Gefälschtes Semaglutid illegaler Online-Apotheken |
Melanie Höhn |
05.08.2024 15:30 Uhr |
In der Studie wurde eine Risikobewertung der Online-Beschaffung von Arzneimitteln mit Semaglutid durchgeführt. / Foto: Imago Images/photothek
Semaglutid-haltige Präparate illegaler Online-Apotheken werden aktiv ohne Rezept verkauft und die Anbieter versenden nicht registrierte und gefälschte Produkte, wie eine Studie von Forschenden um Dr. Amir Reza Ashraf von der Pharmazeutischen Fakultät der Universität Pécs in Ungarn zeigt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift »JAMA Network Open« veröffentlicht.
In ihrer qualitativen Studie durchsuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Juli 2023 strukturiert die Suchmaschinen Google und Bing, um Websites zu katalogisieren, auf denen Semaglutid ohne Rezept beworben wurde. Websites, die die Einschlusskriterien erfüllten, wurden für ein Produkttest-Kaufprotokoll ausgewählt. Die Ergebnisse seien ein »Verbraucherrisiko für unwirksame und gefährliche Produkte«, so die Forschenden.
Sechs Online-Anbieter, die von LegitScript, einem Dienstleistungsunternehmen für die Händlerüberwachung, Plattformüberwachung und Zertifizierung in Hochrisikobranchen und/oder der National Association of Boards of Pharmacy als nicht empfohlen oder betrügerisch eingestuft wurden, bezogen die Wissenschaftler in ihre Testkäufe ein. Drei dieser Websites boten vorgefüllte Semaglutid-Injektionspens mit 0,25 mg pro Dosis an. Die anderen drei Websites verkauften Fläschchen mit lyophilisiertem Semaglutid, das zu einer Injektionslösung rekonstituiert werden musste. Alle Anbieter hätten auf ihrer Produktseite auf Gewichtsverlust und Fettleibigkeit verwiesen. Die Preise für die kleinste Dosis und Menge hätten zwischen 113 und 360 US-Dollar (103 bis 330 Euro) gelegen.
Die Testkäufe seien per E-Mail und WhatsApp bestätigt worden, so die Studienautoren. Von sechs gekauften Produkten seien nur drei geliefert worden. Zudem hätten drei Verkäufer zusätzliche Zahlungen zur angeblichen Zollabfertigung gefordert – zwischen 650 und 1200 US-Dollar (595 beziehungsweise 1099 Euro) – was jedoch von den Zollbehörden als betrügerisch eingestuft wurde, so die Studienautoren.
Das Originalpräparat Ozempic® erreiche auf einer Checkliste des Weltapothekerverbands FIP 22 Punkte, doch die Testprodukte hätten nur bei acht oder neun Punkten gelegen, hieß es. Bei der Qualitätsprüfung habe eine Probe einen erhöhten Endotoxingehalt (8,95 EU/mg) aufgewiesen, was auf eine mögliche Kontamination hindeute, obwohl keine lebensfähigen Mikroorganismen nachgewiesen worden seien. Zudem habe es in allen Proben einen geringeren Reinheitsgrad von Semaglutid gegeben: 7 bis 14 Prozent gegenüber den deklarierten 99 Prozent.
Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass der gemessene Semaglutidgehalt die angegebene Menge in jeder Probe deutlich um 29 bis 39 Prozent überstieg. Diese Risikofaktoren würden auf eine wahrscheinliche Fälschung hinweisen, die nicht den legitimen Produktqualitätsstandards entspreche.
Zu den Einschränkungen der Studie gehört, dass die Auswahl der getesteten Produkte aufgrund von Nichtlieferungsbetrug begrenzt gewesen sei, betonen die Studienautorinnen und -autoren. Man habe sich zudem auf Semaglutid-Billigangeboten beschränkt und höherpreisig Angebote ausgeschlossen.
Inzwischen melden die Giftnotrufzentralen in den USA einen Anstieg der Anrufe im Zusammenhang mit Semaglutid um 1500 Prozent, was die Notwendigkeit einer verbesserten Pharmakovigilanz, auch mit Blick auf Schäden durch Online-Beschaffung, unterstreiche, so die Forschenden. Zwei ausgewertete Websites hätten Warnschreiben der US-Arzneimittelbehörde FDA wegen des unrechtmäßigen Verkaufs von nicht zugelassenem und falsch gekennzeichnetem Semaglutid erhalten.
Inzwischen warnt nicht nur die FDA, sondern auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor gefälschten Semaglutid-Präparaten aus dem Internet.