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Medizinforschungsgesetz

Geheime Preise auf Druck von Eli Lilly?

Die Bundesregierung hat die Regelung zu vertraulichen Erstattungspreisen offenbar auf Wunsch des US-Pharmakonzerns Eli Lilly ins Medizinforschungsgesetz (MFG) geschrieben. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) legen das interne Dokumente des Bundesgesundheitsministeriums nahe.
Anne Orth
15.10.2024  16:08 Uhr

Im November 2023 wurde bekannt, dass Eli Lilly rund 2,3 Milliarden Euro in ein neues Werk im rheinhessischen Alzey investieren wolle. Der US-Pharmakonzern kündigte an, dass er dort unter anderem sein Diabetes-Mittel Mounjaro® (Tirzepatid) herstellen wolle, das seit Ende 2023 auch zum Abnehmen bei Adipositas zugelassen ist. Im April dieses Jahres setzten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die ehemalige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), feierlich einen symbolischen Spatenstich für das neue Werk.

Parallel brachte Lauterbach das Medizinforschungsgesetz (MFG) auf den Weg. Das Gesetz, mit dem die Bundesregierung klinische Studien beschleunigen und den Pharmastandort Deutschland stärken will, nahm Ende September die letzte politische Hürde. Die darin enthaltene Regelung zu vertraulichen Erstattungspreisen kritisierte insbesondere der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) scharf – aus der Sorge heraus, dass dadurch die Kosten für neue Medikamente massiv steigen könnten, und damit die Ausgaben der GKV. Der Verband rechnet bereits im ersten Jahr mit Mehrkosten von bis zu 840 Millionen Euro.

Hing Investition in neues Werk von Regelung im MFG ab?

Wie die SZ berichtete, sei bereits im Herbst 2023 der Verdacht aufgekommen, dass hinter der Entscheidung Eli Lillys für ein Werk in Alzey womöglich ein geheimes Gegengeschäft stecke. Dieser Frage ging ein Rechercheteam von SZ, NDR, WDR und der Journalistengenossenschaft »Investigate Europe« nach. Sie klagten mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz die Akten rund um das MFG ein, erhielten sie aber erst im September dieses Jahres.

Laut SZ-Bericht habe die Bundesregierung vehement bestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen der Investition des Pharmakonzerns und der Regelung im MFG gebe. Doch ein internes Dokument des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vom 13. September 2023 zeige, dass es entsprechende Forderungen von Eli Lilly und Zugeständnisse der Regierung tatsächlich gegeben habe. So hieß es in dem Vermerk: Es »kann dem CEO von Eli Lilly Dave Ricks mitgeteilt werden, dass das BMG dem Wunsch von Eli Lilly nachkommt und im Rahmen des MFG plant, vertrauliche Rabatte für den Herstellerpreis zu ermöglichen.« Und in einem Vermerk an Minister Lauterbach vom November 2023 hieß es demnach: »Befürworter einer solchen Regelung ist insbesondere die Firma Lilly, die ihre Investitionsentscheidung in Alzey an einen in Aussicht gestellten vertraulichen Erstattungsbetrag geknüpft hatte.«

BMG äußert sich ausweichend

Mit den Zitaten aus den Akten konfrontiert, habe Eli Lilly dem Bericht zufolge abgestritten, die Bundesregierung unter Druck gesetzt zu haben. Und das Gesundheitsministerium habe sich auf Anfrage nicht konkret zu den Zitaten geäußert. Ein Sprecher habe mitgeteilt, dass für Minister Lauterbach persönlich »die Haltung von Eli Lilly keine Rolle bei der Entwicklung der Pharmastrategie gespielt« habe.

Das Rechercheteam ging auch dem Verdacht nach, dass Kanzler Scholz persönlich involviert sein könnte. So habe er am 16. Februar mit Eli Lilly-CEO Ricks telefoniert. Laut SZ-Bericht habe sich das Kanzleramt auf Anfrage des Rechercheteams zu Gerüchten, wonach Scholz Lauterbach die Geheimpreise aufgedrängt haben könne, nicht geäußert. Beamte des BMG hätten den Dokumenten zufolge hingegen gewarnt, dass die Ermöglichung vertraulicher Erstattungspreise zu Mehrkosten führen könne.

Die Recherchen hätten laut SZ-Bericht auch ergeben, dass insbesondere Eli Lilly von der Möglichkeit vertraulicher Erstattungspreise profitieren würde. So könne der Konzern davon bei seinem »Lifestyle«-Medikament Mounjaro® (Tirzepatid) von der Regelung Gebrauch machen. In der Folge erführen die Patienten nach Ablauf des Patentschutzes nicht, wie hoch der Rabatt ist, den das Unternehmen den Krankenkassen einräumen muss. 

Nach viel Kritik, insbesondere der Krankenkassen, schränkte die Bundesregierung Anfang Juli die Regelung zu den geheimen Preisen im MFG ein. Auffällig sei jedoch laut SZ-Bericht, dass die Möglichkeit ausgerechnet für Arzneimittel, die aufgrund von Lifestyle-Indikationen nur teilweise erstattungsfähig seien, bestehen blieben. Damit wäre sichergestellt, dass die Zusage gegenüber Lilly eingehalten werde, da Mounjaro® darunterfallen würde.

Kathrin Vogler: Gefahr für Preisstabilität in Europa

»Es ist völlig inakzeptabel, dass der Bundeskanzler und sein Kabinett offenbar bereit waren, zentrale Prinzipien der Preisregulierung zu opfern«, kritisierte Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, in einer ersten Reaktion auf die Enthüllungen des Rechercheteams. »Die Bundesregierung, allen voran Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach, müssen sich fragen lassen, wessen Interessen sie hier wirklich vertreten.« Der Versuch der Pharmalobby, sich über vertrauliche Rabatte in Deutschland zu bereichern, gefährde die Preisstabilität von Arzneimitteln nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, warnte Vogler.

Sie forderte die Bundesregierung auf, sämtliche Regierungsunterlagen zu Eli Lilly zu veröffentlichen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass die Gesetzesänderung auf Wunsch des Konzerns zustande kam, müsse sie sofort Konsequenzen ziehen, betonte die Linken-Politikerin.

Transparency Deutschland fordert lückenlose Aufklärung

»Die Causa ›Lex Lilly‹ ist ein Skandal und muss lückenlos aufgeklärt werden«, verlangte Rolf Blaga, Leiter der AG Medizin & Gesundheit von Transparency Deutschland. Er wies darauf hin, dass seit dem 1. März 2024 transparent gemacht werden müsse, ob und wie Lobbyisten Einfluss auf einen Gesetzentwurf genommen haben. Der Entwurf für das Medizinforschungsgesetz sei dem Bundeskabinett am 27. März 2024 vorgelegt worden und damit unter die neue Regelung gefallen.

Transparency Deutschland habe die »geplante Geheimniskrämerei um Medikamentenpreise« schon damals scharf kritisiert und gefordert, die entsprechende Klausel ersatzlos zu streichen. Arzneimittel- und Impfstoffpreise müssten gegenüber staatlichen Auftraggebern sowie Krankenkassen offengelegt werden. »Medikamente gehören zur Grundversorgung kranker Menschen«, so Blaga. Daher müsse alles getan werden, damit möglichst viele Betroffene damit versorgt werden und nicht nur diejenigen, die es sich leisten könnten.

Blaga warf der Bundesregierung zudem Verstöße gegen ihre Auskunftspflicht vor und forderte ein Bundestransparenzgesetz. So habe das Rechercheteam die Akten rund um das MFG nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bereits im Dezember 2023 vom BMG und auch vom Kanzleramt angefordert, sie jedoch erst im September dieses Jahres erhalten. Eigentlich hätte dies laut IFG innerhalb von drei Wochen passieren müssen. Das Kanzleramt habe sich gar nicht geäußert. »Wenn die Bundesregierung rechtzeitig geantwortet hätte, hätte dies die Gesetzgebung noch beeinflussen können«, monierte er. Nun sei das Gesetz beschlossene Sache. »Ein Geschenk der Bundesregierung an die Pharmaindustrie«, kritisierte Blaga.

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