Gentherapie gegen Epilepsie in Entwicklung |
Vor allem fokale Epilepsien könnten möglicherweise in Zukunft mit einem gentherapeutischen Ansatz langfristig gut behandelt werden. / Foto: Adobe Stock/Kateryna_Kon
Bei einer Epilepsie feuern die Nervenzellen im Gehirn unkontrolliert und gleichzeitig. Die Symptome fallen unterschiedlich aus – je nachdem, ob das ganze Gehirn betroffen ist (generalisierte Epilepsie) oder nur eine Region (fokale Epilepsie). Ein »Grand mal«-Anfall, bei dem der ganze Körper zuckt und der mit Bewusstlosigkeit einhergeht, ist für den Betroffenen und für das Umfeld immer beängstigend. Aber auch kurze Abwesenheiten (Absencen), die kaum bemerkt werden, können ein Anfall sein. »Insgesamt gibt es mehr als 30 verschiedene Formen der Epilepsie«, sagt Dr. Pablo Serrano vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in einer Pressemitteilung.
In Deutschland leben bis zu 800.000 Menschen mit einer Epilepsie, oft lässt sich keine eindeutige Ursache feststellen. In Frage kommen beispielsweise Kopfverletzungen, Stoffwechselstörungen oder Entzündungen im Gehirn oder Schlaganfälle. In manchen Fällen ist eine Epilepsie genetisch bedingt.
Mittlerweile steht eine große Auswahl an wirksamen Therapien zur Verfügung, mit denen Ärzte die Behandlung individuell an die unterschiedlichen Epilepsie-Formen anpassen können. Sie setzen die krankhafte Reizbarkeit der Nervenzellen herab und senken damit das Risiko für Anfälle. Jeder zweite Patient wird schon mit dem ersten Medikament anfallsfrei, weitere 20 Prozent durch eine Kombination mit einem Arzneimittel aus einer anderen Wirkstoffgruppe.
Schlagen die Medikamente nicht ausreichend an, gibt es weitere Therapieoptionen: Bei einer fokalen Epilepsie kann eventuell der Bereich des Gehirns entfernt werden, von dem die Anfälle ausgehen, oder bestimmte Nervenverbindungen können durchtrennt werden. Außerdem kann ein Schrittmacher implantiert werden, um über eine Stimulation des Vagusnervs die Überaktivität im Gehirn zu dämpfen. Bei Kindern mit schwerer therapieresistenter Epilepsie kann auch eine ketogene Diät helfen.
Hoffnung auf neue Therapien machen auch Ansätze aus der Gentherapie. »Im Unterschied zur Gentherapie bei seltenen Erkrankungen wird hier jedoch kein Gendefekt repariert«, erklärt Serrano. Stattdessen handle es sich um eine sogenannte »Drug on Demand«-Therapie.
Eine Forschergruppe erprobt zum Beispiel, ein Gen für das Neuropeptid Dynorphin, das übererregte Nervenzellen beruhigt, in die betroffene Hirnregion einzubringen. »Die Neuronen produzieren und speichern zunächst das Neuropeptid und geben es nur zu Beginn eines Anfalls frei, also wenn sie überaktiviert sind.« Anfälle sollen so langfristig unterdrückt werden.
Ein weiterer gentherapeutischer Ansatz funktioniere ganz ähnlich, so Serrano, allerdings passiere auch hier erst einmal nichts, solange sich kein Anfall ereignet. »Erst, wenn die Nervenzellen stark feuern, springt ein Mechanismus an, der die Zellaktivität senkt.« Die Gentherapie hätte für die Erkrankten den Vorteil, dass sie sich nur einmalig einem minimalinvasiven Eingriff unterziehen müssten und danach eventuell keine Medikamente mit teilweise erheblichen Nebenwirkungen und Risiken mehr benötigten. Allerdings dürfte sie wahrscheinlich nur bei schweren therapieresistenten Fällen zum Einsatz kommen.