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Frauenerkrankung

Fusobakterien als Ursache für Endometriose?

Einer japanischen Studie zufolge könnten Bakterien der Gattung Fusobacterium, normale Keime des Darmmikrobioms, an der Entstehung von Endometriose beteiligt sein. Wenn dies zutrifft, ließe sich die schmerzhafte Erkrankung antibiotisch behandeln.
Christina Hohmann-Jeddi
16.06.2023  15:00 Uhr

Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, von der etwa 10 Prozent der Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind. Bei ihnen wuchert gebärmutterschleimhautartiges Gewebe außerhalb des Uterus in benachbarten Organen etwa im Bauch- und Beckenraum oder an den Eierstöcken.

Die Endometrioseherde wachsen im Monatszyklus wie Gebärmutterschleimhaut und bluten auch, was beides meist mit Schmerzen verbunden ist. Neben chronischen Unterleibsschmerzen kann auch Unfruchtbarkeit eine Folge der Erkrankung sein. Die Ursachen der Endometriose sind noch nicht vollständig geklärt. Eine retrograde Menstruation, bei der das Menstruationsblut nicht nur durch die Scheide abfließt, sondern auch in umgekehrter Richtung etwa in den Bauchraum, könnte an der Entstehung beteiligt sein.

Einer aktuellen japanischen Untersuchung zufolge könnten auch bestimmte Bakterien bei Endometriose eine Rolle spielen, die normalerweise in der Mundhöhle und im Darm vorkommen: Fusobakterien. Ein Team um Ayako Muraoka von der Universität Nagoya in Japan hatte an einer Kohorte von 155 Frauen untersucht, ob die Bakterien im Uterus nachweisbar sind. Wie es im Fachjournal »Science Translational Medicine« berichtet, waren Fusobakterien in der Gebärmutter von 64 Prozent der 79 Endometriose-Patientinnen zu finden. Dagegen wiesen weniger als 10 Prozent der 76 gesunden Frauen die Keime im Uterus auf.

Biochemische Analysen an Zellkulturen zeigten, dass Infektionen des Endometriums mit Fusobakterien die Produktion des Signalmoleküls Transforming Growth Factor-β (TGF-β) erhöhen. Das verstärkte TGF-β-Signal wiederum bewirkte, dass bewegungslose Fibroblasten der Gebärmutterschleimhaut sich zu Transgelin(TAGLN)-postiven Myofibroblasten entwickelten, die dadurch die Fähigkeit gewannen, zu proliferieren, aneinander zu haften und zu wandern. Solche TAGLN-positiven Myofibroblasten entstehen vermehrt in der Wundheilung, aber auch bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Fibrose und bei Krebs. Auch von der Endometriose war bereits bekannt, dass die TAGLN-Expression in den Endometrioseherden erhöht ist.

Antibiotika als potenzielle Endometriosetherapie

Wie sich Infektionen mit Fusobakterien auf die Entstehung von Endometrioseherden auswirken, untersuchte das Team um Muraoka bei Mäusen. Es konnte zeigen, dass durch die Fusobakterien sowohl die Zahl der TAGLN-positiven Myofibroblasten als auch die Zahl und das Ausmaß der Endometrioseherde stieg. Eine Behandlung mit Antibiotika konnte die Wucherungen in dem speziellen Mausmodell verringern oder ganz vermeiden. Eine Antibiotikagabe könnte daher den Forschenden zufolge eine potenzielle Therapieoption für Frauen mit Endometriose sein. Hierfür müsse aber zunächst der kausale Zusammenhang der Bakterieninfektion mit der Endometriose bestätigt und das therapeutische Potenzial von Antibiotika bei diesem Krankheitsbild genauer untersucht werden.

Bisher kann Endometriose hormonell oder operativ oder durch beides in Kombination behandelt werden. »Wir wollen weitere Behandlungsmöglichkeiten finden«, sagt Mitautor Yutaka Kondo von der Universität Nagoya gegenüber dem Nachrichtenportal des Journals »Nature«. Hierfür müsse man aber erst die Grundlagen der Pathogenese aufklären.

»Das scheint jetzt auf den ersten Blick die Helicobacter-Darmkrebs-Version bei Endometriose zu sein«, urteilt Professor Dr. Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik und Sprecher des Endometriosezentrums am Universitätsklinikum Erlangen. Auf Grundlage dieser Studie könne man aber nicht zu einem so weitreichenden Schluss kommen. »Ich bewerte die Studie eher als spannende Hypothesenbildung, nicht als finales Ergebnis.« Dass Antibiotika eine Therapieoption sein könnten, sei aber ein wichtiger neuer Ansatz. Neue Thesen zur Ursache der Endometriose oder zur möglichen Therapie seien sehr willkommen.

Fusobakterien auch mit anderen Erkrankungen assoziiert

Bei Fusobakterien handelt es sich um eine Gattung von obligat anaeroben Stäbchenbakterien, die in der Mundhöhle vorkommen, aber auch zur normalen Darmflora gehören. Sie werden mit einer Reihe von Erkrankungen in Verbindung gebracht. Im Mund sind sie offenbar an der Entstehung von Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparats) und Gingivitis (Zahnfleischentzündung) beteiligt. Kommt es im Mundmikrobiom zu einer Dysbiose, werden die Stäbchenbakterien, vor allem Fusobacterium nucleatum, zu einem Treiber der entzündlichen, destruktiven Prozesse, indem sie zum Beispiel das Wachstum pathogener Keime wie Porphyromonas gingivalis fördern.

Zudem können Fusobakterien auch eine Rolle bei Darmerkrankungen spielen. So gilt Fusobacterium nucleatum inzwischen als ein wichtiger pathogener Faktor und als Biomarker bei Darmkrebs. Das Bakterium ist sowohl im Stuhl von Patienten mit Kolorektalkarzinomen als auch in den Tumoren selbst in hoher Zahl zu finden. Es scheint ein tumorfreundliches, immunsuppressives Milieu zu schaffen und darüber die Krebsentstehung im Darm zu fördern.

Inzwischen gibt es auch Hinweise, dass der Keim die Progression von Pankreaskrebs fördert. Dies berichteten US-amerikanische Forschende 2022 im Journal »Science Signaling«. In Zellkulturuntersuchungen induzierte F. nucleatum die Freisetzung von Zytokinen, die bei Pankreaskrebszellen die Fähigkeit zur Proliferation, Migration und Invasion verbesserten. Somit könnten Fusobakterien oder die von ihnen induzierte Freisetzung von Zytokinen auch neue Targets für Antitumortherapien sein.

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