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Biosimilar-Substitution

G-BA reagiert auf BMG-Kritik

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seinen Beschluss vom 15. Juni 2023 revidiert und folgt damit einer Aufforderung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Es geht um den Austausch von biotechnologisch hergestellten biologischen Fertigarzneimitteln durch Apotheken bei parenteralen Zubereitungen. Den ursprünglichen Beschluss hatte das BMG nicht genehmigt.
Theo Dingermann
17.11.2023  14:30 Uhr

Am 15. Juni dieses Jahres hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Beschluss vorgelegt, auf dessen Basis die Austauschbarkeit bei ärztlich verordneten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln mit biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung in Apotheken geregelt werden soll.

Allerdings hatte das BMG diesen Beschluss nicht durchgewunken, sondern den Richtliniengeber aufgefordert, seinen Beschluss unter Beachtung der sozialgesetzlichen Vorgaben zu biologischen Arzneimitteln und Biosimilars »nachzubessern«. Stein des Anstoßes war ein Beharren des G-BA auf der Formulierung, dass ein Biosimilar und die entsprechende Referenzarznei »wirkstoffgleich« seien muss. Und das, obwohl dies im Vorfeld immer wieder beanstandet wurde und darüber hinaus die Definition aus wissenschaftlicher Sicht für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel nicht haltbar ist.

Nun trägt der G-BA den Bedenken des BMG hinsichtlich des gegebenenfalls zu erwartenden widersprüchlichen Verständnisses der Begrifflichkeit »wirkstoffgleich« Rechnung, indem er »aus Opportunitätserwägungen«, wie es in den »Tragenden Gründen« heißt, nicht an der ursprünglich gewählten Formulierung festhält.

In dem mit Datum vom 16. November 2023 nun minimal geänderten Dokument des G-BA ist das Wort »wirkstoffgleich« entweder gestrichen oder durch das Wort »weiteren« ersetzt.

Obwohl viele Leistungserbringer im Gesundheitswesen eine automatische Substitution von Biopharmazeutika unverändert skeptisch sehen oder gar ablehnen, will der Gesetzgeber mit dem Instrument der automatischen Substitution von Biopharmazeutika offenbar weitere Effizienzreserven heben. Bei Generika ist dies seit Jahren bereits gelebte Praxis. 

Enttäuschend für die Leistungserbringer

Aus Sicht der Apothekerschaft, die diese automatische Substitution zwingend umsetzen müssen, ist die Änderung sicher enttäuschend. Denn gerade weil das Vorhaben der Bundesregierung umstritten ist, muss das Vorgehen bei der automatischen Substitution von Biosimilars und ihren Referenzarzneimitteln eindeutig geregelt sein. Nicht nur, um Missverständnisse zwischen den verordnenden Ärzten und den dispensierenden Apothekern zu vermeiden, sondern auch um potentielle Retaxationsrisiken bei diesen hochpreisigen Medikamenten ausschließen zu können.

Um eine beanstandungsfreie und retaxationssichere Belieferung mit Biosimilars durch die Apotheken sicherzustellen, bleiben allerdings relevante Fragen offen. Aus den Stellungnahmen unter anderem des Branchenverbands Pro Generika und der ABDA zum Beschlussentwurf des G-BA lassen sich einige Fallstricke für die Praxis ableiten:

  • Prinzipiell muss sichergestellt sein, dass alle vorgesehenen Regulierungen eineindeutig durch Software-Algorithmen abgebildet werden können, so dass den Apotheken in ihrer Software ein risikofreies Handeln vor allem mit Blick auf die anzuwendenen Aut-idem Kriterien angezeigt werden kann. Dies muss getestet werden, weshalb zwischen der Bekanntgabe der neuen Vorgaben und deren Anwendung in den Apotheken hinreichend Zeit einzuräumen ist.
  • Da im ersten Schritt der Umsetzung des Gesetzes zunächst nur die Austauschbarkeit von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten eingeführt werden soll, sollte der Begriff »parenterale Zubereitung« rechtssicher definiert werden. Idealerweise sollten die betroffenen Referenzprodukte, die durch Biosimilars gegebenenfalls zwingend zu ersetzen sind, im Sinne einer Positivliste konkret benannt werden (beispielsweise durch eine Kenntlichmachung in der Anlage VIIa oder eine separate Liste).
  • Es reicht aus Gründen der Minimierung potentieller Retaxationsrisiken nicht aus, für die Zusammenstellung einer entsprechenden Liste (nur) die arzneimittelrechtlichen Zulassungszusammenhänge zu berücksichtigen. Fallstricke ergeben sich unter anderem dann, wenn potentiell austauschbare Arzneimittel nicht für dieselben Anwendungsgebiete zugelassen sind. Es ist für die Praxis daher essentiell, dass Einschränkungen der Austauschbarkeit klar definiert sind. Beispielsweise dann, wenn Biosimilars nicht für alle Indikationen zugelassen sind, für die das verordnete Arzneimittel zugelassen ist. Für die Apotheken ist ohne eine solche Positivliste ein Austausch prinzipiell nicht möglich, da die Apothekerin oder der Apotheker die relevante Indikation nicht kennt beziehungsweise aus der Verordnung entsprechende Informationen nicht entnehmen kann und zudem keine Prüfpflicht hat.
  • Risiken, die sich aus Unterschieden in der Formulierung des Arzneimittels (Hilfsstoffe) oder der Darreichungsform (Pulver und Lösungsmittel anstatt einer fertigen Injektionslösung) zwischen dem verordneten und dem zu substituierenden Arzneimittel ergeben könnten, können in der Apotheke nicht beurteilt werden und müssen durch die klare Benennung von Austauschparametern in einer Anlage zu der Verordnung als ausgeschlossen gelten. Therapeutisch betrachtet mag zwar die Darreichungsform des in einer Zubereitung verarbeiteten Fertigarzneimittels irrelevant sein, für eine eindeutige technische Hinterlegung austauschfähiger Darreichungsformen in der Software ist sie hingegen als Aut idem Kriterium hoch relevant – auch bei Zubereitungen.
  • Genauer zu konkretisieren ist auch die Substitutionspflicht mit Bezug auf parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln, für die keine Rabattverträge vorliegen. Hier kollidieren die Regelungen zu den Rabattverträgen mit den Regeln der Hilfstaxe. Falls die Apotheke gezwungen ist, parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten auch dann auszutauschen, wenn kein Rabattvertrag vorliegt, müssen die Voraussetzungen für die Substitution genau definiert und die bisher geltenden Regeln in der Hilfstaxe und im Rahmenvertrag nach §129 Abs. 2 SGB V angepasst werden. Denn die Hilfstaxe kennt unter anderem den Begriff »preisgünstiges Arzneimittel« nicht, was ein gutes Beispiel dafür ist, dass der G-BA Beschluss die Unterschiede zwischen Zubereitungen und Fertigarzneimitteln, die durch den Patienten selbst appliziert werden, nur unzureichend würdigt.
  • Zudem sind Apothekenabgabepreise für Fertigarzneimittel in Zubereitungen bedeutungslos, weil diese Arzneimittel nicht der Arzneimittelpreisbindung unterliegen. In diesem Zusammenhang kann man sich fragen, ob es ein generisches Austauschmodell nach den Regeln der Hilfstaxe überhaupt für Zubereitungen aus biologischen Arzneimitteln geben kann und darf.
  • Da ein mehrfacher, rabattvertragsgesteuerter Therapiewechsel, vor allem im Sinne der Therapieadhärenz, problematisch sein kann, erlangt die Möglichkeit, bei Vorliegen sonstiger Bedenken nach § 40 Absatz 3 Satz 2 der Richtlinie auf einen Austausch zu verzichten, eine besondere Relevanz. Aus diesem Grund muss sichergestellt werden, dass eine konsequente Nutzung des Instruments auch mangels ausreichender Informationen in den Apotheken kein Risiko zur Beanstandung und Retaxation für Apotheken seitens der Krankenkassen nach sich ziehen darf.
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