people
Viele Projekte der Hilfsorganisation mit Sitz in München sind im Ausland angesiedelt. Doch Apotheker ohne Grenzen setzt sich auch in Deutschland selbst für eine bessere Arzneimittelversorgung ein, unter anderem seit 2013 für Obdachlose und Menschen ohne Krankenversicherung. Aktuell kooperiert AoG in Deutschland in vier Projekten mit anderen Hilfsorganisationen, in Berlin, Frankfurt am Main, Mainz und München sowie weiterhin im Ahrtal und Umgebung aufgrund der Flutkatastrophe im Sommer 2021. »Mit großer Sorge sehen wir einen stetig steigenden Bedarf an der Finanzierung von Arznei- und Hilfsmitteln und Verbandsstoffen«, berichten die Mitglieder aus den Ambulanzen.
Im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung hat der Verein nun erstmals in seiner über 20-jährigen Vereinsgeschichte eine Resolution verabschiedet, damit nicht mehr täglich Menschen von der regulären Gesundheitsversorgung in Deutschland ausgeschlossen werden.
»Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V. fordert mit der Resolution staatliche Akteure und Politiker:innen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene, sowie die Zivilgesellschaft dazu auf die nachfolgenden vier Maßnahmen umzusetzen:
Die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und die Versorgung mit Arzneimitteln für Menschen ohne Zugang zum regulären Gesundheitssystem darf nicht länger von ehrenamtlichen Strukturen, humanitären Trägern und Spenden abhängig sein. Wir fordern den Ausbau und eine ausreichende und langfristige Finanzierung von niedrigschwelligen Gesundheitsstrukturen und -leistungen und die Möglichkeit einer leitliniengerechten Versorgung mit Arzneimitteln für alle Menschen.
Barrieren des Zugangs zur gesundheitlichen Regelversorgung, wie zum Beispiel sprachliche und bürokratische Hürden, müssen abgebaut und die Möglichkeiten der Aufnahme und Wiederaufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung erleichtert werden. Zudem fordern wir bundeseinheitliche und bürokratiearme Lösungen für die Finanzierung und das Betreiben von Clearingstellen, für eine adäquate Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden, sowie eine bürokratiearme Kostenübernahme von Arznei- und Hilfsmitteln für Menschen, die (noch) nicht gesetzlich krankenversichert sind.
Besondere Bedarfe von obdach- und wohnungslosen Menschen und anderen betroffenen Personengruppen müssen bekannt sein, um adäquat Unterstützung anbieten zu können. Wir fordern deshalb mehr Datenerhebungen und -auswertungen, auch von öffentlichen Stellen. Die Dunkelziffer an Menschen, die durch das Versorgungsraster der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung fallen ist hoch – regionale Fallzahlen und Statistiken zu häufig prävalenten Erkrankungen sind kaum vorhanden.
Informationen über die Versorgungsmöglichkeiten für Menschen ohne Zugang zur gesundheitlichen Regelversorgung müssen transparent und für jeden zugänglich sein. Hierfür müssen niedrigschwellig Informationen zum Beispiel als mehrsprachige Flyer und Broschüren und digital zur Verfügung stehen.
Wir fordern eine flächendeckende Umsetzung dieser Informationsangebote unter Beteiligung zahlreicher Gesundheitsstellen, auch Apotheken, um einen direkten Zugang zu diesem Wissen zu ermöglichen. Jede Apotheke, ärztliche Praxis, Klinik und weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens sollten über die eigenen Möglichkeiten der Versorgung und über weitere Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung in ihrer jeweiligen Stadt oder Region informiert sein.
Gesundheitsversorgung muss für alle Menschen in Deutschland zugänglich sein!«
Auch wenn der Verein fordert, die Gesundheitsversorgung dieser Menschen dürfe nicht von ehrenamtlichen Strukturen abhängig sein, will sich AoG weiterhin haupt- und ehrenamtlich engagieren, über die Thematik weiter aufklären und seine Forderungen und pharmazeutische Fachkompetenz in relevanten Gremien einbringen.
Im Zusammenhang mit der Resolution verweist der Verein auch auf einen kostenlosen Online-Vortrag zum Thema »Menschen ohne Krankenversicherung – Projektarbeit in Deutschland« am 22. Mai um 19:00 Uhr.