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Myokardinfarkt

Gefahr fürs weibliche Herz

Frauen überleben einen Herzinfarkt seltener als Männer. Oft äußert sich der Notfall durch unspezifischere Symptome. Und viele Arzneimittel für die Primär- und Sekundärprävention wirken je nach Geschlecht unterschiedlich. Im Versorgungsalltag wird das bislang aber kaum berücksichtigt.
AutorClara Wildenrath
Datum 10.12.2023  08:00 Uhr

Frauenherzen schlagen anders. Sie sind – auch im Verhältnis zum Körpergewicht – kleiner als das männliche Pendant und weniger elastisch. Ausgeglichen wird das über eine höhere Pumpleistung und Schlagfrequenz. Die Auswurffraktion (der Anteil des im Herzen befindlichen Bluts, der mit jedem Schlag in den Körper gepumpt wird) beträgt bei gesunden Frauen 60 Prozent – bei Männern nur 50 Prozent. Patientinnen mit Herzschwäche haben oft noch eine erhaltene Auswurffraktion (HFpEF, Heart Failure with preserved Ejection Fraction), bei Männern ist sie häufiger reduziert (HFrEF). Die Koronararterien am weiblichen Herzen sind feiner und neigen eher zum Verkrampfen.

Auch beim Herzinfarkt gibt es gewichtige Unterschiede. Dieser galt lange Zeit als typische Männerkrankheit. Tatsächlich sind bis zum Alter von etwa 60 Jahren neun von zehn Betroffenen männlich. Danach aber geht die Inzidenz bei Frauen steil in die Höhe. Denn bis zur Menopause wirken die körpereigenen Estrogene als Schutzfaktor vor Atherosklerose und Bluthochdruck. Fällt diese Protektion weg, wird das weibliche Herz anfälliger.

Insgesamt ist von den knapp 200.000 Menschen, die in Deutschland jährlich wegen eines Myokardinfarkts stationär behandelt werden, rund ein Drittel weiblich. Geringer sind die Geschlechterunterschiede bei den Todeszahlen: 27.000 Männer und 18.000 Frauen starben laut Statistischem Bundesamt 2021 an einem akuten Herzinfarkt – das entspricht einem Verhältnis von 60 zu 40. In internationalen Studien ist die Letalität bei weiblichen Patienten zwei- bis dreimal so hoch wie bei männlichen. Und: Während die altersadjustierte Sterblichkeit nach einem Infarkt in Europa bei Männern in den letzten 25 Jahren um 49 Prozent zurückging, sank die Rate bei Frauen nur um 39 Prozent.

Dank der verbesserten medikamentösen Prävention hat sich das Alter, in dem der erste Herzinfarkt auftritt, in den letzten Jahrzehnten generell nach hinten verschoben. Bei Männern macht sich dieser Effekt allerdings stärker bemerkbar. Sie erleiden heute die meisten Infarkte im Alter zwischen 68 und 76 Jahren, Frauen im Schnitt rund acht Jahre später.

Das höhere Durchschnittsalter der Frauen bei der Infarktdiagnose erklärt das größere Sterberisiko nur zum Teil. Zwar steigt mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit von Begleiterkrankungen. Doch auch in altersbereinigten Analysen liegen die Letalität und die Rate an schweren Komplikationen bei Frauen jeweils rund 20 Prozent über jenen der Männer.

Frauen nehmen Warnsignale anders wahr

Einer der Gründe für die schlechtere Prognose nach einem Infarkt ist die unterschiedliche Symptomatik. Männer erleben vor allem die – vermeintlich – typischen Beschwerden wie Engegefühl hinter dem Brustbein, Atemnot und heftige Brustschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen.

Bei Frauen überwiegen dagegen eher unspezifische Symptome (Tabelle). Dazu gehören beispielsweise Bauch- oder Rückenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Schwindel oder Verdauungsstörungen. Häufiger als bei Männern kommt der Infarkt »aus heiterem Himmel«, kündigt sich also nicht schon Tage oder Wochen vorher durch Herzbeschwerden an. Generell tritt der Brustschmerz, den die meisten Menschen mit einem Herzanfall verbinden, bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Lebensalter immer mehr in den Hintergrund.

Geschlecht Symptome
beide Beklemmungs- und Angstgefühl
kalter Schweiß, blasse Haut
Schmerzen im Oberbauch
Übelkeit und Erbrechen
Mann stechende Schmerzen im linken Brustbereich und hinter dem Brustbein
Schmerzen strahlen in den linken Arm aus
Schmerzen in Rücken, Schulter und Unterkiefer
Schwindel und Bewusstlosigkeit
Frau Schmerzen in Brust und Arm
Schmerzen in Rücken, Kiefer und Halswirbel
Atemnot bei geringer Belastung
Müdigkeit oder Benommenheit
Achtung: Symptome oft weniger spezifisch, werden daher häufig übersehen
Tabelle: Herzinfarktsymptome bei Mann und Frau. Modifiziert nach: Deutsches Herzzentrum der Charité (www.dhzb.de/ratgeber/herzinfarkt)

In einer Umfrage der Betriebskrankenkasse VBU (Verkehrsbau Union) konnten nur 45 Prozent der Befragten die bei Frauen häufiger auftretenden Infarktsymptome richtig zuordnen. Bei den »typischen« männlichen Alarmzeichen waren es dagegen 96 Prozent. Weil Betroffene und Angehörige die unklaren Beschwerden bei Frauen oft nicht auf das Herz zurückführen, rufen sie zu spät den Rettungsdienst. Selbst Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte denken manchmal zunächst an ein orthopädisches oder gastroenterologisches Problem.

Das mangelnde Bewusstsein für den weiblichen Infarkt könnte ein Grund für den zeitverzögerten Therapiebeginn sein. Wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZKH) 2017 zeigte, vergingen bei Frauen über 65 Jahren nach einem schweren Herzinfarkt durchschnittlich mehr als viereinhalb Stunden, bis sie in der Notaufnahme waren – bei gleichaltrigen Männern dauerte es nur dreieinhalb Stunden. Die Autoren der Studie vermuten allerdings noch eine weitere Ursache für die Unterschiede: Gerade ältere Frauen zögerten häufig, den Notarzt zu rufen, weil sie ihre Beschwerden herunterspielen und keine »unnötigen Umstände« machen möchten.

Die Ursache eines Herzinfarkts ist bei beiden Geschlechtern die gleiche: der Verschluss eines Herzkranzgefäßes. Meist geht ihm eine jahrelange koronare Herzerkrankung voraus. Sie entsteht durch atherosklerotische Ablagerungen in den Koronargefäßen. Wenn solche Plaques kleine Einrisse bekommen, wird das Blutgerinnungssystem aktiviert. Es bildet sich ein Thrombus, der das Gefäß verstopft und die Durchblutung des angrenzenden Herzmuskelgewebes zum Erliegen bringt. Innerhalb von 15 bis 30 Minuten stirbt der betroffene Bereich ab. Je schneller die Blutversorgung wiederhergestellt werden kann, desto geringer sind die Folgeschäden.

Klassische Risikofaktoren wirken schwerer

Die Risikofaktoren unterscheiden sich bei Frauen und Männern ebenfalls kaum. Die fünf Risikofaktoren Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterolwerte, Rauchen und Diabetes mellitus sind zusammengenommen für mehr als die Hälfte aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich.

Allerdings scheinen sich diese klassischen Risikofaktoren bei Frauen zum Teil schwerer auszuwirken. Beispiel Diabetes: So steigt die Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzerkrankung bei ihnen auf das Siebenfache an – bei Männern dagegen »nur« auf das Zwei- bis Vierfache. Nikotin führt bei Frauen ebenfalls schon in deutlich geringeren Mengen zu einer Verengung der Arterien. Besonders gefährdet sind Raucherinnen, die die Pille nehmen.

Eine Hypertonie kann sich durch den Estrogenrückgang nach der Menopause sehr schnell entwickeln. Bei Frauen, die zuvor nie Probleme mit dem Blutdruck hatten, bleibt sie dann unter Umständen lange unbemerkt und unbehandelt. Eine große US-amerikanische Analyse zeigte zudem, dass das Herz-Kreislauf-Risiko von Frauen schon bei deutlich niedrigeren Blutdruckwerten ansteigt als bei Männern.

Bis zu den Wechseljahren schützen die weiblichen Sexualhormone zu einem gewissen Maß vor Atherosklerose. Danach aber bedeutet die Arterienverkalkung eine umso größere Gefahr fürs Herz. In einer jüngst veröffentlichten Registerstudie stieg das Risiko für einen Herzinfarkt bei Frauen mit einer schweren Atherosklerose auf fast das Siebenfache, bei Männern mit der gleichen Plaquelast nur auf knapp das Zweieinhalbfache.

Bei beiden Geschlechtern nimmt allerdings der Einfluss der klassischen Risikofaktoren mit zunehmendem Alter ab. Einzige Ausnahme ist der Body-Mass-Index: Starkes Übergewicht ist in jedem Alter eine Gefahr fürs Herz. In besonderem Maß gilt das für eine bauchbetonte Fettverteilung. Sie ist ein starkes Indiz für viel viszerales Fett in der Bauchhöhle, das eine wichtige Rolle bei der Freisetzung von Fettsäuren und entzündungsfördernden Zytokinen spielt.

Doch obwohl die Bedeutung der fünf klassischen Risikofaktoren für die kardiovaskuläre Gesundheit hinreichend bekannt und bei Frauen offensichtlich noch höher als bei Männern ist, belegen Studien immer wieder, dass die Primärprävention von Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen weniger ernst genommen wird. Viele Ärzte messen offenbar LDL-Cholesterol, Blutdruck und HbA1c bei Frauen seltener. Und bei gleich hohen Werten erhalten Männer häufiger eine adäquate Therapie. Risikofaktoren, ihre Vorbeugung und Behandlung können auch in der Apotheke immer wieder thematisiert werden.

Schwangerschaften und Zyklus

Darüber hinaus haben Forschende in den letzten Jahrzehnten weitere Aspekte entdeckt, die speziell bei Frauen das Infarktrisiko beeinflussen. Dazu zählen insbesondere Schwangerschaftskomplikationen. Bei Frauen, bei denen Gestationsdiabetes oder Schwangerschaftshypertonie diagnostiziert wurde, steigt die Gefahr einer späteren kardiovaskulären Erkrankung und eines Herzinfarkts. Das Gleiche gilt nach einer Fehlgeburt oder wenn das Kind zu früh oder (durch eine intrauterine Wachstumsrestriktion) deutlich zu klein auf die Welt kam.

Wie eine 2023 veröffentlichte britische Datenbankanalyse belegt, geht auch ein besonders kurzer oder besonders langer Menstruationszyklus (weniger als 21 oder mehr als 35 Tage) mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und andere koronare Ereignisse einher. Frauen mit einem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) tragen ebenfalls ein höheres Herz-Kreislauf-Risiko. Zu einem geringen Maß steigert zudem die Antibabypille das Herzinfarktrisiko. Bei neueren niedrig dosierten Präparaten mit einem Gestagen der dritten oder vierten Generation, zum Beispiel Drospirenon oder Gestoden, fällt dies jedoch weniger ins Gewicht.

Einzelne Studien deuten außerdem darauf hin, dass Umweltgifte und psychischer Stress die Gefäßgesundheit bei Frauen stärker gefährden als bei Männern.

Herzschutz durch Estrogensubstitution?

Klar ist: Je länger der weibliche Körper ausreichende Mengen an Estrogenen produziert, umso besser ist das Herz geschützt. Bei Frauen, die besonders früh in die Wechseljahre kommen – veranlagungsbedingt oder zum Beispiel nach einer operativen Entfernung der Eierstöcke –, steigt deshalb die Infarktgefahr. Entsprechend der S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen« (Stand September 2020) ist bei ihnen eine Hormonsubstitution indiziert (siehe auch Titelbeitrag in PZ 21/2023).

Bei Frauen mit einer regulären Menopause, also nach dem 45. Lebensjahr, scheint eine Hormonersatztherapie (HRT) das kardiovaskuläre Risiko dagegen eher zu erhöhen. Wie neuere Studien belegen, hängt das jedoch stark vom Zeitpunkt ihres Beginns ab: Startet die HRT innerhalb von höchstens sechs Jahren nach der letzten Periodenblutung oder vor dem 60. Lebensjahr, so steigt das Risiko für koronare Ereignisse nicht oder höchstens geringfügig. Auf atherosklerotische Gefäßveränderungen und den Blutdruck hat sie offenbar sogar einen positiven Einfluss.

Gegenüber der oralen Einnahme bietet die transdermale Estrogen-Anwendung aufgrund des geringeren Thromboembolie-Risikos potenziell Vorteile.

Akutbehandlung eines Infarkts

Als Warnzeichen für einen beginnenden Herzinfarkt gilt die NAN-Regel (Kasten). Wie dringend dann der Notruf (Telefon 112) ist, sollte das Apothekenteam in der Beratung immer wieder ansprechen und Mut machen, schnell Hilfe zu holen. Wichtig ist es, dem Rettungsdienst gleich vom Verdacht auf einen Herzinfarkt zu berichten.

Die Diagnostik läuft bei Männern und Frauen prinzipiell gleich ab. Bei akuten Thoraxbeschwerden, die auf ein Herzproblem hinweisen, sprechen Mediziner zunächst von einem akuten Koronarsyndrom. Diese Arbeitsdiagnose schließt sowohl eine instabile Angina pectoris, also eine Verlegung und Verengung einer Koronararterie, als auch einen Myokardinfarkt ein.

Wichtigstes Untersuchungsverfahren ist das 12-Kanal-EKG (Elektrokardiogramm). Wölbt sich die normalerweise flach verlaufende ST-Strecke nach oben, handelt es sich um einen sogenannten ST-Hebungsinfarkt (STEMI: ST-Segment-Elevation Myocardial Infarction) – die schwerste Form eines akuten Koronarsyndroms, bei der die Gewebeschädigung durch alle Wandschichten hindurchgeht.

Schwieriger ist die Diagnose, wenn dieses EKG-Kriterium fehlt: Dann handelt es sich entweder um eine leichtere Infarktform, den Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI), und eine instabile Angina pectoris.

Genaueren Aufschluss bietet eine Blutuntersuchung. Geschädigte Herzmuskelzellen setzen ein Protein frei, das kardiale Troponin, das sich mit hochsensitiven Testmethoden im Labor bereits innerhalb einer Stunde nach Infarktbeginn nachweisen lässt. Die häufig eingesetzten Schnelltests schlagen dagegen meist erst zwei bis drei Stunden nach den ersten Symptomen an. Eine Verlaufskontrolle sichert die Diagnose sowohl bei einem positiven als auch bei einem negativen Ergebnis. Die neue Leitlinie zum akuten Koronarsyndrom, die im August 2023 auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Amsterdam vorgestellt wurde (DOI: 10.1093/eurheartj/ehad191), empfiehlt diese bereits nach einer Stunde.

Bei Zweifeln an der Diagnose kann eine Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) Auskunft über die Funktion des Herzmuskels und der Herzklappen geben. Spricht das EKG für einen STEMI, sollte allerdings so schnell wie möglich eine Koronarangiografie (Herzkatheteruntersuchung) erfolgen. Dabei stellt die Ärztin oder der Arzt fest, welches Gefäß verschlossen ist, und kann es gleichzeitig durch Aufdehnen (Ballondilatation) und Einsetzen eines Stents wieder durchgängig machen.

Ist es nicht möglich, den Patienten innerhalb von zwei Stunden nach der EKG-Diagnose in ein Herzkatheterlabor zu bringen, lautet die Leitlinienempfehlung, zunächst Fibrinolytika, zum Beispiel Streptokinase, intravenös zu verabreichen. Wenn es nicht gelingt, das Blutgerinnsel damit aufzulösen, kann danach noch eine Stent-Implantation erfolgen.

Bei einem NSTEMI sollte je nach Risikoprofil innerhalb von 24 bis 48 Stunden eine Koronarangiografie erfolgen. Zusätzlich erhalten Infarktpatienten je nach Bedarf Sauerstoff, sublinguales Nitroglycerin zur Gefäßerweiterung, intravenöse Opioide zur Schmerzlinderung, Morphin oder Diazepam zur Beruhigung und Betablocker – vor allem Metoprolol – zum Herzschutz.

Komplikationen deutlich häufiger

Wie eine Analyse von Registerdaten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zeigte, werden Herzkatheteruntersuchungen, Gefäßdilatationen und Stent-Insertionen nach einem STEMI bei Männern und Frauen gleich häufig vorgenommen. Auch die primäre Erfolgsrate unterschied sich nicht: Bei jeweils knapp 95 Prozent konnte die Blutversorgung in ausreichendem Maß wiederhergestellt werden.

Gravierende Geschlechterunterschiede fanden sich jedoch in der Prognose nach dem Eingriff. Bei Frauen traten mehr als doppelt so häufig Komplikationen am Gefäßzugang auf; mit mehr als 6 Prozent verstarben fast zweimal so viele Patientinnen wie Patienten noch im Krankenhaus. Erklären konnte sich das Forschungsteam diese Unterschiede nicht.

Die häufigste lebensbedrohliche Komplikation nach einem Herzinfarkt ist das Kammerflimmern – eine Herzrhythmusstörung, bei der das Herz unkontrolliert mit hoher Frequenz zuckt und kein Blut mehr in den Körper pumpt. Es kommt innerhalb von Sekunden zum Kreislaufstillstand. Die einzig Erfolg versprechende Therapie ist eine Elektroschockbehandlung. Die Zeit, bis ein Defibrillator verfügbar ist, muss durch Herzdruckmassagen überbrückt werden.

Seltener, aber fast immer unmittelbar tödlich ist ein Einriss (Ruptur) der geschwächten Herzwand im Infarktbereich. Zu einem kardiogenen Schock kommt es, wenn die Pumpfunktion des Herzens nicht mehr ausreicht, um die Funktion der Organe aufrechtzuerhalten. In den ersten Tagen nach einem Infarkt ist zudem das Risiko erhöht, dass sich eine Herzbeutelentzündung (Perikarditis) entwickelt.

Bei vielen Betroffenen bleibt nach einem Infarkt eine chronische Herzinsuffizienz zurück, weil das geschädigte Gewebe die Pumpleistung schwächt. Manchmal entsteht an der Herzwand im Lauf der Zeit auch eine dünne Ausbeulung. Ein solches Aneurysma kann Herzrhythmusstörungen verursachen und das Risiko der Thrombusbildung erhöhen.

Medikamente wirken unterschiedlich

Mehr als jede dritte Frau erleidet in den ersten fünf Jahren nach der erfolgreichen Akuttherapie einen erneuten und dann oft tödlichen Herzinfarkt. Bei Männern trifft dieses Schicksal nur knapp jeden fünften.

Um das Risiko zu senken, müssen Infarktpatientinnen und -patienten in der Regel dauerhaft Medikamente einnehmen. Dazu gehören meist Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS, Ticagrelor, Prasugrel oder Clopidogrel sowie Lipidsenker und Antihypertensiva. Deren Pharmakokinetik kann sich jedoch je nach Geschlecht unterscheiden: Sowohl bei der Absorption als auch bei der Verteilung im Körper und der Verstoffwechslung finden sich zum Teil erhebliche Differenzen. Das liegt einerseits an der Körperzusammensetzung: Bei Frauen ist der Körperfettanteil höher und der Wasseranteil niedriger, was das Verteilungsvolumen bei lipophilen oder hydrophilen Wirkstoffen verändert. Zum anderen beeinflussen die Sexualhormone auch die Aktivität der für den Arzneimittelmetabolismus wesentlichen Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber und in der Darmwand. Darüber hinaus sind die glomeruläre Filtrationsrate und die renale Clearance im weiblichen Organismus geringer. Das fördert die Akkumulation vieler Substanzen.

All dies kann sich auf die effektive Dosis und die Verträglichkeit auswirken. Studien belegen, dass Betablocker, ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptorblocker (Sartane) bei Frauen in deutlich geringeren Dosierungen wirksam sind als bei Männern. Oft würden bereits 40 bis 50 Prozent der empfohlenen Dosis ausreichen. Zudem leiden Frauen unter der Therapie häufiger an Nebenwirkungen, etwa Husten oder Müdigkeit.

Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Sotalol führen bei Frauen zu einer stärkeren Verlängerung der QT-Zeit im EKG und zu mehr Herzrhythmusstörungen (Torsade-de-Pointes-Tachykardien). Auch Digoxin wird bei Frauen häufiger überdosiert und die Behandlung ist mit einer höheren Sterblichkeit assoziiert als bei Männern. Unter Clopidogrel und Heparin ist das Blutungsrisiko höher.

ASS ist bei Frauen zwar in der Primärprophylaxe des Schlaganfalls wirksam, nicht aber in der des Herzinfarkts. Bei Männern ist es umgekehrt. Die Fixkombination Sacubitril/Valsartan reduzierte kardiovaskuläre Ereignisse – im Vergleich zur Valsartan allein – bei Frauen mit chronischer Herzinsuffizienz stärker als bei Männern.

Frauen in Studien unterrepräsentiert

Trotz dieser Erkenntnisse erhalten Männer und Frauen mit einer koronaren Herzerkrankung die gleiche Arzneimittelbehandlung, kritisieren Gender-Medizinerinnen. Denn in den Dosierungsempfehlungen der Leitlinien habe sich das relativ neue Wissen über die geschlechtsspezifische Wirkung bisher nicht niedergeschlagen. Sie orientieren sich überwiegend an Männern.

Zwar müssen Arzneimittelhersteller in ihren klinischen Studien in der EU seit Anfang 2022 für eine repräsentative Geschlechter- und Altersverteilung sorgen. Der weitaus überwiegende Teil der Daten beruht aber auf Studien, an denen fast ausschließlich Männer teilgenommen haben. Nach wie vor werden zudem Wirkungen und Nebenwirkungen nur in sehr wenigen Zulassungsstudien nach Geschlecht getrennt ausgewertet. Und in pharmakologischen Phase-1-Studien ist die Frauenquote bis heute verschwindend gering. Auch in der präklinischen Forschung kommen fast ausschließlich männliche Tiere zum Einsatz, weil sie keinen Hormonschwankungen unterliegen.

Eine gendergerechte Arzneimitteltherapie würde mutmaßlich nicht nur dazu beitragen, dass weniger Frauen an einem Reinfarkt sterben. Auch die Primärprävention ließe sich möglicherweise verbessern. Erste Studienergebnisse deuten darauf hin, dass eine Atherosklerose bei Frauen nach der Menopause eventuell intensiver als bei Männern therapiert werden müsste, um Herzinfarkte zu verhindern. Eine strengere Einstellung von erhöhtem Blutdruck, LDL-Cholesterol und Blutzucker könnte das Risiko unter Umständen ebenfalls senken. Um diese Erkenntnisse zu bestätigen, sind allerdings noch viele große und langfristig konzipierte Studien notwendig.

Nachweislich bei beiden Geschlechtern wirksam sind die bekannten Lebensstilveränderungen: nicht rauchen, Übergewicht reduzieren, regelmäßig Sport treiben und sich gesund ernähren. Um ihr individuelles Herzinfarktrisiko im Blick zu behalten, sollte zudem jede Frau spätestens ab 40 außerdem jährlich Blutdruck, Blutzucker und Cholesterol überprüfen lassen. Ab der Menopause empfehlen Herzexperten halbjährliche Kontrollen.

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