Geld als Ansporn funktioniert nicht in allen Kulturen |
| Jennifer Evans |
| 29.01.2024 07:00 Uhr |
Geld ist alles – oder doch nicht? Was Menschen antreibt, sieht in westlichen Industriestaaten anders aus als anderswo auf der Welt. / © Getty Images/AlenaPaulus
Pecunia non olet – die Redewendung »Geld stinkt nicht« geht auf den römischen Kaiser Vespasian zurück und ist rund 2000 Jahre alt. Er führte eine Nutzungssteuer für öffentliche Toiletten ein. Die eingenommenen Münzen stanken nämlich nicht – auch wenn er sie eigentlich mit Urin verdient hatte.
Einigen Kulturen stinkt offenbar der Fokus aufs Geld schon ein wenig, wie nun eine Studie im Fachmagazin »Nature Human Behaviour« zeigt. Für Einwohner von demokratischen Industriestaaten können die Scheinchen als Belohnung motivierender sein als für Menschen, die nicht in sogenannten WEIRD-Ländern leben. Damit sind Bewohner von westlichen (western), gebildeten (educated), industrialisierten (industrialised), reichen (rich) und demokratischen (democratic) Ländern gemeint.
Das Problem: Versuchspersonen für psychologische Forschungen stammen häufig aus den WEIRD-Kulturen. Das könnte bisherige Erkenntnisse, die Geld als einen Hauptmotivator für Eifer identifizierten, ins Wanken bringen. Demnach ist zweifelhaft, ob dieser Belohnungsmechanismus auch anderswo funktioniert. Das hätte unter anderem Auswirkungen auf die Arbeitswelt, wo zum Teil Milliarden fließen, um das Engagement der Mitarbeitenden zu erhalten.
Um das herauszufinden, untersuchte ein Forscher-Team um den Psychologen Danila Medvedev von der Chicago University, wie hart Arbeitnehmer aus den USA und Großbritannien als Reaktion auf finanzielle Anreize beziehungsweise psychologische Motivatoren im Vergleich zu Personen aus den Nicht-WEIRD-Ländern China, Indien, Mexiko und Südafrika arbeiteten. In den Experimenten erhielten die Teilnehmenden entweder ein festes Gehalt, ein festes Gehalt plus eine kostenfreie psychologische Intervention oder ein festes Gehalt plus einen zusätzlichen finanziellen Anreiz.
Dabei fand die Gruppe von Wissenschaftlern heraus, dass Geld im Vergleich zu einem psychologischen Ansporn für Personen aus den USA und dem Vereinigten Königreich motivierender wirkte als für Menschen aus China, Indien, Mexiko und Südafrika.
Auch stellten sie während der Experimente fest, dass mehr als die Hälfte der amerikanischen Teilnehmenden ihre Aufgaben so schnell beendeten wie sie nur konnten, ohne dass dabei ihr Anspruch auf den Bonus verloren ging. Mit anderen Worten: Sie erledigten mit dem zusätzlichen finanziellen Anreiz ihren Job zwar schnell, aber lieferten nur das Nötigste ab. Anders sah das Ganze bei Menschen aus den Nicht-WEIRD-Ländern aus. Vermittelte man ihnen harte Arbeit als Norm, erreichte man damit mehr Leistung und Einsatz bei den Teilnehmenden als durch mehr Geld.
Vor diesem Hintergrund warfen die Studienautoren die Frage auf, ob finanzielle Anreize überall auf der Welt dieselben Effekte haben oder womöglich nur für Personen aus WEIRD-Kulturen am wirkungsvollsten sind. Allerdings machen die Menschen aus WEIRD-Staaten nur 12 Prozent der Weltbevölkerung aus. Das würde bedeuten, dass sich vorangegangene Studienergebnisse nicht so einfach auf die restlichen 88 Prozent übertragen lassen.
Ein Aspekt mag auch sein, welche Wertigkeit die jeweilige Kultur dem Geld beimisst und ob es zum Beispiel schon für Kinder als Belohnung zum Einsatz kommt und sich so bereits früh als Form der Anerkennung etabliert hat.