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Libmeldy

Gentherapie für Kinder mit seltener Erbkrankheit

Die metachromatische Leukodystrophie ist eine erbliche Stoffwechselkrankheit, die bei Kindern schwere Behinderungen und Todesfälle auslöst. Das Gentherapeutikum Libmeldy® von Orchard Therapeutics bietet erstmals eine Option, die Ursache dieser Erkrankung zu behandeln.
AutorKontaktKerstin A. Gräfe
Datum 03.06.2021  07:00 Uhr

Die metachromatische Leukodystrophie (MLD) ist eine seltene Erbkrankheit, die schwere Schäden an Nervenzellen hervorruft. Verursacht wird sie durch einen Defekt in dem Gen, das für das Enzym Arylsulfatase A (ARSA) kodiert. Letzteres wird für den Abbau von bestimmten Fetten, den sogenannten Sulfatiden, benötigt. Fehlt ARSA, reichern sich Sulfatide unter anderem in der weißen Hirnsubstanz an. Dies geht mit einer Zerstörung derselben einher (Demyelinisierung), was zu mannigfaltigen neurologischen Störungen und letztlich zum Tod führt. Der genaue Pathomechanismus ist ungeklärt.

Die MLD kann in jedem Lebensalter auftreten, wobei je nach Alter bei Ausbruch der Erkrankung die ersten Symptome sowie die Aggressivität des Krankheitsverlaufes unterschiedlich sein können. Klinisch unterscheidet man zwischen spätinfantiler (Ausbruch der Erkrankung vor dem Alter von 30 Monaten), juveniler (Ausbruch zwischen 30 Monaten und 16 Jahren) und adulter Form (Ausbruch ab dem Alter von 16 Jahren).

Libmeldy ist eine Gentherapie, die den Mangel an ARSA ausgleicht, indem eine korrekte Genkopie in das Erbgut von Blutstammzellen eingeschleust wird. Dazu werden körpereigene CD34-positive hämatopoetische Stammzellen (HSC) aus dem peripheren Blut oder dem Knochenmark des Patienten isoliert und anschließend modifiziert, indem mithilfe eines lentiviralen Vektors Kopien des ARSA-Gens in ihr Genom eingefügt werden. Diese modifizierten Zellen werden dem Patienten einmalig reinfundiert. Im Körper besiedeln die Stammzellen das Knochenmark und bilden neue Blutzellen. Diese versorgen alle Gewebe mit dem vormals fehlenden Enzym. Laut Fachinformation wird davon ausgegangen, dass die Wirkung der Gentherapie dauerhaft bestehen bleibt. Der bislang längste erreichte Nachbeobachtungszeitraum sind acht Jahre.

Libmeldy ist zugelassen zur Anwendung bei Kindern mit der späten infantilen oder der frühen juvenilen Form der MLD. Diese Kinder sind Träger des defekten Gens, haben allerdings noch keine Symptome entwickelt. Zudem ist Libmeldy bei Kindern indiziert, bei denen die frühkindliche MLD-Form diagnostiziert wurde: Sie zeigen zwar bereits Symptome, können aber noch selbstständig gehen und haben keine kognitiven Defekte.

Einsatz in frühen Erkrankungsphasen

Das Gentherapeutikum ist für die autologe Anwendung bestimmt und darf nur einmal verabreicht werden. Die Therapie sollte durchgeführt werden, bevor die Erkrankung in ihre schnell fortschreitende Phase gelangt. Die Anwendung erfolgt als intravenöse Infusion. Dabei richtet sich die Dosis nach dem Körpergewicht. Einige Tage vor der Gabe erhalten die Patienten das Zytostatikum Busulfan, um vorhandene Knochenmarkzellen zu eliminieren (myeloablative Konditionierung).

Es wird empfohlen, 15 bis 30 Minuten vor der Infusion von Libmeldy eine Prämedikation mit intravenösem Chlorpheniramin (0,25 mg/kg, maximale Dosis 10 mg) oder einem äquivalenten Arzneimittel zu verabreichen, um potenzielle allergische Reaktionen auf die Infusion zu reduzieren. Insbesondere Dimethylsulfoxid (DMSO), einer der Hilfsstoffe von Libmeldy, kann nach parenteraler Verabreichung anaphylaktische Reaktionen hervorrufen. Die Patienten müssen daher während der Infusion bis drei Stunden danach genau überwacht werden. Nach der Behandlung sollten sie zudem mindestens sechs Wochen lang auf Anzeichen und Symptome einer Zytopenie überwacht werden.

Bildung von Anti-ARSA-Antikörpern

Im Rahmen der klinischen Entwicklung wurden bei fünf Patienten Anti-ARSA-Antikörper (AAA) beobachtet. Es wurden keine Auswirkungen auf die klinische Wirksamkeit oder Sicherheit beobachtet. Dennoch wird empfohlen, die Patienten vor der Behandlung und auch danach noch auf AAA zu überwachen.

Libmeldy darf nicht angewendet werden bei vorhergehender Behandlung mit einer Gentherapie mit hämatopoetischen Stammzellen. Darüber hinaus sind die Kontraindikationen gegen die Mobilisation und die Arzneimittel zur Myeloablation zu berücksichtigen. Die Patienten sollten ab mindestens einen Monat vor der Mobilisation und/oder der Knochenmarkentnahme bis mindestens sieben Tage nach der Libmeldy-Infusion keine antiretroviralen Medikamente einnehmen.

Die Sicherheit einer Immunisierung mit Lebendvirusimpfstoffen während oder nach der Behandlung mit Libmeldy wurde nicht untersucht. In den sechs Wochen vor Beginn der myeloablativen Konditionierung und bis zur hämatologischen Regeneration nach der Behandlung mit Libmeldy werden Impfungen mit einem Lebendvirusimpfstoff nicht empfohlen.

Größter Nutzen bei spätinfantiler Form

Die Wirksamkeit und Sicherheit wurde in einer Hauptstudie (Studie 201222) nachgewiesen, an der 20 Kinder mit im späten Säuglingsalter oder im frühen Kindesalter aufgetretener MLD teilnahmen. Als primäre Endpunkte waren die ARSA-Aktivität sowie der Index der grobmotorischen Funktionen (GMFM) definiert. Letzterer wird mit einem Wert zwischen 0 und 100 angegeben und misst die Fähigkeit eines sich entwickelnden Kindes, normale Bewegungen wie Krabbeln, Stehen und Laufen auszuführen.

Bei allen Kindern stieg die ARSA-Aktivität innerhalb von drei Monaten nach der Behandlung auf Werte über oder innerhalb des Bereichs für gesunde Kinder an. Nach zwei Jahren betrug der Gesamtscore des GMFM 72,5 in der Gruppe der Kinder mit im späten Säuglingsalter aufgetretener MLD im Vergleich zu 7,4 in Krankenakten von ähnlichen unbehandelten Kindern. Bei Kindern mit im frühen Kindesalter aufgetretener MLD betrug der durchschnittliche Wert zwei Jahre nach der Libmeldy-Behandlung 76,5, während der Wert bei zuvor unbehandelten Fällen bei 36,3 lag.

Der größte Nutzen war bei Kindern festzustellen, die noch keine Krankheitssymptome entwickelt hatten. Bei Kindern, die nicht mehr selbstständig gehen konnten oder eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten aufwiesen, ließ sich kein Nutzen feststellen.

Eine sehr häufige Nebenwirkung ist die Entwicklung von Antikörpern gegen ARSA. Ebenfalls sehr häufig sind als Folge der Konditionierungsbehandlung mit Busulfan eine niedrige Anzahl weißer Blutkörperchen, mitunter einhergehend mit Fieber, metabolischer Azidose, Stomatitis, Erbrechen, Hepatomegalie, Lebervenen-Verschlusskrankheit und Ovarialinsuffizienz bei Mädchen.

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