Gericht weist Teleclinic in die Schranken |
Cornelia Dölger |
21.07.2025 16:46 Uhr |
Das Sozialgericht München hat wesentliche Teile des Geschäftsmodells von Teleclinic in der vertragsärztlichen Versorgung verboten. / © Imago/Dreamstime
Gefühlt gibt es derzeit täglich neue Gerichtsentscheidungen mit Bezug zu Versandapotheken, zuletzt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. Juli zu Rx-Boni, das Doc Morris und Co. beschied, dass ihre Bonuspraxis legitim ist – allerdings auf der Grundlage einer alten Rechtsprechung. Die nächste wichtige Entscheidung zu Bonusmodellen der Versender steht beim BGH Ende Juli an.
Schon Ende April verwies das Sozialgericht München Doc Morris über seine Konzerntochter Teleclinic allerdings in die Schranken. Das Gericht verbot dem Telemedizinanbieter laut dem Urteil vom 29. April wesentliche Teile seines Geschäftsmodells sowie seiner Vergütungsstruktur. Betroffen ist demnach die vertragsärztliche Versorgung. Das Gericht hat an etlichen Aspekten etwas zu bemängeln.
Etwa daran, dass Teleclinic offenbar eigene Patientenakten führt. Die klagende Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hatte argumentiert, dass der Anbieter damit in den gesetzlich vorgegebenen Regelungsrahmen eingreife, den die KV durch den Sicherstellungsauftrag zu bewahren habe.
Teleclinic hatte entgegnet, dass man keine Patientenakte führe, sondern »nur eine elektronische Dokumentation« vornehme, und dass die Datenerhebung im Rahmen der elektronischen Patientenakte (ePA) mit Einwilligung der Patienten auf Grundlage der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) rechtmäßig sei. Das sah das Münchner Gericht anders und stellte fest: »Es ist nicht ersichtlich, worum es sich hierbei handeln soll, wenn nicht um eine Patientenakte.«
Teleclinic sei nicht berechtigt, eine solche anzulegen und zu führen. Als »zertifizierte Videodienstanbieterin« beschränke sich ihre »Mitwirkung an der ambulanten Versorgung der gesetzlich Versicherten allein auf die technische Durchführung der Videosprechstunde«, heißt es in dem Urteil, das der PZ vorliegt.
Weiter sah das Gericht im Teleclinic-Angebot die freie Arztwahl eingeschränkt. Es kritisierte »Telemedizinische Assistenten«, die »den passenden Arzt« heraussuchten, was Teleclinic laut Antragsverlauf zurückwies. Aber auch in einem modifizierten Ablauf ohne solche Assistenten sah das Gericht Rechtsverstöße und untersagte dem Anbieter, entsprechende Angebote zu bewerben oder zu betreiben, ohne dass Patienten die zur Verfügung stehenden Ärztinnen und Ärzte sehen und auswählen könnten.
Untersagt wurde zudem eine Registrierungspflicht für Patienten. Teleclinic hatte dem entgegengesetzt, dass eine solche Pflicht nicht für die Videosprechstunden, sondern für andere auf der Plattform angebotene Leistungen gelte. In der Vergangenheit sei der Zugang zum Videodienst allerdings nur mit Registrierung möglich gewesen. Laut Urteil reicht dies aus, den Unterlassungsanspruch zu begründen.
Auch bei Symptomschilderung und Datenschutz schob das Gericht einen Riegel vor. So darf Teleclinic Daten aus der Symptomschilderung des Patienten nur an einen Arzt weiterleiten, wenn der Patient nach Beginn der Videosprechstunde ausdrücklich zustimmt. Teleclinic sei kein Leistungserbringer, sondern ein Videoanbieter und daher sei seine Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung auf die technische Durchführung der Videosprechstunde beschränkt.
Das Gericht untersagte auch, dass nicht-medizinisches Personal im Vorhinein per Fragebogen prüft, ob der Patient für die Sprechstunde beim Facharzt infrage kommt. Der Anbieter darf darüber hinaus kein Nutzungsentgelt von teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten fordern, das ausschließlich auf abgerechnete vertragsärztliche Leistungen abstellt, und keine Abrechnungsziffern der Ärzte speichern.
Teleclinic war der Auffassung, dass das von dem Arzt gezahlte Entgelt nicht für die Vermittlung, sondern dafür gezahlt werde, dass ihm die technische Infrastruktur zur Verfügung gestellt werde; eine kostenfreie Bereitstellung wäre demnach unzulässig. Dies überzeugte das Gericht nicht. Mehrere Werbeaussagen des Anbieters wurden ebenfalls als rechtswidrig eingestuft.
Die KV Bayern wertet den Richterspruch in erster Instanz als Erfolg. »Das Urteil des Sozialgerichts München ist ein wichtiger Schritt zum Erhalt der Rechtssicherheit in der Telemedizin«, betonen Christian Pfeiffer, Peter Heinz und Claudia Ritter-Rupp vom KV-Vorstand in einer Mitteilung. Mit dem Urteil werde der vertragsarztrechtliche Rahmen gestärkt. Kommerzielle Telemedizinanbieter müssten die geltenden Regelungen beachten, nur dann könnten sie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die KVB empfiehlt allen Vertragsärztinnen und Vertragsärzten, bei der Nutzung von Videodienstanbietern auf die Korrektheit der Inhalte zu achten, die ihre berufs- und vertragsarztrechtlichen Pflichten betreffen.
Die KVB hatte den zu Doc Morris gehörenden Anbieter verklagt. Schon öfter haben sich Gerichte mit dem Teleclinic-Geschäftsmodell befasst. Vor gut einem Jahr verbot das Landgericht München der Doc-Morris-Tochter beispielsweise, sich ungefragt Patienten von dem Versender zuführen zu lassen.
Teleclinic tritt zudem als technischer Dienstleister für Krankenkassen auf. Die enge Verbindung zwischen Teleclinic und Doc Morris wird teils kritisch gesehen.