Gericht: Absprache ist Abrechnungsbetrug |
Alexander Müller |
13.08.2025 09:00 Uhr |
Verstößt ein Apotheker mit einer Absprache gegen das Zuweisungsverbot nach § 11 ApoG, hat er laut einem aktuellen Gerichtsurteil auch keinen Anspruch auf Erstattung seitens der Krankenkasse. / © IMAGO/Zoonar
Die urologische Praxis und die Apotheke liegen circa 30 Kilometer voneinander entfernt. In den Jahren 2014 bis 2017 stellte der Arzt laut Urteil insgesamt 110 Verordnungen aus, die weder für die genannten Patienten gedacht waren, noch jemals an diese ausgehändigt wurden.
Stattdessen wurden die »Luftrezepte« von dem beteiligten Apotheker bei den Krankenkassen abgerechnet. Der Arzt erhielt vom Apotheker als Gegenleistung Praxisbedarf in Höhe von 40 Prozent des Wertes der eingereichten Rezepte. Den Gesamtschaden bezifferte das Gericht auf 240.000 Euro.
Der Arzt wurde wegen Untreue in 110 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Zwei Monate wurden wegen der langen Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt, der Rest ist auf Bewährung. Der Apotheker wurde ebenso verurteilt, in seinem Fall wegen Betruges in 57 Fällen.
Der Apotheker ist kein unbeschriebenes Blatt: 2022 verurteilte ihn das Amtsgericht Leipzig wegen des vorsätzlichen Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 180 Euro, und im August 2023 wegen »Computerbetruges« zu 20 Tagessätzen à 180 Euro. Die Landesdirektion Sachsen entzog ihm im März 2024 die Betriebserlaubnis. Seine Beschwerde dagegen vor dem Verwaltungsgericht Leipzig blieb erfolglos. Ein Entzug der Approbation steht außerdem noch im Raum.
Soweit es um die Luftrezepte ging, lag der im Prozess auch eingeräumte Abrechnungsbetrug auf der Hand. Doch der Apotheker belieferte die Praxis des mitangeklagten Arztes und eines weiteren Mediziners auch tatsächlich direkt mit Arzneimitteln, erhielt die Rezepte und rechnete mit den Kassen ab. Die Absprache darüber wurde als klarer Verstoß gegen § 11 Apothekengesetz (ApoG) gewertet, der die Zuführung von Patienten sowie die Zuweisung von Verschreibungen untersagt.
Das Landgericht Leipzig wertet auch dies als Abrechnungsbetrug. Schließlich habe der Apotheker die Krankenkassen dahingehend getäuscht, er habe die abrechnungsrechtlichen Maßgaben und gesetzlichen Vorgaben eingehalten. Mit dem Verstoß gegen § 11 ApoG erlischt aus Sicht der Richter damit der Erstattungsanspruch.
Dazu führt das Gericht in seiner Urteilsbegründung aus: Das Bevorzugungsverbot beruhe auf dem Grundsatz einer strikten Trennung der beiden Heilberufe. Der Arzt soll sich bei der Verordnung ausschließlich von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten leiten lassen, der Apotheker die ihm zugewiesenen Kontrollfunktionen sachgerecht und eigenverantwortlich wahrnehmen. Der Apotheker habe das Verbot gekannt, die Abrechnung der Rezepte gegenüber der Krankenkasse interpretierte das Gericht daher als »betrugsrelevante Täuschung«.
Diese weite Auslegung – kein Erstattungsanspruch wegen Zuweisung – haben zuletzt auch andere Gerichte schon vertreten. Im vergangenen Jahr entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, dass einem Vergütungsanspruch die direkte Abgabe der Medikamente an die Arztpraxen entgegensteht. Und das Landgericht Nürnberg-Fürth urteilte schon im Oktober 2022, dass ein Verstoß gegen § 11 ApoG zugleich einen Verstoß gegen das Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bedeutet und zum Wegfall seines Vergütungsanspruchs führt.
In der juristischen Fachwelt wird diese Position kritisiert. Die Rechtsanwälte Hendrik Schneider und Yannick Neuhaus kommen in einem Fachaufsatz zu dem Schluss, dass § 11 ApoG eine Marktverhaltensnorm ist, die keinen unmittelbaren Vermögensbezug hat.
Denn die gegenüber der Kasse quasi miterklärte Einhaltung des ApoG sei keine Täuschung im Sinne des § 263 Strafgesetzbuch (StGB), sondern allenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach § 25 ApoG. Vereinbarte Gegenleistungen wie Kick-back-Zahlungen würden wiederum unter §§ 299a, 299b StGB fallen, in denen Korruption im Gesundheitswesen sanktioniert wird.