Gesundheitsministerin Gerlach gegen Kontaktgebühr |
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) lehnt eine Kontaktgebühr mit Einbezug der Lebenssituation chronisch Kranker ab. / © André Wagenzik
Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber-Bundesvereinigung, Steffen Kampeter, hatte sich angesichts steigender Zusatzbeiträge bei den Krankenkassen für eine Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch ausgesprochen. Eine solche Gebühr könne eine stärkere Patientensteuerung herbeiführen und »Ärzte-Hopping« begrenzen, argumentierte er. Kampeter erhielt für den Vorschlag breiten Widerspruch unter anderem von Hausärztinnen und Hausärzten, Patientenschützenden und Gewerkschaften.
Die von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände angeregte Kontaktgebühr für gesetzlich Versicherte bei dem Besuch von Arztpraxen ist nach Einschätzung Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach nicht sinnvoll. »So hat der Hausärztinnen- und Hausärzteverband zu Recht darauf hingewiesen, dass dies eine zu starke Belastung vor allem für chronisch Kranke bedeuten würde.« Bei der Finanzierung von Krankenversicherung und Pflegeversicherung gehe es im Kern darum, eine faire und ausgewogene Lastenverteilung zwischen Beitragszahlenden und der Gesamtgemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu finden.
Stattdessen fordert Gerlach andere Maßnahmen zur Stabilisierung der finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenversicherung. »Wichtig sind dabei auch kurzfristig wirkende Schritte«, betonte Gerlach. So müssen künftig deutlich höhere Bundeszuschüsse zu versicherungsfremden Leistungen gezahlt werden. »Denn die massiven Beitragssteigerungen der letzten Jahre dürfen sich nicht fortsetzen.«
Laut dem »Zi-Trendreport« des Zentralinstituts kassenärztliche Versorgung (Zi) kann die Behauptung Kampeters, dass es »unnütze Arztbesuche« gäbe, nicht bestätigt werden. Das Zi berichtet von insgesamt 579 Millionen Behandlungsfällen in der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung. Gegenüber 2023 seien die Zahlen damit um vier Millionen (0,6 Prozent) minimal angestiegen. Bei den Fachärztinnen und Fachärzten seien 2024 insgesamt 328 Millionen Fälle dokumentiert worden (+0,9 Prozent), in der hausärztlichen Versorgung insgesamt 188 Millionen Behandlungsfälle und damit gleichviele Fälle wie im Jahr 2023.
Die Bundesärztekammer bestätigt in ihrem aktuellen Konzeptpapier »Koordination und Orientierung in der Versorgung« einen rapiden Anstieg der wohl teilweise unnötigen Inanspruchnahme der Notfallversorgung in Deutschland: »In der Akut- und Notfallversorgung stiegen die Patientenzahlen in zehn Jahren (2009–2019) von 24,9 Millionen auf 27,8 Millionen (+ 12 Prozent)«, heißt es dort. In der Regelversorgung befinde sich Deutschland im europäischen Vergleich im Spitzenbereich, jedoch könne damit die Unterstellung des »Ärzte-Hopping« nicht bestätigt werden: »: Für viele Menschen ist die fehlende Koordination, vor dem Hintergrund zunehmend komplexer Krankheitsbilder, Krankheitsverläufe und Behandlungsmöglichkeiten, eine kaum zu bewältigende Herausforderung«, schreibt die Bundesärztekammer.