Frexalimab überzeugt in MS-Studie |
Sven Siebenand |
05.03.2024 07:00 Uhr |
Zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) sind einige neue Wirkstoffe in der Entwicklung, unter anderem aus der Gruppe der Brutonkinase-Hemmer. Frexalimab weist ein anderes Wirkprinzip auf: Es handelt sich um einen CD40L-Antikörper. / Foto: Shutterstock/docstockmedia
Das Pharmaunternehmen Sanofi informiert anlässlich der Publikation von Studiendaten im »New England Journal of Medicine« in einer Pressemitteilung über Frexalimab. Die Ergebnisse stammen aus einer Phase-II-Studie, in der 129 Erwachsene mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) randomisiert eine von zwei Dosierungen des Antikörpers Frexalimab oder Placebo erhielten. In der hochdosierten Behandlungsgruppe bekamen die Teilnehmer alle vier Wochen 1200 mg Frexalimab intravenös mit einer Ladedosis von 1800 mg. Im niedrig dosierten Behandlungsarm wurden die Teilnehmer nach einer subkutanen Ladedosis von 600 mg alle zwei Wochen mit 300 mg Frexalimab behandelt. Im primären Endpunkt wurde nach zwölfwöchiger Behandlung die Anzahl neuer Gadolinium-anreichernder (GdE) T1-Hirnläsionen im MRT-Bild mit Placebo verglichen.
Beide Frexalimab-Dosen führten im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Verringerung dieser Läsionen. Im Hochdosis-Arm waren sie um 89 Prozent gegenüber Placebo reduziert (durchschnittlich 0,2 versus 1,4 neue Läsionen), im Niedrigdosis-Arm um 79 Prozent (durchschnittlich 0,3 neue Läsionen). Frexalimab konnte die Krankheitsaktivität bei Patienten mit schubförmiger MS demnach signifikant verlangsamen. Dabei wurde der Antikörper in der Studie gut vertragen. Neben Covid-19 (Studienstart war 2021) war Kopfschmerz die häufigste registrierte Nebenwirkung. Sanofi teilt mit, dass Phase-III-Studien mit Frexalimab bei schubförmiger MS und sekundär progredienter MS bereits begonnen haben.
Der Antikörper ist gegen das Oberflächenprotein CD 40-Ligand (CD40L, CD154) gerichtet. Bei MS-Patienten ist oft eine erhöhte Expression von CD40L auf der Oberfläche von aktivierten T-Zellen zu finden. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass das Epstein-Barr-Virus, das als Risikofaktor für die Auslösung einer MS-Erkrankung gilt, eine CD40L-Expression induziert. Die Entwicklung eines gegen CD40L gerichteten Antikörpers ist damit eine logische Konsequenz. Dadurch soll der kostimulatorische CD40/CD40L-Signalweg blockiert werden, der für die Aktivierung und Funktion der adaptiven und der angeborenen Immunität wichtig ist. Die Blockade von CD40L führt dabei nicht zur Zerstörung der Immunzellen und verursacht somit keine Lymphozyten-Depletion.
Der Ansatz, einen CD40L-Antikörper bei MS oder anderen Autoimmunerkrankungen einzusetzen, ist nicht neu. Frühere Arzneistoffkandidaten scheiterten aber wegen thromboembolischer Risiken. Frexalimab ist ein CD40L-Antikörper der zweiten Generation, der dieses Risiko laut der Originalpublikation im »New England Journal of Medicine« nicht trägt. Er wurde dahingehend entwickelt, dass er keine Thrombozyten-Aktivierung durch CD40L-vermittelte Immunkomplexe auslöst. Thromboembolische Ereignisse wurden in der genannten Phase-II-Studie nicht beobachtet.
Bis Frexalimab auf den Markt kommen kann, werden die Ergebnisse größerer und längerer Studie abzuwarten sein. Somit wird sicher noch eine Zeit vergehen, bis der Antikörper die Therapieoptionen bei MS möglicherweise erweitert.
Der Wirkmechanismus bedingt, dass der Wirkstoff auch bei anderen Autoimmunerkrankungen funktionieren kann. Daher überrascht es nicht, dass Frexalimab in Phase-II-Studien auch bei Typ-1-Diabetes, systemischem Lupus erythematodes und Sjögren-Syndrom getestet wird.