Gesetzesflut verliert sich in Kleinteiligkeit |
ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz gab beim Deutschen Apothekertag einen Rundum-Blick zur Verbandsarbeit. / © PZ/Alois Müller
Nach dem Grußwort des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) und der Rede der ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening gab Sebastian Schmitz, Hauptgeschäftsführer der ABDA – Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände einen Überblick über die Arbeit des Verbands.
Dominierendes Thema war das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), das im vergangenen Jahr viel Aufmerksamkeit des Berufsstandes auf sich gezogen hat, sagte Schmitz in seinem Bericht. Nicht übersehen dürfe man aber die »Flut an Gesetzesvorhaben« des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), die diesem noch folgen könnte. In diesen versteckten sich neue Leistungen, die von Apothekerinnen und Apothekern erbracht werden sollten, die mit der Arzneimittelversorgung »allenfalls noch einen losen Zusammenhang« aufwiesen, so Schmitz.
Als Beispiele nannte er weitere Leistungen in der Prävention etwa im Gesundes-Herz-Gesetz, Bestimmung von Messwerten, Beratung zu digitalen Anwendungen und telemedizinischen Leistungen, Ausstellung von digitalen Zertifikaten, Auskünfte und Hilfestellungen zum Umgang mit Medikationsplänen und geplante Ausweitung von Impfungen.
Insgesamt seien diese Vorhaben zwar unterstützenswert, weil sie die Position der Apotheken als niedrigschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem stärken – ausreichend Personal und angemessene Vergütung unterstellt – und auch zur Gesamthonorierung beitragen könnten. Es fehle aber der Blick auf das Wesentliche: die Arzneimittelversorgung, kritisierte Schmitz.
Hier könnte man mit Änderungen zur Honorierung, Einführung des interprofessionellen Medikationsmanagements (etwa durch einen ARMIN-Nachfolger) und durch Aktualisierung der Retaxationsregelungen bestehende Probleme lösen. Stattdessen versuche das BMG Probleme zu lösen, die es nicht gibt, so Schmitz. Mit dem Notfallversorgungsgesetz etwa sollten integrierte Notfallzentren eingeführt werden, in denen – unter bestimmten Bedingungen – Arzneimittel für den akuten Bedarf an Patienten abgegeben werden dürfen, obwohl bei der Notfallversorgung keine Probleme bestehen.
Auch die Gesetzesvorhaben auf der europäischen Ebene beschäftigten die ABDA, berichtete der Hauptgeschäftsführer. Von Interesse ist etwa das sogenannte Pharmapaket, das in den kommenden Monaten im EU-Parlament beraten werden wird. »In diesem Paket befinden sich insbesondere eine komplette Neufassung der EU-Arzneimittelrichtlinie und der Zentralen Zulassungsverordnung sowie ein Maßnahmenprogramm zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen.« Es zeichne sich ab, dass die Apothekerschaft mit einigen Forderungen Erfolg haben könnte, etwa dabei, den ausnahmslosen Ersatz von gedruckten Packungsbeilagen durch elektronische Versionen zu verhindern.
Neben den deutschen und europäischen Gesetzesvorhaben hat die ABDA auch noch andere Themen im Blick, etwa die pharmazeutischen Dienstleistungen, die noch nicht in gewünschtem Umfang in Anspruch genommen werden würden. Die ABDA werde sich weiterhin darum kümmern, dass die Dienstleistungen möglichst leicht in den Apothekenalltag zu integrieren sind, so Schmitz. Das Geld für deren Honorierung stünde bereit und das Interesse auf Seiten der Patienten sei vorhanden.
Viel Einwand, auch auf Seiten der Apotheken vor Ort, habe auch die Einführung des elektronischen Rezeptes Anfang 2024 erfordert. Zum einen mussten Startschwierigkeiten mit der neuen Technik behoben werden. Zum anderen sollte den Patienten verdeutlicht werden, dass das E-Rezept kein Instrument des Onlinehandels ist, sondern für die Apotheke vor Ort ist. Hierzu hatte die ABDA mehrere Kampagnen gestartet.
Unmut äußerte Schmitz im Hinblick auf die GKV-Verhandlungen. Zwar habe es einzelne gütliche Einigungen gegeben. Zunehmend akzeptiere der GKV-Spitzenverband aber selbst Entscheidungen der Schiedsstelle nicht, sondern ziehe dagegen vor Gericht. Es wäre wünschenswert, wenn die Krankenkassenseite ihre roten Linien und Kompromissgrenzen einmal grundsätzlich überdenken würde, so der Hauptgeschäftsführer.
Trotz der angespannten Situation engagiere sich die ABDA auch beim Thema Nachhaltigkeit. Als Beispiel führte Schmitz die BAK-Fortbildung »Klima, Umwelt und Gesundheit« an. Zudem beteilige sich die ABDA am Klimapakt Gesundheit des BMG und an der Dialogplattform »Ressourceneffizienz im Gesundheitswesen«.
Bei der Öffentlichkeitsarbeit musste die ABDA einige Flexibilität zeigen, berichtete Schmitz. Während sie sich zunächst auf die sinkenden Apothekenzahlen und die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen für Apotheken konzentriert hatte, musste sie ab dem Vorliegen der Reformpläne verstärkt die Strukturen der Arzneimittelversorgung erklären. Durch zahlreiche Politikergespräche in Apotheken sei es gelungen, einen starken politischen Gegenwind gegen die BMG-Pläne zu entfachen, berichtete Schmitz unter Applaus. Auch die Nachwuchswerbung mit im vergangenen Frühjahr gestarteten Kampagnen in neuem Kommunikationsstil laufe erfolgreich. Die Zugriffe auf das Karriereportal stiegen Monat für Monat an und die verantwortliche Agentur sei für diese Filmserie bei dem europäischen Wettbewerb »Cannes Corporate Media & TV Awards« ausgezeichnet worden.
Aber nicht nur nach außen, sondern auch nach innen habe sich der Blick der ABDA gerichtet. So überprüfte sie die eigene Verbandsstruktur, um sie effizienter zu machen. In der folgenden Organisationsreform wurden vor allem die Prozesse der Entscheidungsfindung und der damit verbundenen internen Kommunikation verbessert; die Gremienstruktur bei ABDA, Bundesapothekerkammer und Deutschem Apothekerverband wurde erneuert und verschlankt. Die entsprechenden Änderungen sollen zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten, berichtete Schmitz.
In der anschließenden Diskussion ging es auch um das Ident-Verfahren, bei dem Apothekenteams in Zukunft Versicherte identifizieren können, damit diese etwa E-Rezepte nutzen können. Die Einführung des Verfahrens stehe bei der Gematik demnächst als realisationsfähige Maßnahme an, berichtete Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA. Zu den Bedingungen oder der Honorierung könne sie noch nichts sagen.
Die ABDA habe zu diesem Verfahren Anfang dieses Jahres Vorschläge an das BMG geschickt. »Die ABDA steht in den Startlöchern, wir warten jetzt auf das Signal des BMG«, so Korf. Das Ident-Verfahren werde aber eine Kann-Leistung sein, Apotheken müssten diese nicht anbieten. Die Apothekerschaft sieht Korf für diese Aufgabe aber technisch sehr gut aufgestellt.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.