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Rückenmarkstimulation
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Gehen trotz Querschnittlähmung

Ein Gelähmter kann mit etwas Hilfe wieder einige Schritt gehen. Mittels elektrischer Rückenmarkstimulation und 43 Wochen Rehabilitationstherapie konnte der Patient mit 331 Schritten 102 Meter zurücklegen, wie ein Forscherteam von der Mayo Clinic in Rochester im US-Bundesstaat Minnesota berichtet. Allerdings benötigte er dafür einen Rollator und eine Unterstützung an der Hüfte durch einen Therapeuten. Unbeteiligte Mediziner reagierten skeptisch.
Datum 24.09.2018  17:17 Uhr

Bei einer Querschnittlähmung ist das Rückenmark des Patienten so stark beschädigt, dass die Signale aus dem Gehirn nicht mehr oder kaum noch an die Beine weitergeleitet werden. Mit der elektrischen Rückenmarkstimulation versuchen Mediziner, die verletzte Stelle zu überbrücken. In dem in der Studie beschriebenen Fall war das Rückenmark nicht vollständig durchtrennt. Deshalb wollten die Forscher um Dr. Kendall Lee und Dr. Kristin Zhao herausfinden, wie weit sie mit einer Rückenmarkstimulation kommen würden, berichten sie im Fachjournal »Nature Medicine«.

Die Mediziner gaben Elektroimpulse in verschiedene Beinmuskeln. Dabei entdeckten sie, dass ein einzelnes Stimulationsmuster nicht ausreicht. Sie entwickelten zwei unterschiedliche Muster, die so miteinander verzahnt wurden, dass der Patient die verschiedenen Phasen eines Schritts meistern konnte. »Nach unserem Wissen ist die Verwendung der elektrischen Rückenmarkstimulation während des aufgabenspezifischen Trainings, einschließlich Steh- und Schrittaktivitäten, neu«, schreiben die Forscher. Erforderlich seien nun weitere Untersuchungen mit einer größeren Zahl von Probanden, um die Wirksamkeit der Methode zu bestimmen.

Professor Dr. Norbert Weidner, ärztlicher Direktor der Klinik für Paraplegiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, hält die Studie prinzipiell für gut gemacht. Der beobachtete Effekt sei wissenschaftlich allemal interessant, aber auch mit den gezeigten Fortschritten könne der Patient seinen Alltag nicht meistern. Zudem sei es eher eine Fallbeschreibung, da nur ein Patient an der Studie beteiligt gewesen sei. »Es ist außerdem ein spezieller Patient, sodass fraglich ist, inwiefern andere querschnittgelähmte Patienten in gleicher Weise trainiert werden können«, sagte er der Deutschen Presseagentur. Problematisch sei auch, dass es keine Rückkopplung über die Stellung der Beine im Raum ans Gehirn gebe, was für das sichere Gehen notwendig sei. Bei nicht vollständig Gelähmten, die unterhalb der verletzten Stelle am Rückenmark zumindest noch Bewegungen ausführen können, sieht Weidner ein größeres Potenzial für diesen Ansatz.

Intensives Training nötig

Auch Professor Dr. Jocelyne Bloch vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne (Schweiz) ist vom Ergebnis der Studie nicht ganz überzeugt »Er kann mit viel Hilfe ein paar Schritte gehen – aber es gab keine neurologische Heilung«, sagte sie mit Blick auf den Patienten. »Im Labor einige Schritte zu tun, bedeutet nicht, dass das auch zu Hause und im Alltag klappt und das Leben verändert. Wir sollten also wortwörtlich einen Schritt zurücktreten und die Ergebnisse in der Realität betrachten.«

Weitere Hinweise auf die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen der Methode gibt eine Studie, die zeitgleich im »New England Journal of Medicine« erscheint. Darin berichten US-Forscher um Susan Harkema von der University of Louisville von vier querschnittgelähmten Patienten, die ebenfalls mit Elektrostimulation behandelt worden waren. Zwei von ihnen konnten nach intensivem Training wieder einige Schritte gehen, alle vier konnten zumindest selbstständig stehen. Neben der elektrischen Stimulation und dem Training war der Wille der Patienten für das Gehvermögen entscheidend: Sie mussten sich fest vornehmen zu gehen – sobald sie die mentale Absicht einstellten, konnten sie ihre Beine nicht mehr bewegen, berichten die Wissenschaftler.

dpa

DOI: 10.1038/s41591-018-0175-7 (Nature Medicine)

DOI: 10.1056/NEJMoa1803588 (New England Journal of Medicine)

Foto: Shutterstock/Photographee.eu

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