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Mikroplastik
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Gefahr für die Blutgefäße – bei Männern

Mikro- und Nanoplastik-Partikel kommen nicht nur in Plaques in Blutgefäßen vor, sondern scheinen sogar deren Bildung zu fördern. Das zeigen tierexperimentelle Untersuchungen, die ein Forschungsteam aus Kalifornien jetzt vorstellt. Dabei ist ein Geschlechtsunterschied zu beobachten.
AutorKontaktJohanna Hauser
Datum 29.12.2025  09:00 Uhr

Mikro- und Nanoplastik-Partikel kommen inzwischen ubiquitär vor. Sie kontaminieren Trinkwasser, Lebensmittel und Atemluft. Auch über die Haut gelangt Plastik in den Körper. In der Folge können die Teilchen in allen wichtigen Organen wie Gehirn, Leber, Darm, Niere, Lunge, Plazenta und Blutgefäßen nachgewiesen werden. Auch in Plaques, Ablagerungen in Gefäßwänden, ist Mikro-und Nanoplastik zu finden. 

Bereits 2024 zeigte eine Publikation im »New England Journal of Medicine«, dass die kleinen Partikel in atherosklerotischen Plaques von Patienten vorhanden sind, die sich einer Endarteriektomie, also der chirurgischen Entfernung einer Stenose, unterzogen. Diese Patienten erlitten bis zu vier Mal häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als Patienten ohne Mikroplastik-Nachweis in den Plaques. Ebenfalls 2024 wies eine Arbeitsgruppe um Sheng Liu vom Beijing Anzhen Hospital in Peking Mikroplastik in Plaques von Koronararterien, Halsschlagader und Aorta nach, insbesondere Poyethylenterephthalat (PET), Polyethylen (PE), Polyvinylchlorid (PVC) und Polyamine (PA). 

Doch reichern sich die Partikel dort nur an oder beeinflussen sie auch die Bildung der Plaques? Dieser Frage ging ein Team um Ting-An Lin von der University of California in Riverside in Untersuchungen an Mäusen nach. An einem Mausmodell für Atherosklerose untersuchte das Team, wie sich die Aufnahme von Mikro- und Nanoplastik mit der Nahrung auf die Plaquesbildung auswirkt. Um die Entstehung von Atherosklerose durch Übergewicht auszuschließen, setzte das Team magere, LDL-Rezeptor-defiziente Mäuse (LDLR-Mäuse) ein. Die Tiere weisen hohe Cholesterinspiegel auf und erkranken frühzeitig an Atherosklerose.

Die Mäuse erhielten eine halbsynthetische, fett- und cholesterinarme Diät und wurden über neun Wochen täglich mit 10 mg/kg Körpergewicht Plastik gefüttert. Diese Menge liegt laut des Teams im Bereich der Belastung des Menschen durch Mikroplastik in Lebensmitteln. Die Ergebnisse stellte es jetzt im Fachjournal »Environmental International« vor

Abwehrreaktion als Trigger

Die Aufnahme des Mikroplastiks beeinflusste weder die Serumlipidprofile der Tiere, noch entstand Fettleibigkeit. Allerdings zeigte sich, dass Mikroplastik in die Gefäßwände gelangt und dort die Entwicklung von Atherosklerose fördert. Im Vergleich zu nicht-exponierten Mäusen waren die atherosklerotischen Plaques der mit Plastik gefütterten Mäuse an der Aortenwurzel um 63 Prozent größer. In der Arteria brachiocephalica, dem ersten großen arteriellen Gefäßast der Aorta, sogar bis zu 624 Prozent. Allerdings wurden diese Veränderungen nur bei männlichen Mäusen beobachtet. 

Die Einzelzell-RNA-Sequenzierung ergab, dass Plastikteilchen in den Endothelzellen eine Abwehrreaktion provozieren. Dies stimuliert die Expression proatherogener Gene, darunter die Gene für  Interleukin-1α und -6. Dieselben Prozesse fanden auch in Zellkulturen menschlicher Endothelzellen nach Exposition von Mikroplastik statt.

Die Forschenden folgern, dass der Fund von Mikroplastik in menschlichen Plaques kein Zufall ist, sondern Plastik tatsächlich die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorantreibt.

Interessanterweise zeigte sich in den Versuchen ein geschlechtsspezifischer Unterschied: weibliche LDLR-Mäuse zeigten nach der Fütterung mit Mikroplastik kein erhöhtes Risiko für die Entstehung atherosklerotischer Plaques. Die Wissenschaftler vermuten, dass Estrogen hier eine protektive Rolle spielen könnte, wobei der Mechanismus noch nicht verstanden ist. Die schützende Wirkung des Hormons sowie geschlechtsspezifische Unterschiede bei kardiovaskulären Erkrankungen und den damit verbundenen Risikofaktoren beim Menschen seien bekannt. Das Team plant, die Geschlechtsunterschiede und auch den Effekt unterschiedlicher Partikelgrößen auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit näher zu untersuchen. 

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