Gerlach: Reform neu denken |
Cornelia Dölger |
09.10.2024 17:08 Uhr |
»Apotheken brauchen ein Zeichen des Bundes, dass man gewillt ist, Reformen gemeinsam anzugehen«, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) beim »PZ Nachgefragt« in München. / © PZ/Alois Mueller
Auf die Frage von PZ-Chefredakteur Alexander Müller, was Apotheken jetzt bräuchten, sagte Gerlach: »Sie brauchen ein Zeichen der Bundesregierung, dass man gewillt ist, Reformen gemeinsam anzugehen.« Lauterbach hatte zuvor in einem digitalen Grußwort an die Delegierten des Apothekertags seine Reformpläne verteidigt und eingeräumt, bei bestimmen Themen bestehe ein »Dissens« zwischen ihm und der Apothekerschaft.
Es gelte, die Apothekenreform »neu und vor allem mit der Apothekerschaft zu denken«, forderte Gerlach auf der Pharmaworld-Bühne. Wenn eine Reform reüssieren und mitgetragen werden solle, brauche sie eine breite Basis. Und bis die Reformen umgesetzt würden, müssten Brücken gebaut werden – anders als zum Beispiel bei der geplanten Honorarreform im Entwurf des Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG), nach dem das Fixum von Apotheken und Kassen verhandelt werden soll, allerdings erst ab 2027.
Das Aufgabenfeld von Apotheken müsse erweitert werden. Prävention sei »ein Riesenthema«, da könnten Apotheken einen entscheidenden Beitrag leisten. Im Übrigen müssten die Menschen den Mehrwert der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) anerkennen, die jetzt schon angeboten würden – diese seien noch nicht bekannt genug.
Digitale Möglichkeiten müssten sinnvoller genutzt werden, so die vormalige bayerische Digitalministerin. Etwa bei der Stecklösung fürs E-Rezept oder auch bei Hochpreisern, die für Apotheken ein wachsendes Problem darstellen, vor allem weil ihre Zwischenfinanzierung die Betriebe belastet.
Dass die Apotheken üblicherweise bis zu vier Wochen auf eine Erstattung der teuren Präparate warten müssten, könne nicht angehen. Die Ministerin schlug hier eine Art KI-gestützte Direktabrechnung vor. »Da wäre mehr Digitalisierung eine super Geschichte.«
Andererseits sei Digitalisierung auch nicht das Allheilmittel. Der Fokus in der Diskussion um die Apothekenreformpläne liege zu stark auf der Telepharmazie. »Wir tun so, als könnten wir mit Telepharmazie das System der Apotheken retten, können wir aber nicht.«
Ob der Minister seine Reform in der jetzigen Form durchs Kabinett bringen kann, vermochte Gerlach nicht einzuschätzen. Vieles spricht in der Tat dagegen; zu viele Streitpunkte beinhaltet das Vorhaben noch. Andererseits habe Lauterbach ja auch seine umstrittene Klinikreform vorangetrieben: Gestern hat sich die Ampel auf einen entsprechenden Entwurf geeinigt, der kommende Woche ins Parlament soll. »Hätte ich auch nicht gedacht, aber er tut`s«, so Gerlach.
Gefragt nach der Möglichkeit, ob etwa die geplanten »Apotheken ohne Apotheker« im Fall einer möglichen Regierungsbeteiligung der Union zurückgedreht werden könnten, blieb die Juristin vage. Entscheidend sei in diesem Fall, »wie weit die Dinge dann vorangeschritten sind«. Gerlach betonte: »Ich würde nie sagen, dass man dann das Rad komplett zurückdrehen kann.« Allerdings: »Nachjustieren und öffnen kann man immer.«
Bei Reformvorhaben gelte es, sektorenübergreifender zu denken. Jede Reform im Gesundheitswesen betreffe immer mehr als nur einen Bereich, das zeige aktuell die Krankenhausreform, die auch in die ambulante Versorgung eingreife. Vorbildlich nannte sie in dieser Hinsicht Dänemark, wo es Usus sei, bei Reformen »ideologiebefreit« miteinander zu diskutieren.