Genetische Ursache des Raynaud-Syndroms gefunden |
Christina Hohmann-Jeddi |
12.10.2023 17:30 Uhr |
Bei Patienten mit Raynaud-Syndrom erblassen die Finger bei Stress oder bei Kälte. / Foto: Adobe Stock/Mykhailo
Bei Menschen mit Raynaud-Syndrom erblassen die Finger und zum Teil auch die Zehen anfallsartig. Der Grund sind Spasmen in den kleinen Blutgefäßen, die die Durchblutung der Haut stören und auch schmerzhaft sein können. Auslöser der Vasospasmen sind zum Teil Kälte, aber auch emotionaler Stress. Von der erblichen Erkrankung sind etwa 2 bis 5 Prozent der Bevölkerung betroffen. Obwohl sie somit relativ häufig ist, sind ihre genetischen Ursachen bisher kaum erforscht.
Um dies zu ändern, führte ein Team um Dr. Sylvia Hartmann von der Berliner Charité eine genomweite Assoziationsstudie durch und wertete dabei Daten von 5147 Raynaud-Patienten und 439.294 gesunden Kontrollpersonen aus der UK Biobank aus. Dabei identifizierten die Forschenden bisher unbekannte Genomregionen, die mit dem Risiko für das Raynaud-Syndrom in Verbindung stehen. Ihre Ergebnisse stellen sie nun im Fachjournal »Nature Communications« vor.
Vor allem Variationen in zwei Genen waren mit einem erhöhten Risiko für die Erkrankung assoziiert. Das eine ist der α-2A-adrenerge Rezeptor für Adrenalin, ADRA2A, ein klassischer Stressrezeptor, der eine Kontraktion der kleinen Blutgefäße vermittelt. »Das ist sinnvoll, wenn es kalt oder gefährlich ist, weil der Körper das Körperinnere mit Blut versorgen muss«, erklärt Professor Dr. Maik Pietzner, Gruppenleiter am Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité, in einer Pressemitteilung. »Bei Raynaud-Patienten scheint dieser Rezeptor besonders aktiv zu sein, was die Gefäßspasmen erklären könnte, vor allem in Kombination mit dem zweiten Gen, das wir gefunden haben: Bei diesem Gen handelt es sich um den Transkriptionsfaktor IRX1, der möglicherweise die Fähigkeit der Blutgefäße, sich zu erweitern, regulieren könnte.«
Wenn die IRX1-Produktion erhöht sei, könnten sich die verengten Gefäße nicht rasch wieder entspannen. Dies könne zusammen mit dem überaktiven Adrenalinrezeptor dazu führen, dass die Blutgefäße über längere Zeit nicht durchblutet seien, was zu dem beobachteten Erblassen der Finger und Zehen führe.
In einer weiteren Analyse suchten die Forschenden um Hartmann nach möglichen therapeutischen Ansätzen für das Raynaud-Syndrom. In der Open Target Database ermittelten sie 50 Wirkstoffe, die zumindest eine gewisse Affinität zu ADRA2A besitzen. Es gebe bereits zugelassene Wirkstoffe, die antagonistisch auf den α2-Adrenorezeptor wirken, darunter das Antidepressivum Mirtazapin, schreiben die Autoren in der Publikation. Diese seien aber nicht spezifisch für diesen Rezeptor und hätten Fallberichten zufolge das Krankheitsbild bei Raynaud-Patienten zum Teil verschlechtert. Ob eine systemische oder auch topische Behandlung mit Mirtazapin vasospastische Anfälle bei Raynaud-Patienten abmildern könne, müsse in klinischen Studien untersucht werden. In einer früheren Untersuchung habe nämlich Methyldopa, das als α2-adrenerger Agonist genau die gegenteilige Wirkung eines Antagonisten hat, die Symptome bei Raynaud-Patienten lindern können.