Ganz schön viel Dialog |
Alexandra Amanatidou |
25.06.2025 08:14 Uhr |
Tino Sorge, Parlamentarischer Staatssekretär im BMG, bei der Hauptversammlung des BPI. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Im Laufe der Veranstaltung wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit jetzt im Vordergrund stehe und alles anders sein solle als mit der alten Regierung. Zudem wurde mehrfach die Bedeutung der Pharmaindustrie für die Wirtschaft betont.
Deutschland solle wieder wettbewerbsfähig werden, wofür Entbürokratisierung und weniger Regulierung nötig seien. Thematisiert wurden bei der Versammlung auch die Kommunalabwasserrichtlinie, der Critical Medicines Act und die US-Zölle.
Zu den prominenten Gästen der Hauptversammlung zählte Tino Sorge. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und CDU-Politiker betonte, dass sowohl für ihn persönlich als auch für die Bundesregierung es ein großes Anliegen sei, Deutschland zu einem Gesundheits- und Wirtschaftsstandort zu machen. Dafür brauche es ein klares Signal an die Pharmaindustrie, dass die Politik sie zur Leitwirtschaft machen wolle. Auch den Pharmadialog wolle die Regierung fortsetzen und intensivieren.
Allerdings wurde der CDU-Politiker sehr vage, als der BPI-Vorsitzende Oliver Kirst ihn fragte, wann dieser Dialog umgesetzt werde. Da hieß es nur: »relativ zeitnah«.
Die Herausforderungen der Branche seien groß, wie etwa Lieferengpässe, Herstellung und Preise. Mit Blick auf die USA sagte Sorge, dass die EU selbstbewusst sein müsse und sich nicht auf eine Konfrontation einlassen solle. Die Kommunalabwasserrichtlinie sei lange Zeit unter dem Radar gewesen, doch jetzt zeigten sich die Auswirkungen auf die Branche. »Wir werden eine Balance finden und sehen, was passieren kann«. Dabei helfe nur ständige Wiederholung und dranbleiben.
»Misstrauen hatten wir genug, jetzt ist es Zeit für Vertrauen«, sagte Gitte Connemann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), mit Blick auf die Gesetzgebung. »Geben Sie uns bitte eine Chance, damit wir zusammen nach vorne schauen können. Wir haben gemeinsam die Chance, mehr Heilmittel und weniger Gift zu schaffen«, so Connemann, die sich damit auf die doppelte Bedeutung des griechischen Wortes »Pharmakon« bezog, die sowohl Gift als auch Arznei bedeuten kann.
Zu den kleinen und mittleren Unternehmen sagte sie: »Wir wollen Sie in Deutschland behalten. Bitte bleiben Sie.« Sie erinnerte auch an den neuen Investitions-Booster, der diese Woche noch abgeschlossen werden soll. »Am Ende müssen wir aber immer privates Kapital mobilisieren«, so Connemann.
Die US-Maßnahmen und die verhängten Zölle bezeichnete sie als »Damoklesschwert«, das über der Branche schwebe. Bezüglich des Critical Medicines Act sagte sie, dass noch genauere Verhandlungen zur Resilienz der Lieferketten noch geführt werden müssen. »Alles, was wir machen werden, werden wir mit Ihnen machen und nicht gegen Sie. Wir sprechen wieder mit der Wirtschaft, und Sie sind uns herzlich willkommen.« Dies betreffe auch die Beratung zum Pharma-Paket. Auch die Energiewirtschaft solle »keine ideologische Brille tragen«. Sie soll also nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, sondern auch der Ökonomie geführt werden.
Der BPI-Vorsitzende Oliver Kirst unterstrich die Bedeutung des Pharmadialogs. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen machte deutlich, dass Deutschland eine dringende Strukturreform brauche. »Zusammen ist das Motto«, sagte Joachimsen und betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsakteuren und der Politik – nicht nur mit dem Gesundheits-, sondern auch mit dem Wirtschaftsministerium. Es werde zu wenig investiert, die Branche brauche Vertrauen und Geschwindigkeit, so der BPI-Hauptgeschäftsführer.
»Zusammen Zukunft«: Damit wies auch der BPI-Vorsitzende Oliver Kirst auf die Bedeutung des Dialogs und der Zusammenarbeit hin. »Deutschland muss dringend wieder aufholen.«
Eine nationale Strategie allein reiche jedoch nicht aus. Auch die Europäische Union solle ein Pharmastandort werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. »Die EU soll nicht nur regeln, sondern auch gestalten.« Auch bei der Kommunalabwasserrichtlinie solle man kritisch bleiben. Die US-Zölle haben in der Branche für Unsicherheit gesorgt. Dabei brauche die Pharmaindustrie Stabilität und Erwartbarkeit. »Damit wir in einer anspruchsvollen Zeit navigieren können.«
Auch er thematisierte die Bürokratie, die schneller gewachsen sei, als der politische Wille, sie abzubauen. Er sei jedoch fest davon überzeugt, dass die neue Regierung dies umsetzen werde. »Wir brauchen einen verlässlichen und politischen Rahmen. Wir sind ein Verband mit einer klaren Vorstellung für die Zukunft: eine leistungsfähige, nachhaltige und innovationsfreundliche Gesundheitsversorgung«, sagte Kirst.
Bei der zweitägigen Veranstaltung kamen es auch andere Stimmen aus der Politik und der Industrie zu Wort. So sagte etwa Klaus Holetschek, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag und ehemaliger bayerischer Gesundheitsminister: »Wir brauchen einen Dialog.« Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit müssten wieder in unserer DNA stehen. »Es geht nicht nur um die Wirtschaftspolitik, sondern auch um unsere Sicherheit«, da die Pharmaindustrie systemrelevant sei.
Der CSU-Politiker mahnte jedoch, dass es ein frommer Wunsch sei, mehr Produktion nach Deutschland zu bringen. »Deswegen müssen wir die Produktionen pflegen, die wir schon hier haben. Damit sie hierbleiben.« Er forderte einen großen Pharmadialog, an dem auch das Forschungs- und Wirtschaftsministerium beteiligt sein wollten. »Es muss mit der Industrie zusammen gesprochen werden, und nicht in geschlossenen Zimmern.«
In einer Videobotschaft sprach sich Tanja Gönner, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, für gute Rahmenbedingungen für Investitionen und für eine Zusammenarbeit mit der Bundesregierung bei Zukunftsthemen aus. »Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam gute Bedingungen in der Gesundheitspolitik erreichen können«, sagte sie.
Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), sagte, dass die meisten Themen und Probleme »made in Germany« seien, die man aber auch in Deutschland lösen könne. »Nur gemeinsam sind wir stark. Es ist extrem wichtig, dass die Industrie weiß, was sie will.«
Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter sagte, dass sich die Rahmenbedingungen nicht für Veränderungen eignen, auch wenn diese im Koalitionsvertrag stehen, denn es fehle an Wirtschaftswachstum und es gebe strukturelle Probleme wie die Bürokratie. Zur Entbürokratisierung äußerte sich auch der EU-Politiker Dennis Radtke (CDU). Er sagte, entscheidend sei nicht die Quantität der Regeln, sondern dass sie klar sind und sich nicht widersprechen.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte, dass die deutsche Gesellschaft mehrere Transformationen gleichzeitig erlebe: Globalisierung, Ökologie und Demografie. Er sprach sich für mehr internationale und EU-weite Zusammenarbeit aus. »Gesellschaften, die zusammenarbeiten, können Krisen besser bewältigen«, so Fratzscher.