Gesund gehen – mit Takt und Tradition |
Jennifer Evans |
15.07.2025 07:00 Uhr |
Keine Geräte, kein Studio, nur eine Stoppuhr und ein bisschen Platz: Japanese Walking bekommt immer mehr Fans. / © Adobe Stock/ChayTee
Ein neuer Fitness-Trend sorgt derzeit im Internet für Aufsehen: »Japanese Walking« verspricht positive gesundheitliche Effekte mit wenig Aufwand. Das Prinzip? Gehen in Intervallen – drei Minuten zügig, drei Minuten locker, insgesamt eine halbe Stunde, viermal pro Woche. Entwickelt haben die Methode Professor Hiroshi Nose und Associate Professor Shizue Masuki an der Shinshu-Universität in Matsumoto.
Das Tempo wird bewusst variiert. Die schnellen Phasen sollen so anstrengend sein, dass Sprechen zwar möglich ist, längere Gespräche aber nicht. In den langsamen Abschnitten soll das Gehen dagegen angenehm leicht, aber nicht völlig mühelos geschehen. Damit ähnelt es einem abgeschwächten High Intensity Interval Training. Drauf weist Dr. Sean Pymers auf der Wissenschaftsplattform »The Conversation« hin. Er ist Sportphysiologe an der Hull York Medical School.
Die Wirkung des Japanese Walking sei belegt, berichtet er. Gemessen an 8000 Schritten pro Tag schnitt das Intervallgehen bereits in einer älteren japanischen Studie besser ab als kontinuierliches Gehen. Teilnehmende reduzierten ihr Körpergewicht, senkten den Blutdruck und verbesserten ihre Beinkraft. Auch eine Langzeitstudie ergab: Die Methode kann helfen, dem altersbedingten Kraftverlust vorzubeugen.
Doch es bleibt die Frage, was am Ende mehr bringt: Methode oder Regelmäßigkeit? Studien deuten laut Pymers darauf hin, dass die Häufigkeit und Intensität körperlicher Aktivität den Ausschlag geben, nicht das Format.
Neu ist es nicht, dass Spazierengehen wegen seiner körperlichen und geistigen Vorteile hochgelobt wird. Schon seit Jahrhunderten gehen Menschen spazieren. Unter anderem auch die Romanheldinnen der britischen Schriftstellerin Jane Austen. Noch dazu kommunizieren ihre Frauenfiguren mit jedem Schritt, wie Nada Saadaoui hervorhebt. Sie ist Doktorandin an der Universität Cumbria und forscht daran, wie das Wandern und Spazieren in Austens Werk sowohl als praktischer als auch als symbolischer Akt fungiert. Hinter dem Gehen stecken nämlich oft Flucht, Selbstverwirklichung oder die Sehnsucht nach Natur oder dem Treffen mit einem Verehrer.
Literarisch markierten die Spaziergänge in Austens Werken oft Wendepunkte im Leben der Frauen wie bei Elizabeth Bennet (»Stolz und Vorurteil«), Jane Fairfax (»Emma«), Catherine Morland (»Die Abtei von Northanger«) oder Anne Elliot im gleichnamigen Roman.
In einer Welt, die seinerzeit auf festen Regeln und traditioneller Beständigkeit beharrte, ist das Gehen nach Saadaouis Auffassung ein radikaler Akt des Widerstands gewesen. Für Austens Heldinnen begann die Unabhängigkeit zu Fuß. Spazieren bedeutete, seine eigenen Bewegungen kontrollieren, seine Autonomie bewahren und der permanenten gesellschaftlichen Beobachtung entfliehen zu können.
Auch die Autorin selbst gab laut Saadaoui in ihren Briefen einmal zu, eine »verzweifelte Wanderin« zu sein, die sich selten von Wetter, Gelände oder Anstand abschrecken ließ. Das klang schon sehr nach regelmäßigem Training für Körper und Seele, oder?