Frische Luft dank Ivacaftor |
Theo Dingermann |
20.05.2019 11:00 Uhr |
Die Ursache für Mukoviszidose sind verschiedene Mutationen im CFTR-Gen. / Foto: af-p - Fotolia.com
Mukoviszidose (cystische Fibrose, CF), ist die häufigste lebensverkürzende autosomal-rezessiv vererbte Multisystemerkrankung in Deutschland. Sie beruht auf Fehlern im CFTR-Gen; die Abkürzung steht für Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator. Daraus resultiert eine erhebliche Störung des Salzhaushalts und damit der kontrollierten Leitfähigkeit der Zellmembranen. Es kommt zur Produktion von zähem Schleim, der die Funktion vieler Organe stören kann.
Das für Mukoviszidose verantwortliche CFTR-Gen ist seit dem Jahr 1989 bekannt. Es dient als Bauplan für einen Transportkanal, durch den Chlorid- und Bikarbonat-Ionen aus den Schleimhautzellen hinausbefördert werden. Bis heute sind mehr als 2000 verschiedene Mutationen im CFTR-Gen bekannt, wobei längst nicht alle klinisch relevant sind. Die häufigste Mutation in Deutschland ist die sogenannte F508del-Mutation. Bei Vorliegen dieser Mutation fehlt in der Sequenz des CFTR-Gens ein Basen-Triplett für die Aminosäure Phenylalanin (F) an Position 508 des CFTR-Kanals. Das Protein kann durch diesen Fehler nicht richtig gefaltet werden und wird abgebaut, bevor es die Zelloberfläche erreicht. Bei Trägern anderer Mutation befinden sich zwar CFTR-Kanäle in der Membran, die jedoch in etlichen Fällen durch die Mutation in ihrer Funktion stark eingeschränkt sind.
Ein Beispiel für einen solchen Fall ist die G551D-Mutation, die zum Austausch der Aminosäure Glycin (G) durch Asparaginsäure (D) an Position 551 im CFTR-Protein führt. Für die wenigen Träger dieser Mutation gab es im Januar 2012 eine gute Nachricht: Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte einen oral verfügbaren Wirkstoff genau für diese Patientengruppe zugelassen und es war absehbar, dass die europäische Behörde diesem Schritt folgen würde.
Der Wirkstoff Ivacaftor (Kalydeco®) ist ein sogenannter Potenziator des durch die G551D-Mutation minimal veränderten CFTR-Kanals. Hat Ivacaftor an den Kanal gebunden, resultiert eine längere Öffnungszeit, sodass mehr Chloridionen aus der Zelle strömen können. Das war so neu und auch für Fachleute so erstaunlich, dass Ivacaftor im Jahre 2013 mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet wurde, obwohl nur circa 4 Prozent aller Mukoviszidose-Patienten von der Innovation profitieren.
Rückblickend betrachtet, war dies dennoch gerechtfertigt, denn Ivacaftor erwies sich auch als ein Treiber bei der Suche nach neuen Therapieoptionen. Diese stellten sich in der Folge mit den Wirkstoffen Lumacaftor und Tezacaftor schnell ein. Dabei handelte es sich nicht um Mee-too-Lösungen, denn die beiden neuen Wirkstoffe sind nicht als Potenziatoren sondern als Korrektoren zu klassifizieren. Sie stabilisieren als Chaperone CFTR-Kanalmoleküle, denen das Phenylalanin an Position 508 fehlt, damit diese es so bis in die Membran schaffen. Da beide Wirkstoffe mit Ivacaftor fix kombiniert formuliert sind, wird den Kanälen, die die Membran erreicht haben, zusätzlich durch den Potenziator Ivacaftor geholfen. Lumacaftor/Ivacaftor wurde im Jahr 2015 als Orkambi® und Tezacaftor/Ivacaftor im Jahr 2018 als Symkevi® zugelassen.
Damit stehen heute auch für F508del-Täger orale Therapeutika zur Verfügung, die nicht nur den Betroffenen spürbare Erleichterung verschaffen, sondern die mit großer Wahrscheinlichkeit auch dazu beitragen werden, dass sich Mukoviszidose-Patienten einer üblichen Lebenserwartung annähern.
Seit fast einem Vierteljahrhundert vergibt die Pharmazeutische Zeitung den PZ-Innovationspreis und würdigt damit das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres. Beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Meran wird der Preis zum 25. Mal verliehen. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle bisherigen Preisträger Revue passieren zu lassen und sie kritisch zu beleuchten. Ließen sie sich in den Therapiealltag integrieren? Haben sie neue Therapierichtungen induziert? Als Autoren fungieren die beiden PZ-Chefredakteure Professor Dr. Theo Dingermann und Sven Siebenand sowie Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglied der externen PZ-Chefredaktion.