»Geschlechtsspezifische Unterschiede müssen viel mehr in die Praxis« |
| Melanie Höhn |
| 11.11.2025 10:30 Uhr |
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will in ihrem Ministerium einen Schwerpunkt auf geschlechtsspezifische Inhalte legen. / © PZ/Melanie Höhn
Zwei ihrer Hauptanliegen trug Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gestern bei der Herbsttagung der Healthcare Frauen vor: zum einen die »Sicherstellung einer wirklich hochwertigen, menschlichen, bezahlbaren Gesundheitsversorgung und auch Pflege für jeden Menschen« sowie die Vernetzung, Unterstützung und Förderung von Frauen.
Ein zentraler Kernpunkt sei für sie die Förderung von Frauengesundheit, sagte Warken bei der Tagung. »Es sollte uns allen klar sein: Frauengesundheit ist kein Nischenthema. Ist es schon lange nicht mehr und sollte es auch nicht mehr sein, sondern Frauengesundheit gehört ins Zentrum der gesundheitspolitischen Verantwortung.«
Frauen hätten andere Gesundheitsbiografien, andere Symptome und oft auch andere Bedürfnisse und Belastungen als Männer. »Und sie verdienen eine Versorgung, die das alles berücksichtigt, die das misst und wirksam adressiert, weil Gleichbehandlung eben nicht gleiche Behandlung heißt an der Stelle«, erklärte Warken. »Und das müssen wir wirklich herausstellen.« Frauen würden sich in den Familien um das Thema Gesundheit kümmern, aber wenn es um Frauengesundheit an sich gehe, seien Frauen nicht diejenigen, um die sich alles drehe. »Weil beim Thema Forschung und beim Thema Medikamente Frauenaspekte einfach viel zu lange zu wenig eine Rolle gespielt haben.«
Deswegen habe das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Schwerpunkt auf geschlechtsspezifische Inhalte gelegt und wolle diese noch viel stärker in die medizinische Ausbildung und in die berufliche Fortbildung integrieren, damit die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Krankheitsverläufen, Diagnostik und Therapie besser erkannt und berücksichtigt würden, sagte Warken. Die Ministerin wolle darüber hinaus auch ein Förderprogramm zum Thema Frauengesundheit auf den Weg bringen – die Grundlage sei schon im Koalitionsvertrag angelegt worden.
Derzeit gebe es dazu laufende Haushaltsverhandlungen. Auf dem Weg zur angestrebten geschlechtssensiblen Ausgestaltung von Vorsorge, Behandlung und Forschung soll mit diesem Programm dann eine Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse in jedem Lebensabschnitt aller Geschlechter sichergestellt werden. Beispiele dafür seien die Wechseljahre oder spezifische Krankheitsbilder wie Endometriose.
Zum Thema Wechseljahre starte das BMG in diesem Monat einen »nationalen Dialogprozess« mit Fachgesellschaften, Sozialpartnern, Krankenkassenleistungserbringern, Forschenden und Fraueninitiativen kläre gemeinsam, wo es akuter Handlungsbedarf gebe. Für Warken steht fest: »Die Erkenntnisse zu geschlechtsspezifischen Unterschieden müssen vielmehr in die Praxis kommen und in der Praxis ankommen.« Entscheidend sei die Sensibilisierung von Fachkräften – »und zwar von Anfang an«.
Warken hob weiterhin hervor, dass der Blick auf den Status quo deutlichen Handlungsbedarf zeige: »Drei Viertel der Beschäftigten und Auszubildenden in den Berufen des Gesundheitswesens sind Frauen«, sagte sie. Doch die hohe Frauenquote spiegele sich »noch lange nicht annähernd in den Führungspositionen wider«. Bei den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen seien Frauen »leider nach wie vor immer noch stark unterrepräsentiert«.
Die Problematik sei nicht neu, aber in den vergangenen Jahren sei an dieser Stelle schon einiges erreicht worden: Fortschritte bei der Frauenförderung habe es durch die gesetzliche Maßnahmen wie das Führungspositionen-Gesetz 2021 gegeben, als Geschlechterquoten für die Wahlen der Verwaltungsräte der Krankenkassen und des GKV-Spitzenverbands eingeführt worden seien. Zudem seien Besetzungsregeln zur Stärkung der Genderparität für die Verwaltungsräte der medizinischen Dienste der Länder, für den Verwaltungsrat des medizinischen Dienstes des Bundes, aber auch für den Lenkungs- und Koordinierungsausschuss beim GKV-Spitzenverband festgelegt worden. »Danach folgten Regelungen, mit denen die Repräsentanz von Frauen in den Führungsgremien der Organisation der ärztlichen Selbstverwaltung auch gestärkt wurde«, so Warken.
Für die Umsetzung all dieser Regelungen brauche es noch einen langen Atem. »Ich glaube, wir müssen uns vielmehr noch auf den Weg machen, diese Dinge vom Papier auch in die Realität zu übertragen und es auch immer wieder anmahnen«, forderte die Ministerin. In der Koalition habe man sich darauf geeinigt, den Weg zur Stärkung der Frauen in Führungspositionen fortzusetzen. »Und dort, wo Frauen in Führungspositionen noch nicht angemessen vertreten sind, soll eben auch nachgesteuert werden«, so Warken. Verstöße gegen Vorgaben zu den Zielgrößen müssten künftig auch konsequent sanktioniert werden.
Zudem forderte die Ministerin bessere Rahmenbedingungen für mehr Frauen in Spitzenpositionen, unter anderem bessere Kinderbetreuung, die Überwindung des Gender-Pay-Gaps, die familiengerechte Ausrichtung von Arbeitszeit und Arbeitsort, Stichwort flexible Arbeitszeit oder Homeoffice sowie Möglichkeiten des Job-Sharings auch in Führungspositionen und die verstärkte Nutzung digitaler Sitzungsformate. »Und man muss einfach langsam begreifen, dass die Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen auch ein Qualitätsmerkmal und ein Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt sind.«
Es gehe vorrangig auch darum, bei der Bewältigung der »wirklich drängenden Probleme des Gesundheitssystems« auch die Perspektive der Frauen, ihre spezifischen Kompetenzen und Erfahrungen mit einzubringen. »Vielleicht kann sich auch durch mehr Frauen in Führungspositionen an der einen oder anderen Stelle eben auch die Führungskultur verändern lassen, hin zu mehr Wertschätzung und mehr Teamorientierung«.