Fundierter Blick in die Kristallkugel |
Kerstin A. Gräfe |
02.06.2025 14:00 Uhr |
Im ersten Quartal dieses Jahres hat die US-amerikanische Zulassunsgbehörde FDA weniger Arzneimittel zugelassen als in jedem Quartal des Jahres 2024. / © Adobe Stock/Maksym Yemelyanov
Als »sehr gute Botschaft« stellte der pharmazeutische Chemiker die EU-Zulassung eines neuen Medikaments zur Schizophrenie-Behandlung in Aussicht: die Fixkombination Xanomelin/Trospium (Cobenfy™). »Damit gibt es erstmals seit mehr als 50 Jahren wieder einen neuen, innovativen Ansatz in dieser Indikation«, betonte der Apotheker.
Die bisherige Behandlung mit Neuroleptika, die auf den Dopamin-Rezeptorantagonismus abzielt, sei aus therapeutischer Sicht unbefriedigend. Die verfügbaren Wirkstoffe zeigten variierende klinische Effekte bei den Positivsymptomen und nahezu keine Effekte bei den Negativsymptomen. Hinzu kämen belastende Nebenwirkungen wie motorische Störungen und Gewichtszunahme.
Mit Xanomelin verfolge man einen »Dopamin-freien Ansatz«: Der Wirkstoff wirke agonistisch an den muskarinischen Acetylcholinrezeptoren M1 und M4. Diese Rezeptoren sind in ähnlichen Gehirnregionen vorhanden, in denen auch dopaminerge Neuronen vorkommen und in denen die Positiv- und Negativsymptome verortet werden. Als Kombinationspartner brauche es den aus der Urologie bekannten und ausschließlich peripher wirkenden Muskarin-Rezeptorantagonisten Trospiumchlorid, um dort die Nebenwirkungen abzumildern.
Professor Dr. Manfred Schubertz-Zsilavecz / © PZ/Alois Müller
Dass das Prinzip in der Praxis überzeugt, zeigte der Referent anhand der Phase-III-Studie EMERGENT-2, die in den USA vergangenes Jahr zur Zulassung geführt hatte. Demnach zeigt Cobenfy gegenüber Placebo statistisch und klinisch signifikante Verbesserungen der Positiv- und der Negativsymptomatik. Nebenwirkungen wie motorische Störungen und Gewichtszunahme waren in beiden Gruppen vergleichbar.
Mit der small interfering RNA Fitusiran (Qfitlia™) von Alnylam könne zukünftig auch hierzulande »ein super spannendes Wirkprinzip« die Therapieoptionen zur Behandlung von Hämophilie A oder B ergänzen. In den USA ist der Wirkstoff seit März dieses Jahres zugelassen. Fitusiran ersetze nicht wie andere Arzneimittel fehlende Gerinnungsfaktoren, sondern gehört wie Marstacimab und Concizumab zu den Rebalancing-Strategien. Während Letztere den Faktor TFPI als Target haben, hat Fitusiran den physiologischen Gerinnungshemmstoff Antithrombin als Zielstruktur.
»Fitusiran bindet an die für Antithrombin codierende mRNA, wodurch diese abgebaut wird und nicht mehr für die Proteintranslation zur Verfügung steht«, erklärte Schubert-Zsilavecz den generellen Wirkmechanismus von RNAi-Therapeutika. So werde gezielt die Bildung des Gerinnungshemmstoffs verhindert. Galenisch »tricky«: Fitusiran sei mit einem Liganden ausgestattet, der es in die Leber dirigiert, wo die Antithrombin-Synthese stattfindet.