Gemeinsame Fallkonferenzen beim Medikationsmanagement |
Jennifer Evans |
22.02.2023 16:30 Uhr |
Die Sensibilität für die Risiken von Arzneimittel-Interaktionen ist zwar da, aber sie reicht nicht aus. Eine Studie will beweisen, dass ein Zusammenwirken von Arzt und Apotheker Abhilfe schaffen kann. / Foto: ABDA
Wenn Patienten mehrere verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen, steigt das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen oder unnötiger Krankenhausaufenthalte. Wie die Universitätskliniken Ulm, Fürth, Bonn und Stuttgart bereits im Jahr 2018 belegten, sind 6,5 Prozent aller Fälle in Notaufnahmen darauf zurückzuführen. Die Gefahr solcher unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist vor allem für ältere Menschen groß, die über längere Zeit angstlösende und beruhigende oder schlaffördernde und muskelentspannende Medikamente einnehmen. Viele solcher Ereignisse ließen sich aber vermeiden und die Lebensqualität der Patienten steigern, wenn Apotheker und Ärzte enger zusammenarbeiten und ihre Expertisen kombinieren.
Auf diesen interprofessionellen Ansatz, bei dem der Hausarzt die Beschwerden behandelt und der Apotheker die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) im Blick hat, zielt die Studie namens Partner ab. Ziel ist es, Fehl- und Überversorgung mit Arzneimitteln zu reduzieren und bei Erfolg die Kooperation der beiden Berufsgruppen in die Regelversorgung zu überführen. Gefördert wird das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren mit etwas mehr als 2 Millionen Euro durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Die Studie findet an drei Standorten statt: dem LMU Klinikum der Universität München, der Universität Bielefeld sowie an der Universität Witten/Herdecke.
Der Ablauf sieht so aus: Eine Hausarztpraxis bildet mit einer oder mehreren Apotheken eine Kooperationseinheit. Jede Einheit identifiziert nach vorgegebenen Kriterien bis zu 15 geeignete Patientinnen oder Patienten. Die Rekrutierung übernimmt die Arztpraxis. Vor Beginn der Studie gibt es eine zweistündige Schulung zur Studiendurchführung und die Apotheke muss eine Kontaktperson benennen.
Alle Patienten lassen zunächst in der Apotheke ihren Medikationsplan aktualisieren und einen Interaktionscheck durchführen. Ob eine Rückmeldung an die Hausarztpraxis erfolgt, entscheidet die Apotheke selbst. Als Zeitaufwand sind 20 Minuten angesetzt.
Ärzte und kooperierende Apotheken, die in der Interventionsgruppe sind, nehmen zudem an einem etwa zweieinhalbstündigen Workshop mit Fallkonferenz über die gemeinsamen Patienten teil und beantworten einen Kurzfragebogen. Nur in der Interventionsgruppe führt die Apotheke dann eine Medikationsanalyse auf Basis der Informationen durch, die die Apotheke zusätzlich vom Arzt erhalten hat.
Anschließend führt sie ein ausführliches, strukturiertes Patientengespräch. In den dafür vorgesehenen 1,5 Stunden soll es bei jedem Patienten um ausgewählte »Problemarzneimitteln« gehen. Stellt der Apotheker arzneimittelbezogene Probleme fest, muss er dies zu Studienzwecken dokumentieren. In der Kontrollgruppe arbeiten Apotheken und Hausarztpraxen im Rahmen der Routineversorgung zusammen.
Interessierte Hausarztpraxen können sich weiterhin melden, wenn sie mit einer Apotheke in ihrer Nähe an der Partner-Studie teilnehmen möchten. Für beide Berufsgruppen gibt es eine Aufwandsentschädigung. Praxen und Apotheken der Kontrollgruppe erhalten 120 Euro pro Patient, in der Interventionsgruppe liegt die Summe bei 180 Euro pro Patient.
Zur Erinnerung: Die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation bei Patienten, die regelmäßige mindestens fünf Rx-Medikamenten einnehmen, ist bereits Teil des neuen pharmazeutischen Dienstleistungspakets. Seit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) haben Versicherte die Möglichkeit, pharmazeutische Dienstleistungen in der Apotheke zu erhalten und die Kassen zahlen dafür.
Für die Medikationsanalyse gibt es aktuell einmalig 90 Euro netto. Auch dabei erfolgt in der Regel nach einer Erfassung aller Präparate – auch die der Selbstmedikation – im Rahmen eines ersten Patientengesprächs die eigentliche AMTS-Prüfung durch den Apotheker, der gegebenenfalls und mit Einverständnis des Patienten Rücksprache mit den verordnenden Ärzten hält. Dann folgt ein weiteres Patientengespräch, bei dem Apotheker und Patient die Ergebnisse besprechen. Am Ende steht ein aktualisierter Medikationsplan und ein Patient, der weiß, was er bei der Anwendung seiner Medikamente zu beachten hat. Ziel ist es aber auch, die Therapietreue gezielt durch die Interaktion mit dem Heilberufler zu fördern.